von Brunhild Müller-Reiß
Bundesinnenminister de Maizière fordert ‚zügige‘ Abschiebungen nach Afghanistan – das Land wird als ‚sicheres Herkunftsland‘ bezeichnet– geflüchtete Menschen sollen nicht bleiben!
Die seit über einem Jahr von Bundesinnenminister Thomas de Maizière gebetsmühlenhaft gegenüber den Bundesländern vorgetragene Forderung, Abschiebungen nach Afghanistan zu vollstrecken, setzt sich durch. Am 2. Oktober 2016 hat Deutschland mit Afghanistan ein Rücknahmeabkommen geschlossen. Niedersachsens Innenminister Pistorius hat sich bisher zurückhaltend geäußert, Abschiebungen nach Afghanistan gab es nicht (Ausnahme: Straftäter). In einem Brief fordert de Maizières die Länder jetzt auf, das Abkommen „zügig mit Leben zu füllen“. Mit Blick auf die landesweit zunehmend eskalierende Gewalt in Afghanistan, gehen Rückführungen mit unkalkulierbaren Risiken für die Betroffenen einher.
Aus diesem Anlass gab es am 19. 11. 2016 eine landesweite Kundgebung mit Demonstration in Hannover.
Es waren afghanische geflüchtete Menschen aus ganz Niedersachsen gekommen. Sie selbst erklärten in ihrer eigenen Sprache ihre Situation – was einerseits sehr gut war – wir wollen ja keine Stellvertreter_innenpolitik machen – andererseits aber für viele Menschen in der Demo bzw. insgesamt im Innenstadtbereich nicht verstehbar war. Kürzere Ansprachen mit guter direkter Übersetzung wären in der Zukunft vielleicht besser.
Das Friedensbüro Hannover, das in den langen Jahren des Krieges gemeinsam mit anderen Friedensorganisationen den Krieg in Afghanistan, den militärischen Einsatz des Westens, der Bundesrepublik, scharf verurteilt und sich für friedliche Lösungen und Verhandlungen auf Augenhöhe eingesetzt hat, zitierte in einem Kundgebungsbeitrag Frau Käsmann mit den Worten „Nichts ist gut in Afghanistan“ – Das hat sie während des offenen Krieges gesagt – leider gilt es noch heute!
Der unter deutscher Beteiligung geführte NATO-Einsatz wurde 2014 durch eine kleinere Nachfolgemission ‚Resolute Support‘ (RS) (‚Entschiedene Unterstützung‘), sowie eine gesonderte US-Antiterrormission ‚Freedom’s Sentinel‘ (‚Freiheitswache‘) ersetzt. Es sollen vor allem die afghanischen Streitkräfte (ANSF) ausgebildet, beraten und logistisch unterstützt werden. Deutschland stellt für die Ausbildung afghanischer Streitkräfte derzeit bis zu 850 Bundeswehr-Angehörige.
Nichts ist gut in Afghanistan, nichts ist gut in Syrien, nichts ist gut, wenn Kriege die Not vieler Menschen noch dramatisch verschärfen.
Deshalb müssen wir Krieg, Gewalt und Armut bekämpfen und gleichzeitig immer fragen: Was haben WIR damit zu tun, wo sind unsere Regierungen, wo ist unsere Lebensweise schuld an den weltweiten Katastrophen?
Und wir müssen die aus den Kriegs-, Gewalt- und Armutsgebieten geflüchteten Menschen bei uns aufnehmen. Das gilt für Menschen weltweit!
Aber leider ist das in Deutschland, in der EU zunehmend weniger der Fall: immer mehr Länder werden zu sicheren Herkunftsländern erklärt, Überwachungselektronik wird in den Sudan und die Maghrebstaaten geschickt, der ‚Flüchtlingsdeal‘ mit der Türkei tut ein Übriges.
Eins der angeblich sicheren Herkunftsländer ist Afghanistan. Das ist gerade angesichts der jüngsten Terrorakte in Afghanistan ein Hohn: Der Spiegel zählt Anschläge, Tote und Verletzte auf:
- Afghanistan – Kundus – Dutzende Zivilisten sterben bei Nato-Luftangriff – 3. 11. 2016
- Taliban-Anschlag in Nordafghanistan: Außenamt zieht deutsche Diplomaten vorerst ab – 11.11.2016;
- Anschlag in Afghanistan: Bundeswehrsoldaten erschießen Motorradfahrer am 11.11.2016;
- Anschlag auf Konsulat: Taliban geben Deutschland Mitschuld an US-Luftangriff am 11.11.2016;
Die taz spricht am 15. Nov 2016 von 3.285 getöteten Menschen im Okt. 2016 bei 195 Angriffen.
Und das Alles ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Die Gewalt umfasst ganz Afghanistan, die materielle Lebenslage ist miserabel, die von Pakistan zurückgeschickten, vorher dorthin geflüchteten afghanischen Menschen leben wieder in Afghanistan in bitterster Armut, ohne Existenzgrundlage.
Und in diese lebensgefährliche, die bloße Existenz nicht sichernde Situation sollen die zu uns geflüchteten Menschen zurückgeschickt werden? Da kann es ja kein Zufall sein, dass Deutschland/die EU Anfang Oktober ein Abkommen mit der afghanischen Regierung abgeschlossen haben, das Milliardenhilfen für ebendiese Regierung von der zügigen Zurücknahme geflüchteter Menschen abhängig macht. Wohlgemerkt: die Regierung bekommt das Geld, nicht die notleidenden Menschen. Bei den Menschen kommt nichts an! Das heißt: Menschenleben gegen Knete!
Das kann nicht sein! Das darf nicht geduldet werden!
Wir fordern:
- Keine Abschiebungen nach Afghanistan!
- Genereller Abschiebestopp!
- Bleiberecht für Alle – und sofort!
- No border, no nation – no deportation!