„Die Bundeswehr im Klassenraum“

Unter dem Stichwort ‚Bildungsrepublik‘ findet sich in der HAZ vom 24. Juni 2014 auf S. 2 ein Artikel, der die Werbung der Bundeswehr in Schulen zum Thema hat. Der Artikel ist insgesamt leicht ironisch gehalten; offenbar ist die Autorin auch nicht so ganz von der Militärwerbung und deren immensen Kosten überzeugt. „30 Millionen Euro investierte die Bundeswehr 2013 in die Nachwuchswerbung.“ Und sie zitiert die Verteidigungsministerin, die die Streitkräfte „zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ ausbauen will: Teilzeitangebote, Kinderbetreuung und der „Wettbewerb um die besten Köpfe“ gehören dazu.

Gut, das alles ist nicht neu, das haben wir an anderer Stelle auch schon gelesen. Und dass beim ‚Wettbewerb um die besten Köpfe‘ immer mehr ‚Frauenköpfe‘ gezeigt werden, machen Werbeplakate  zunehmend deutlich. Frauen haben/sind eben die ‚besseren Köpfe! Wussten wir ja schon immer!

Und dass in Baden-Würtemberg  ein Grünen-Parteitag ‚Schulfrei für die Bundeswehr‘ gefordert hatte, wussten wir auch und fanden das sehr unterstützenswert. Dass aber Herr Kretschmann, der grüne Ministerpräsident das so nicht umsetzen möchte,  sondern es ausreichend findet, wenn „auch Vertreter von pazifistischen Organisationen ihre Auffassungen darlegen können, sofern die Lehrerschaft das will.“, wundert uns nicht wirklich. Wir finden diese Geste geradezu rührend! Doch selbst dieser „Kompromiss“ irritiert einen CDU-Vertreter: „Die Bundeswehr ist keine Kriegsorganisation, der man eine Friedensorganisation  gegenüberstellen muss.“ Das heißt also im Klartext: Bundeswehr rein in die Schulen – wenn’s sein muss auch schon in die Grundschulen – aber Friedensorganisationen bleiben vor der Türe. Versteht sich: die sind ja auch immer so dogmatisch.

Und wenn Deutschland entsprechend der Ansicht unseres Bundespräsidenten ja auch endlich Verantwortung in der Welt übernehmen soll, dann passt die ‚Friedenstruppe‘, die im Ernstfall auch gut mit der Waffe umgehen kann, auch besser in die Schulen!

Ganz ohne Ironie: Ich glaube, wir haben noch viel Arbeit vor uns!
Brunhild Müller-Reiß

Veranstaltungsreihe „Krieg & [Populär]Kultur“ – Übersicht über die Veranstaltungen

Am 25. Februar beginnt die Veranstaltungsreihe „Krieg und [Populär]Kultur“ mit zahlreichen Veranstaltungen. Hier nun die komplette Übersicht:

Alle Veranstaltungen finden im Pavillon Hannover (Lister Meile 4) statt!
Hier findet sich der Übersichtsflyer (pdf-Datei)!

Dienstag, 25. Februar, 19:00 Uhr:
Es fiel ein Schuss in Sarajevo: Über das Leben von Käthe Kollwitz – von und mit Lore Seichter-Muráth
In der essayistischen Collage wird das alltägliche Leben der Familie Kollwitz im Juni 1914 kontrastiert mit den Veränderungen, die das folgenschwere Attentat auf das Thronfolgerehepaar in Sarajevo im August 1914 auf nahezu die ganze Welt hatte. In der Collage aus Lesung, Gesang und Schauspiel über die erste Lebenshälfte der Käthe Kollwitz wird der Zusammenhang von künstlerischer Entwicklung und seelischem Schmerz ins Zentrum des Geschehens gerückt. Mit unterschiedlichen Darstellungsformen werden die schwankenden Stimmungen der durch tiefe Umbrüche gezeichneten Zeit seismographisch aufgezeichnet und wecken jenes Fünkchen an Vorstellungskraft, das letztendlich Empathie mit den Zielen der Kollwitz als Pazifistin hervorrufen wird. (Infos: www.lore-seichter-murath.de)

