„Existenz unter Beschuss“

Donnerstag, 17.10.2019, um 19.00 Uhr, Pavillon (Lister Meile 4,)
Das Kulturzentrum Pavillon überträgt eine Informationsveranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin zum Angriff auf die Autonome Verwaltung in Nord- und Ostsyrien. Vier Teilnehmerinnen aus Zivilgesellschaft und Medien sind eingeladen, um gemeinsam über die Fragen informieren und zu diskutieren: Was bedeuten die Entwicklungen für die Zukunft der autonomen Selbstverwaltung in Rojava? Was passiert, wenn als vermeintliche Bündnispartner für die syrischen Kurd*innen nur noch Assad und Putin in Frage kommen? Wie sind die Strategien Erdoğan und Trumps einzuschätzen? Wie kann es sein, dass die Türkei, die ihren eigenen Anteil am Erstarken des IS hat, nun für die Strafverfolgung der sich in kurdischer Haft befindenden (internationalen) IS-Straftäter*innen zuständig gemacht wird?
Der Live Stream wird online ausgestrahlt unter: https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/K4PBZ/existenz-unter-beschuss/

Verbrannte Erde: Folgen von Rüstung, Krieg und Militär für Umwelt und Klima

Freitag, den 11.10.2019 um 19.00 im Pavillon, Weiße-Kreuz-Platz

Referat von Jürgen Scheffran, Universität Hamburg Professor für Klimawandel und Sicherheit am Institut für Geographie. Leiter der Arbeitsgruppe Climate Change and Security (CLISEC) in der Exelenzinitiative“Integrated Climate Systems Analysis and Prediction” (CliSAP) am KlimaCampus Hamburg.
mit anschließender Diskussion

In die Aktionen von Fridays for Future und der week4climate haben wir den Gedanken eingebracht, dass Krieg der größte Klimakiller ist, dass es deshalb nicht ausreicht, sein persönliches Handeln zu ändern (was ja trotzdem wichtig ist), sondern dass man sich zusätzlich in die „große Politik“ einmischen muss. Hier kommt die fachlich fundierte Argumentation aus der Wissenschaft.

FRIDAYS FOR FUTURE – Krieg ist der größte Klimakiller

Am Freitag, bevor in Hannover überhaupt soooo viele Menschen – zwischen 30.00 und 40.000! – für die Zukunft des Planeten auf die Straße gingen, waren es ‚down under‘, also in Australien, bereits jeweils 100.000 Menschen in Melbourne und Sidney auf der Straße, und ‚rekordbrechende Massen‘ in vielen anderen Städten Australiens. Und so ging das rund um die Welt weiter.

Wir vom Friedensbüro und der DFG-VK waren auch dabei und betreuten mit ‚XR‘ (extinction rebellion) den Finger vom Küchengarten aus. Wir haben intensiv dazu beigetragen, dass die Rolle von Krieg, Militär und Gewalt als eine wesentliche Ursache für die Klimakatastrophe mit in die Diskussion und hoffentlich auch in  weitere Diskussionen und Aktivitäten mit eingeht.
Hier der Text unseres Flyers:

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Fridays for Future : Rede von Extinction Rebellion

Hallo Hannover!
Ich bin Maximilian Matthias. Ich bin Teil der Extinction Rebellion, Teil des
Aufstands gegen das Aussterben.
Normalerweise müsste ich mich freuen so viele Menschen sind hier, es
herrscht gute Laune. Heute ist der größte Klimastreik, den die Welt je
gesehen hat.
Ich wünsche mir oft, dass ich einfach keinen Plan von der Welt hätte. Nein
ganz im Ernst.

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Fridays for Future: unser Redebeitrag

Zwischen 35.000 und 40.000 Menschen waren es am 20.9.2019 in Hannover!

Hier unser Redebeitrag:

Liebe Freunde und Freundinnen, heute will die Regierung ihr Klimaschutzpaket vorlegen. Wir wissen schon jetzt, dass es bei weitem nicht reichen wird, um die Klimaziele von Paris zu erreichen.

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#FridaysForFuture: 20. Sept. 2019 Großer Sternmarsch in Hannover. Gemeinsam kämpfen und die Klimakrise stoppen!