Mittwoch, 5. März, 19:00 Uhr:
100 Jahre Krieg: Musik als Instrument von Überredung, Harmonie und Folter
Der Vortrag stellt etwas von dem breiten Fächer von Funktionen vor, die Musik im Zusammenhang mit Herrschaft und Krieg als gewaltsamer Austragung von Konflikten erfüllt. In der Regel „gewaltfrei“ unterstützt sie Aufputschen und Beruhigen, Gemeinschaftsgefühle unter den eigenen und Feindseligkeit gegen die anderen, Demütigung und Widerstand.
Im 1. Weltkrieg waren nicht zuletzt die „Materialschlachten“ mit ihrem bis dahin unerhörten Lärm eine der Innovationen. In den heutigen „Kriegen gegen den Terror“ ist die Verwendung von Musik als Lärmfolter eine der Innovationen. Der Referent Prof. Dr. Hanns-Werner Heister ist Musikwissenschaftler. Seine weitgefächerten Interessen- und Forschungschwerpunkte haben ihr Zentrum in einer herrschafts- und gesellschaftskritischen Analyse von Musik und Musikkultur.

Mittwoch, 12. März, 19:00 Uhr:
Das virtuelle Schlachtfeld: Kriegs-Videospiele und die Verbindung zwischen Militär, Rüstungsindustrie und Videospielbranche
US-Truppen marschieren 2014 in den Iran ein, die russische Armee besetzt 2016 Berlin und Hamburg und die USA sind im Jahr 2027 von Nordkorea erobert – heutige Videospiele erzählen brisante Geschichten. Oft werden dabei einem Millionenpublikum vor allem westliche Feindbilder präsentiert und Ängste verbreitet. Auf der anderen Seite propagieren viele Spiele Militärinterventionen, soldatisches Heldentum, moderne Rüstungsgüter und eine zunehmende Militarisierung im Inland. Dazu kooperieren viele Videospiel-Hersteller auch mit Rüstungsunternehmen und dem staatlichem Militär – einige der Software-Produzenten sind sogar selbst in der Rüstungsindustrie tätig. Der Referent Michael Schulze von Glaßer, *1986, Politikwissenschaftler und freier Journalist. Ist Beirat der „Informationsstelle Militarisierung e.V.“ und betreibt den YouTube-Kanal „Games’n’Politics“. Ab 18 Uhr werden drei Computer aufgebaut sein für diejenigen, die Kriegsspiele vor der Veranstaltung ausprobieren möchten.

Donnerstag, 20. März, 19:00 Uhr:
Deutsche Literatur zum 1. Weltkrieg: Begeisterung und pazifistische Kritik
Als nach einer über vierzigjährigen Friedenszeit der Erste Weltkrieg begann, gab es kaum einen Schriftsteller deutscher Sprache, der auf das Ereignis nicht literarisch reagierte. Der Vortrag vermittelt im Blick auf zahlreiche Beispiele berühmter und vergessener Autoren ein Bild der Literatur vor hundert Jahren, das in seiner widersprüchlichen Vielstimmigkeit beunruhigend ist und zuweilen verblüffend aktuell erscheint. Er zeigt dabei, wie bei vielen Autoren die anfängliche Kriegsbegeisterung schon nach wenigen Tagen oder Monaten in desillusionierte Ernüchterung und ein pazifistisches Engagement internationalen Zuschnitts umschlug, das zum Teil auch noch die literarischen Erinnerungen an den Weltkrieg in den zwanziger Jahren prägte. Der Referent Prof. Dr. Thomas Anz ist Professor für Neuere deutsche Literatur und lehrt an der Philipps Universität Marburg.

Dienstag, 1. April, 20:00 Uhr:
Gegen Krieg und Militarisierung: Ein Lesecafé
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden viele antimilitaristische Aktivist_innen geboren, die durch die Militarisierung ihrer Gesellschaft geprägt wurden, sich dagegen wehrten und gerade deshalb gegen Militarisierung und Krieg aussprachen und deren Texte bis heute aktuell sind. Wir wollen uns gegenseitig ihre Texte präsentieren: Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Erich Mühsam, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin oder Emma Goldman – oder auch andere. Bringt die Literatur mit, die ihr vortragen wollt.