12.30 Küchengarten Hier trifft sich das Friedensbüro.
Am 20. September ist der 3. globale Klimastreik. Diesmal sind ALLE aufgerufen, zu streiken: Schüler*innen, Studierende, Angestellte, Azubis, Selbstständige, Unternehmer*innen, Künstler*innen, Eltern, Großeltern, Wissenschaftler*innen, Lehrer*innen, Landwirte… Kommt alle vorbei, setzt mit uns ein unübersehbares Zeichen für Klimaschutz.

Das Motto von #FridaysForFuture Hannover: „Wenn wir alle gemeinsam kämpfen, werden wir etwas verändern und die Klimakrise stoppen!“Am 20. September will die Bundesregierung ein Klimaschutzpaket beschließen. Gleichzeitig ruft #FridaysForFuture für diesen Tag zum nächsten globalen „Klimastreik“ auf: Weltweit werden Menschen auf die Straße gehen, um gegen die anhaltende Klimazerstörung zu demonstrieren. In Hannover gibt es zu diesem Anlass statt nur einer Freitagsdemo gleich fünf. Sie beginnen an verschiedenen Startpunkten und laufen dann als „Sternmarsch“ aufeinander zu. Teilnehmen sollen nicht nur Schüler, sondern auch Erwachsene. Schließt euch uns an, für eure eigene Zukunft und die eurer Kinder und zukünftiger Generationen! Es ist so wichtig, dass wir immer mehr werden.“

Als Friedensbüro wollen wir daran erinnern: Krieg ist der größte Klima-Killer, auch Rüstung schadet durch Ressourcenverbrauch – und sie verschwendet die Mittel, die wir dringend zur Gestaltung einer Klimawende brauchen.

Rheinmetall entwaffnen! Camp, Blockade und Demo mit viel Schwung und Entschiedenheit

Ca. 450 Kriegsgegner*innen demonstrierten am 7. 9. in Unterlüß gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall – Waffenproduktion und Waffenexporte. Auch aus Hannover kamen Aktive aus verschiedenen politischen Bereichen zusammen, um gemeinsam nach Unterlüß zu fahren. Mit vielen Fahnen, Transparenten, einem Sarg für die Waffenindustrie und immer wieder lautstark gerufenen Parolen ging es los. . Sprechchöre wie „Rheinmetall entwaffnen – Krieg beginnt hier“ waren lautstark zu hören.

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Ebenso wie ‚Grenzen zu für Waffen – Grenzen auf für Geflüchtete!‘ “ Unterwegs wurde vielfach versucht, Menschen am Rande der Demo anzusprechen, Flugblätter wurden in Briefkästen gesteckt. Die Reden unterwegs waren dann doch vielleicht etwas zu konfrontativ – es ist schwer, gegenüber Produzierenden von Waffen den richtigen Ton zu finden.

Vor den Gebäuden von Rheinmetall, das in Unterlüß mehrere Werke betreibt, sagte ein Sprecher des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen‘: “Hier an diesem Ort, wo Waffen produziert werden, ist der Beginn der Kriege weltweit“. Etwa 100 Initiativen aus der Friedensbewegung, aber auch feministische und kurdische Gruppen sowie der Flüchtlingsrat Niedersachsen hatten zu der Demonstration aufgerufen. „Flucht und Krieg hängen unmittelbar zusammen“, so der Sprecher.
Ein weiteres Highlight bei der Abschlusskundgebung war die eindringliche und wunderbare Solidaritäts-Adresse an uns von Esther Bejarano – Mitglied des Mädchenorchesters in Auschwitz, die alle sehr beeindruckt hat. Sie wies auf Zwangsarbeiter/innen hin, die bei Rheinmetall geschuftet haben und gestorben sind. „Ihr seid unsere Hoffnung…“ sagte sie, denn (sinngemäß) wenn in Deutschland die Kriegstreiber, wozu sie auch die Waffenindustrie zählte, wieder die Oberhand bekämen, dann wären die Millionen Opfer umsonst gestorben. Sie dankte uns und ermutigte uns weiter zumachen in unserem Protest.


Wenn die Polizei mitteilt:„Bis zum Nachmittag blieb die Lage „relativ friedlich“, frage ich mich, wo die Lage ‚nicht ganz so friedlich‘ war. Und wenn auf dem Rückweg zum Bahnhof nach der Demo uns ein Mann anbrüllte, wir sollten endlich mal mit dem Terror und unserem diktatorischen Vorgehen aufhören, dann .frage ich mich doch, was denn unsere kreative Demo an ‚Terror‘ beinhaltet  hat – im Vergleich zu den Waffen von Rheinmetall, die den Menschen in vielen Ländern Terror, Tod und Leid in ihr Leben bringen.

Schon in der Woche zuvor hatten viele Aktive die Gelegenheit genutzt, sich im Camp vielfältig zu informieren und auszutauschen. Interessant dabei: Der ökumenische Arbeitskreis Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung hatte seinen Pilgerweg für den Frieden so gestaltet, dass er an diesen Tagen zum Camp dazustieß und an den Aktionen teilnahm.
06.09.2019 15:30 Uhr  – Aktivisten blockieren seit Montag die Zufahrt zum Werk des Waffenherstellers. Die Kriegsgegner*innen sind bereits seit einigen Tagen vor Ort. Am Donnerstag und Freitag hatten hunderte Aktivist*innen die Zufahrt zum Werksgelände von Rheinmetall blockiert. Ziel sei es gewesen, die Rüstungsproduktion lahmzulegen. Die Polizei ermöglichte den Mitarbeitern der Firma eigenen Angaben zufolge den Zugang zum Werk. In einem Fall sei eine besetzte Schiene geräumt worden. Bei dem Einsatz wurde nach Angaben von „Rheinmetall entwaffnen“ ein Demonstrant schwer verletzt. Rheinmetall kommentierte das Protestcamp mit den Worten, das Unternehmen agiere im rechtlichen Rahmen. (Grundlage – Bericht von NDR 1)

Antikriegstag 1. September: GEMEINSAM FÜR VÖLKERVERSTÄNDIGUNG UND EINE GERECHTE WELT – GEGEN RASSISMUS UND KRIEG

Friedensbüro und DFG-VK laden zusammen mit Gruppen, die aktiv sind zu den Themen „Krieg – Flucht – Umwelt – Gerechtigkeit in der Welt“ ein, sich am Sonntag 1. Sept. um 14.00 – nach der Gedenkveranstaltung im Rathaus – sich neben dem Rathaus zu informieren und gegenseitig kennenzulernen.
Es wird Informationsstände, Lesungen, Sketche und natürlich etwas Musik geben.

Gedenkveranstaltungen von DGB und Stadt:
11.15 Stille Kranzniederlegung in der Aegidienkirche
11.30 Gedenkveranstaltung der IGMetall am Maschsee-Mahnmal
12.30 Gedenkstunde zum Antikriegstag im Rathaus
Es spricht Frank Bsirske.

„GEMEINSAM FÜR VÖLKERVERSTÄNDIGUNG UND EINE GERECHTE WELT – GEGEN RASSISMUS UND KRIEG“.

In diesem Jahr jährt sich am 1. September der Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen und damit der Beginn des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal. Ein Anlass zum Gedenken – aber auch zum Blick auf unser heutiges Leben und die Konflikte der Welt.

So oft wird gesagt: „Wir leben seit über 70 Jahren im Frieden“. Leben wir in Deutschland aber „im Frieden“, wenn unser Land sich an Kriegen in anderen Erdteilen beteiligt? Bei einigen Kriegen sind wir nicht mit der Bundeswehr beteiligt, aber wir liefern die Waffen dazu – auch das ist Beteiligung.

Viele – gerade junge – Menschen sind aktiv geworden gegen die auf uns zu kommende Klimakatastrophe. Auch durch die Rücksichtslosigkeit unseres Wirtschaftens wird Leben zerstört – schon heute, zumindest aber in Zukunft! Und das hängt eng mit dem Friedensthema zusammen. Die Rüstung verbraucht auch ohne Krieg wichtige Ressourcen an Rohstoffen, Technik und menschlicher Intelligenz. Alles das brauchen wir zur Gestaltung eines menschlichen Lebens für alle Menschen hier und überall in der Welt und wollen es nicht verschwenden.