3. Mai (Eröffnung 15:00 Uhr, mit Susanne Brandt, Ausstellungsentwicklerin) bis 31. Mai, ebenfalls im Pavillon:
Tout le monde kaputt – Comicausstellung zum Ersten Weltkrieg
Die zwei Comics „Notre Mère la Guerre“ und „Svoboda!“ der französischen Autoren und Zeichner Kris, Maël und Pendanx werden in dieser Ausstellung vorgestellt. In ihren Bildern entwickeln die Autoren erschütternde Szenen des Krieges an der West- und Ostfront. Die Ausstellung bietet mit der „Comic-Fabrik“ auch Einblicke in die Arbeit der Autoren: Wie recherchieren sie, wie entwickeln sie die Geschichten, wie nehmen die Protagonisten Gestalt an? Objekte aus dem Krieg ergänzen die Ausstellung und erinnern die Besucher_innen an die reale Grundlage des im Comic Erzählten.

Veranstaltungsreihe von Kulturzentrum Pavillon und Rosa Luxemburg Stiftung Niedersachsen e.V. in Kooperation mit Forum für Politik und Kultur e.V., Friedensbüro Hannover e.V., GEW Kreisverband Hannover, Kulturforum der Sozialdemokratie in der Region Hannover e.V., Heinrich Heine Universität Düsseldorf, Institut für Geschichtswissenschaften II, Deutsch Französische Gesellschaft Hannover e.V.

Proteste gegen Militärwerbung an der Lutherschule Hannover

Am heutigen 23. Oktober 2013 hatte sich die Bundeswehr bei der Lutherschule in Hannover für eine Veranstaltung angekündigt, die sie unter Duldung der Schulleitung auch durchführen konnte. Im Rahmen eines Projekttages wurden Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs mit einer Werbeveranstaltung der Bundeswehr konfrontiert, die dann an einer benachbarten Grundschule stattfand. Gern bezeichnet die Bundeswehr

solche Veranstaltungen als „Informationsveranstaltungen“ – aber sie informiert nicht, sondern es wird mit der Technikbegeisterung junger Menschen gespielt und ein grundgesetzwidriges Bild der Aufgabe der Bundeswehr als weltweiter militärischer Akteur gezeichnet, hingegen Töten und Sterben nicht thematisiert. Werbung bei Minderjährigen steht einerseits im Widerspruch zu den Intentionen der UN-Kinderrechtskonvention, die darauf abzielt Menschen unter 18 Jahren aus militärischen Konflikten herauszuhalten. Andererseits sind Schulen Orte der Pädagogik: Junge Menschen sollen zur eigenen Positionierung befähigt werden. Das geht aber nicht, wenn Interessensverbände wie die Bundeswehr ‚bilden‘ – sie haben immer ein Interesse! -, sondern wenn Lehrerinnen und Lehrer unterrichten und differenziertes Material für die pädagogische Behandlung zur Verfügung stellen.

Gern argumentiert die Bundeswehr, sie sei eine normale ‚Arbeitgeberin‘ und müsse daher ‚informieren‘ dürfen. Aber sie ist aus mehreren Perspektiven eben keine einfache Arbeitgeberin: 1) Sie erzieht dazu,dass Menschen töten und sterben können. 2) Junge Menschen verpflichten sich über viele Jahre und kommen aus einem Vertrag nicht einfach wieder heraus. 3) Wenn sich zwei, drei Jahre später bei jungen Menschen eine andere Lebensperspektive einstellt – etwa weil sie ein Kind bekommen und sich deshalb ihre Einstellung zu Leben und Töten verändert -, kommen sie aus dem ‚Knebelvertrag‘ mit der Bundeswehr nicht mehr bzw. nur sehr sehr schwer raus. Nur unter erheblichen Hürden, langwierig und mit professioneller Unterstützung gelingt dann die ‚Kriegsdientsverweigerung aus dem Dienst‘ heraus. Die Zahlen sind dennoch hoch: In den Jahren 2002 bis 2012 gab es 31 985 Anträge zur Kriegsdienstverweigerung von Soldatinnen und Soldaten.