Unsere Art zu leben und zu wirtschaften zerstört die Lebensbedingungen in anderen Ländern, z.B. in Afrika. Dadurch machen sich Menschen in großer Zahl auf den Weg nach Europa. Die Reaktion: anstatt das eigene Handeln zu überprüfen, schottet Europa sich ab – nicht nur durch die grausame Sperrung der Häfen im Mittelmeer, sondern auch durch Verträge mit Diktatoren zur Sperrung der Wege durch die Sahara – in der Wüste verdursten ist nicht besser als im Meer zu ertrinken!

In Hannover leben viele Menschen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind – ob einfach durch Arbeitssuche, Studium oder wegen politischer Verfolgung. Sie machen oft die Erfahrung, dass sie nicht als zugehörig angesehen werden, dass sie direkt Diskriminierung erleben. Auch das empfinden wir als Störung unseres Zusammenlebens.

Gender in der Friedensbewegung

Auf die Frage nach der Relevanz der Geschlechterperspektive in der Friedensbewegung gilt der erste Blick den gängigen bundesweiten Friedensstrukturen. Das Ergebnis ist eher ernüchternd.»Geschlecht und Krieg« wird in der Friedensbewegung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – fast ausschließlich unter dem Opferaspekt abgehandelt. »FrauenundKinder« als Opfer von Krieg – darin erschöpft sich die Thematik weitgehend, wenn der Begriff »Gender« überhaupt in den Mund genommen wird. Man muss schon froh sein, wenn Aufrufe und Analysen der bundesweit aktiven Friedensbewegung in einer einigermaßen gegenderten Schreibweise verfasst sind. Zudem werden die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung, insbesondere der feministischen Friedens- und Konfliktforschung, in der praktischen Friedensarbeit kaum zur Kenntnis genommen und haben nur geringe Rückwirkung auf die etablierten Strukturen der Friedensbewegung.

Dabei sind weitergehende Perspektiven und Ansatzpunkte längst in der Diskussion, insbesondere wenn man den Blick über den rein friedenspolitischen Tellerrand hinaus wagt. Einige Stichworte:

  • Es wird immer deutlicher, dass sexualisierte Gewalt als Machtmittel zu verstehen ist. Sie wird sowohl gegen Frauen und Kinder als auch gegen gefangen genommene Männer eingesetzt. Auch wird die Drohung mit der Vergewaltigung naher Angehöriger in Verhören als Druckmittel genutzt.
  • Darüber hinaus werden Geschlechterverhältnisse, Rassismus und westlicher Paternalismus als hegemoniale Praktiken des Globalen Nordens (also»des Westens«) gegenüber dem Süden immer offenkundiger. In diesem Kontext wurde von der feministischen Friedens- und Konfliktforschung der Begriff »embedded feminism« geprägt. Er thematisiert die Vereinnahmung von Feminismus für hegemoniale westliche Politiken. In queeren Zusammenhängen wird der Begriff »Homonationalismus« genutzt, um die Indienstnahme ehemals emanzipatorischer Forderungen der Frauen-/Lesben- und der Schwulenbewegung für hegemoniale, imperialistische Politiken des Westens zu thematisieren. Es sollte aufmerken lassen, wenn etwa Horst Seehofer Frauen- und Homosexuellenrechte für Afghanistan fordert, aber nicht für Bayern.
  • Insbesondere in der Debatte um Deserteure des Zweiten Weltkrieges findet zunehmend die Geschlechterperspektive Berücksichtigung (siehe vor allem Fritsche 2015). Um Machtstrukturen, Gehorsam und unbedingte Opferbereitschaft – im nationalsozialistischen Deutschland als »Manneszucht« bezeichnet – zu verstehen, hilft die Analyse von Männlichkeiten erheblich weiter. Dieser Ansatz kann auch in anderen Strukturen diskutiert und nutzbar gemacht werden.

Schon aus diesen Stichworten wird klar, dass über die Wirkmächtigkeit von Geschlecht und Geschlechterrollen als Element von Politik nur sinnvoll reflektiert werden kann, wenn Geschlecht im Zusammenhang mit Rassismus und Kolonialismus untersucht wird. Ein »critical whiteness«-Ansatz muss beachtet werden; insgesamt muss intersektional gedacht werden. Im Folgenden möchte ich auf die beiden benannten Ansatzpunkte – sexualisierte Gewalt als Machtmittel gegen Frauen, Kinder und Männer sowie die Konzepte »embedded feminism« und »Homonationalismus« – etwas genauer eingehen, um mich abschließend der Frage zuzuwenden, wie die deutsche Friedensbewegung solche Fragestellungen aufgegriffen hat – und einige konkrete Forderungen anzuschließen.

Sexualisierte Gewalt als Machtmittel gegen Frauen, Kinder und Männer

Das Regionale Informationszentrum der Vereinten Nationen in Westeuropa (UNRIC) machte sexualisierte Gewalt gegen Frauen in kriegerischen Konflikten als Massenphänomen deutlich und veröffentlichte u.a. die folgenden Daten: „In der Demokratischen Republik Kongo [sind seit] Beginn des bewaffneten Konflikts schätzungsweise 200.000 Frauen Opfer sexualisierter Gewalt geworden. […] Während des Völkermords in Ruanda (1994) wurden 250.000 bis 500.000 Frauen vergewaltigt.“ (UNRIC 2015) Auch in weiteren Konflikten, etwa auf dem Balkan, waren Frauen massiv von sexualisierter Gewalt betroffen. Sexualisierte Gewalt wird in Konflikten als Machtmittel und zur Erniedrigung in großem Maße auch gegen Männer eingesetzt. Unter anderem gaben in El Salvador 76 % der in Gefangenschaft geratenen Männer an, sexualisierte Gewalt erfahren zu haben; in Sri Lanka waren 21 % der in Gefangenschaft geratenen männlichen Tamilen betroffen. Das gilt auch für weitere Konflikte. Eine ausführliche Zusammenstellung findet sich bei Stemple (2009).

Neben Männern geraten mittlerweile auch Frauen als Täter*innen in den Blick. Eingeschrieben hat sich in unser Gedächtnis etwa das Bild einer US-Soldatin, die im irakischen Gefängnis Abu Ghraib einen Gefangenen sexuell malträtierte. Dabei ist festzuhalten, dass sexualisierte Gewalt gegen Gefangene als Ausdruck von Macht zu verstehen ist: Der*die situativ Überlegene malträtiert die Unterworfenen sexuell.

Des Weiteren gilt zu bedenken, wie das Motiv »FrauenundKinder« als Rechtfertigung für militärische Handlungen eingesetzt wird. »FrauenundKinder« werden traditionell als besonders verletzlich und gefährdet, als Opfer präsentiert. Damit wird militärisches Eingreifen legitimiert, der Gegner wird dämonisiert – insbesondere die kämpfenden Männer des Gegners –, im Gegensatz zu den eigenen, ehrenvoll kämpfenden Männern. Es wird damit in der eigenen Bevölkerung eine Aggression gegen die »Anderen« angestachelt. Eine weitere Verstärkung ergibt sich durch eine Überbetonung der »Heimatliebe« von »FrauenundKindern«. Mit diesem Diskursbild werden gerade flüchtende Frauen als besonders »heimatverbunden« ausgewiesen, und es wird ihnen im Asylland eine dauerhafte Bleibeperspektive verwehrt.

Deutlich wird dabei auch die Entmündigung: Frauen und Kinder werden in der medialen Darstellung vorgeführt, aber auch in den politischen Diskussionen kommen sie stets nur als Opfer vor. Während über Frauenrechte (und Kinderrechte) gesprochen wird, tauchen als tatsächlich handelnde politische Akteure ausschließlich Männer auf. Da der Fokus auf »FrauenundKinder« liegt, wird Frauen die Möglichkeit genommen, selbst als Akteurinnen politische Entscheidungen herbeizuführen. Damit wird unterstellt, als tatsächliche oder vermeintliche Opfer von Gewalt fehle ihnen die notwendige Durchsetzungskraft und -kompetenz für politisches Handeln und sie bedürften der männlichen Beschützer und politischen Entscheider.