Heute protestierten Aktivistinnen vor der Schule gegen die Werbung der Bundeswehr, gaben Material als Gegendarstellung aus (Bevor_du_unterschreibst_klein.pdf). Immerhin hat die Schulleitung darauf hin ein Gespräch angeboten – Friedensinteressierte sollten mit Schülerinnen und Schülern der 12. Klassen diskutieren dürfen – nachdem also junge Menschen von der Bundeswehr ‚gebrieft‘ wurden, dürfen sie später auch etwas über friedenspolitische Alternativen erfahren. Aber auch hier gilt: PädagogInnen sollen informieren und nicht die Schule zum Schauplatz von Interessensgefechten werden!

Empfohlenes Material: „Einsatzgebiet Klassenzimmer – die Bundeswehr an der Schule“ der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: Einsatzgebiet Klassenzimmer.pdf.

Friedensaktivist_innen demonstrieren gegen Bundeswehrpräsenz auf Bildungsmesse „didacta“ in Hannover

Die Bundeswehr ist derzeit wie fast selbstverständlich auf der Bildungsmesse didacta in Hannover mit zwei großen Ständen vertreten. Am heutigen Donnerstag demonstrierten zahlreiche Friedensaktivist_innen mit Beteiligung des Friedensbüros Hannover, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Organisation unique-planet gegen die Präsenz der Bundeswehr auf der Bildungsmesse. Sie diskutierten mit Passant_innen, Jugendoffizieren und den Teilnehmer_innen des Planspiels, das die Bundeswehr zu Anwerbezwecken mit Schüler_innen veranstaltete. Sie entrollten Transparente und verteilten Flugblätter.flyerenddidacta

Die Bundeswehrangehörigen reagierten irritiert und riefen die Messeleitung, welche die Aktivist_innen aufforderte, die Transparente einzurollen und nur noch individuell zu diskutieren, andernfalls würde die Polizei gerufen. Brunhild Müller-Reiß vom Friedensbüro Hannover sagt dazu: „Ich finde es ungeheuerlich, dass die Bundeswehr auf Bildungsmessen, Spielzeugmessen, in der Ausbildung der Lehrkräfte und in den Schulen präsent ist, um junge Menschen für den Kriegsdienst zu werben.“ Die Organisationen kündigten weiteren Widerstand gegen Militarisierung an.

 

Treffen Initiaive „Schule ohne Militär“

Das nächste Treffen der hannöverschen Initiative „Schule ohne Militär Hannover“ findet am Mittwoch, den 28.9.2011, um 19.00 Uhr im Pavillon (Lister Meile 4, Hannover) statt.
Alle Interessierten sind herzlich dazu eingeladen! Kurze Info zur Initiative: Inhalt der Arbeit der Initiative sind 1) konkrete Aktionen, um die Werbeeinsätze des Militärs an hannöverschen Schulen zu problematisieren und 2) der Aufbau eines Informationsportals und die Erarbeitung weiteren Informationsmaterials, um ratsuchenden SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen und SchulleiterInnen Informationen zur Verfügung zu stellen, was sie gegen Werbeauftritte der Bundeswehr an ihren Schulen machen können.

Pädagogen in die Schulen, nicht Werber der Bundeswehr

Radiobeitrag auf Radio Flora zur Veranstaltung
– Bericht zur Veranstaltung „Bundeswehr an Schulen: Rekrutierung im Klassenzimmer und der antidemokratische Hintergrund dieser Rekrutierungsstrategie“ (Mittwoch, 6. Juli 2011, ab 19 Uhr, im Pavillon, Hannover). Der Bericht wurde verfasst von und verantwortlich ist: Heinz-Jürgen Voß.

Hannover, 7.7.2011

Während es Lehrkräften sogar verboten ist, kleine Buttons mit der Aufschrift „Atomkraft? Nein Danke“ an der Kleidung zu tragen, weil die Schüler beeinflusst werden könnten, finden Werbeveranstaltungen der Bundeswehr unhinterfragt statt. Dabei zielen sie nun tatsächlich auf Beeinflussung ab: Die Bundeswehr soll als „normaler Arbeitgeber“ dargestellt, junge Leute, die bislang nur spärlich allein zur Bundeswehr finden, für eine Dienstverpflichtung gewonnen werden. » Weiterlesen