Die Konzepte »embedded feminism« und »Homonationalismus«

»Embedded feminism« bezeichnet die Indienstnahme ursprünglich feministischer Forderungen für die Legitimierung von Krieg, beispielsweise im Irak und in Afghanistan. »Feminismus« ist in diesem Zusammenhang zu einem Mittel der Herrschenden geworden. Frauen- und Homosexuellenrechte werden selbst von konservativen Politiker*innen angeführt, um militärisches Eingreifen zu rechtfertigen – das Beispiel Horst Seehofer habe ich bereits erwähnt. Es wird nicht als Widerspruch wahrgenommen, dass emanzipatorische Veränderungen im eigenen Land gleichzeitig von den gleichen Politiker*innen aktiv bekämpft werden. Der damit zu Tage tretende Paternalismus des Westens, der mit tiefem Rassismus einhergeht, spielt in der gesellschaftlichen Debatte keine Rolle. Einzelne Steigbügelhalter*innen legitimieren diese Praxis zusätzlich. Ein Beispiel: Im Rahmen der Rechtfertigung des Krieges gegen Afghanistan wurde es als notwendig beschrieben, die afghanischen Frauen vor den afghanischen Männern zu retten. Afghanistan und insbesondere die Taliban wurden als patriarchalische Gesellschaft gezeichnet – in Abgrenzung zur emanzipatorischen deutschen. Verschärfend wurden diese so definierten Zustände pauschal »dem Islam« zugeschrieben. (Diese Zuschreibung entpricht in den heute geführten Debatten dem kaum mehr hinterfragten Mainstream.) Die daraus entstehende Konstruktion ist offenkundig: auf der einen Seite das erhöhte, aufgeklärte deutsche christlich-säkulare Subjekt, auf der anderen Seite das zu zivilisierende islamische Objekt. Dass in diesem Umfeld Konflikte nicht gelöst werden können, versteht sich von selbst (Engels und Gayer 2011).

Das Phänomen des »embedded feminism« ist historisch nicht neu. Schon der deutsche Kolonialismus wurde um 1900 mit Frauenrechten gerechtfertigt. Die weißen Deutschen wollten die Schwarze Frau vor dem Schwarzen Mann retten, so das legitimierende Argument der Kolonialist*innen. Auf diese Argumentation ließen sich auch die Sozialdemokratie und die bürgerliche, punktuell sogar die sozialistische Frauenbewegung einschwören. Kritisch arbeitete unter anderem Angela Davis heraus, wie die Weißen den Schwarzen Männern Aggressivität, Promiskuität und Hypermaskulinität zuschrieben; aber auch den Schwarzen Frauen wurde Promiskuität zugeschrieben, sodass die weiß dominierten Gerichte in den USA ihnen u.a. um 1900 keinen Glauben schenkten, wenn sie von einem weißen Mann vergewaltigt worden waren – und das angezeigt hatten. Für die Situation in Deutschland und den deutschen Kolonialismus sind besonders lesenswert die Bücher »Farbe bekennen«, hrsg. u.a. von Katharina Oguntoye, sowie der Band »Schwarze Frau, weiße Herrin« von Martha Mamozai.

Der Begriff »Homonationalismus« wurde im Jahr 2007 von Jasbir K. Puar (Puar 2007) geprägt, die die Indienstnahme von Forderungen der emanzipatorischen Frauen-/Lesbenbewegung und der Schwulenbewegung für kriegerische und westlich-hegemoniale Belange thematisiert und kritisiert.

Homosexualität bzw. gleichgeschlechtlicher Sex wurde historisch ebenfalls immer wieder als Motiv angeführt, um die Rückständigkeit und »Unzivilisiertheit« von Ländern zu markieren. Der Orientalist Edward Said zeigte auf, wie gerade den arabischen Männern ein massiver gleichgeschlechtlicher sexueller Drang zugeschrieben wurde. Mann-männliche Zärtlichkeiten in Arabien und in kolonialisierten Regionen wurden von den europäischen Kolonisator*innen als Zeichen dafür gedeutet, wie rückständig und unzivilisiert die Regionen seien; auch bei den armen Männern und Frauen der Arbeiterklasse in Europa machten die weißen, bürgerlichen Europäer*innen diese »Unzivilisiertheit« aus. Als Maß der »Zivilisation« wurde demgemäß das Bild klarer Männlichkeit und Weiblichkeit und der eindeutigen heterosexuellen Bezogenheit von Frauen auf Männer und umgekehrt entwickelt.

Heute hat sich die Sichtweise verkehrt: Nachdem der arabische Raum zumindest punktuell die europäische Homophobie gelernt hat, während in Europa nach und nach die Verfolgung Homosexueller abgebaut wurde,1 wird die kürzlich entwickelte Toleranz gegenüber Lesben und Schwulen sogleich zum Interventions- und Kriegsgrund gegenüber anderen Ländern gewendet. Es sollte aufhorchen lassen, wenn selbst konservative und rechtspopulistische Politiker*innen, die im eigenen Land niemals für die Rechte von Homosexuellen eingetreten waren, auf einmal die Rechte von Homosexuellen entdecken, wenn es einen Krieg zu rechtfertigen gilt.

Geschlecht und die Friedensbewegung

Eigentlich hat die deutsche Friedensbewegung eine lange – auch feministische – Geschichte. Erinnert sei an Lida Gustava Heymann, Hedwig Dohm, Anita Augspurg und Bertha von Suttner, um nur vier Namen zu nennen, die eng mit dem Widerstand gegen den Ersten Weltkrieg verbunden sind. Die Wirkmächtigkeit der Friedensbewegung der 1980er Jahre ist ohne die vielen Frauenfriedensgruppen und die überdurchschnittliche Teilnahme von Frauen an Demonstrationen nicht zu erklären. Die zentralen Debatten zum Ende des letzten Jahrtausends drehten sich um die Öffnung der Bundeswehr und weitergehend der Wehrpflicht für Frauen, wie es beispielsweise Alice Schwarzer forderte. An dieser Stelle gab es interessanterweise einen Riss zwischen Friedensaktivist*innen und Feminst*innen, die sich nicht der Friedensbewegung hinzurechneten.

Trotz der relativ hohen Bedeutung, die Frauen in der Friedensbewegung der Bundesrepublik hatten und haben, bleibt festzustellen, dass die Friedensbewegung in Deutschland in ihrer Außenwirkung stark männlich dominiert ist, nicht nur personell, sondern auch inhaltlich.

Konkret ist für meinen Verband, die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdiengstgegnerInnen (DFG-VK), zu konstatieren, dass immer noch über 70 % aller Mitglieder männlich sind. Auf Landesebene gibt es nicht eine Landesvorsitzende oder Landesgeschäftsführerin; selbst im BundessprecherInnenkreis, dem ich ja auch angehöre, sitzt nur eine Frau. Das schlägt sich auch in den bearbeiteten Themen nieder bzw. darin, welche Themen eben gerade nicht behandelt werden.

Allerdings gibt es auch viele positive Entwicklungen. Eine ist sicherlich das Frauennetzwerk für Frieden e.V., das seit Jahren eine kontinuierliche Arbeit leistet. Auch der Bund für Soziale Verteidigung hat es geschafft, eine funktionierende Arbeitsgruppe zu Gender und Frieden zu implementieren, die sich regelmäßig trifft und arbeitet.

Und selbst meine alte DFG-VK – sie wird demnächst 125 – hat jüngst das Thema entdeckt: »Frauen gegen Militär« war 2016 das Titelthema einer Ausgabe der Zeitschrift »Zivilcourage«. Das ist höchste Zeit, haben wir doch mit der Friedensnobelpreisträgerin und Feministin Bertha von Suttner, die die Frauenfrage und die pazifistische Frage nur gemeinsam für lösbar hielt und sich früh gegen das Bild der friedfertigen Frau wandte, ein häufig zitiertes Gründungsmitglied. Last but not least gibt es in der DFG-VK inzwischen eine Arbeitsgruppe, die versucht, Rassismus und Geschlechterverhältnisse unter antimilitaristischen und pazifistischen Fragestellungen gemeinsam zu analysieren.

Hier sehe ich die pragmatischsten Anknüpfungspunkte für die diesbezügliche Weiterarbeit:

  • die Vernetzung der jeweils Aktiven in den Gruppen sowie zwischen den Verbänden und Initiativen innerhalb der klassischen Friedensbewegung und darüber hinaus zu fördern,
  • über die Gruppengrenzen hinaus zielendes Einladen, die klassischen antimilitaristischen, pazifistischen Argumente eben auch auf die oben skizzierten Geschlechterperspektiven hin zu untersuchen sowie
  • die Argumente der Kriegsbefürwortenden in Bezug auf Geschlechterfragen zu dekonstruieren.

Auf diese Weise können argumentativ und aktionsbezogen Lösungen für Frieden angeboten und die – oft zu einfachen – Antworten weißer Männer hinterfragt werden.

Ein Schlusswort von Bertha von Suttner

Schließen möchte ich anlassgemäß mit einem Zitat Bertha von Suttners, die bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Geschlechterrollen in mehreren Arbeiten diskutierte. So widmete sie der Gleichberechtigung der Frauen ein eigenes Kapitel in ihrem viel zu wenig wahrgenommenen Buch »Das Maschinenzeitalter – Zukunftsvorlesungen für unsere Zeit«. Und in einer aufschlussreichen Aufsatzpassage in der Monatszeitschrift »Die Waffen nieder!« schrieb sie 1895 zur zwiespältigen Positionierung von Frauen in Bezug auf Krieg und Frieden:

Doch ist es immerhin ein sehr erfreuliches Zeichen der Zeit, dass sich nunmehr Frauengruppen bilden, die die Förderung der Friedensbewegung in die Hand nehmen. Dabei muss man aber nicht vergessen, dass es gleichfalls Frauengruppen sind, die Sammlungen für Torpedoboote einleiten und in kürzester Zeit 800,000 Kronen zu diesem Zweck zusammenbringen; dass Fürstinnen es sich zur höchsten Ehre rechnen, Regimentschef zu sein, dass von Keiner der gegenwärtig regierenden Königinnen noch ein Wort, geschweige denn eine That gegen den Krieg gekommen ist, dass die Mütter die besten Kunden der Bleisoldatenfabriken sind, dass Bismarck mit aller Zuversicht zu der ihm huldigenden Frauendeputation sagen konnte, die Frauen werden das heranwachsende Geschlecht zu patriotisch-kriegerischer Gesinnung heranziehen.“ (Hervorhebungen im Original)

Anmerkung

Literatur

Butler, Judith (2010): Raster des Krieges. Frankfurt am Main: campus.

Engels, Bettina; Gayer, Corinna (Hrsg.) (2011): Geschlechterverhältnisse, Frieden und Konflikt – Feministische Denkanstöße für die Friedens- und Konfliktforschung. Baden-Baden: Nomos.

Fritsche, Maria (2015) Männlichkeit als Forschungskategorie? Vom Nutzen gendertheoretischer Ansätze für die Militär- und Militärjustizgeschichte. In: Bade, Claudia; Skowronski, Lars; Viebig, Michael: NS-Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg. Göttingen: V&R Unipress, S. 61-77.

Oguntoye, Katharina; Ayim, May; Schultz, Dagmar (Hrsg.) (1986): Farbe bekennen – Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. Berlin: Orlanda Frauenverlag.

Mamozai, Martha (1989 [EA 1982]): Schwarze Frau, weiße Herrin – Frauenleben in den deutschen Kolonien. Berlin: Rowohlt.

Puar, Jasbir K. (2007): Terrorist Assemblages – Homonationalism in Queer Times. Durham: Duke University Press.

Stemple, Lara (2009): Male Rape and Human Rights. Hastings Law Journal, 60, S. 605-647.

Von Suttner, Bertha (1895): Die Friedensbewegung und die Frauen. In: Die Waffen nieder! Monatsschrift zur Förderung der Friedensbewegung, 7, S. 254-257.

Von Suttner, Bertha (1889): Das Maschinenzeitalter – Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit. 3. Auflage, Dresden und Leipzig: E.Pierson’s Verlag.

Anmerkung

1) In Deutschland wurde der Strafparagraf 175, der sich gegen mann-männlichen Sex richtete, erst im Jahr 1994 abgeschafft.

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