Lessenich – Neben uns die Sintflut

Im Rahmen unserer Inforeihe wurde am 11.3.21 dieses Buch vorgestellt – hier noch einmal dokumentiert.
Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis‘ — Kurzdarstellung

Die Bedeutung des Buches von Stephan Lessenich liegt darin, dass im Rahmen der Globalisierungsdebatte die vorherrschenden Vorstellungen über das Verhältnis von ‚Süd‘ und ‚Nord‘ vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Nicht wir ‚helfen‘ den armen ‚unterentwickelten‘ Menschen im globalen Süden, sondern wir leben auf ihre Kosten. Gleichzeitig werden Mechanismen unserer unmittelbaren gesellschaftlichen Situation dargestellt.

1.      Dazu bringt er zunächst drei Beispiele

Beispiel 1: „Chronik eines angekündigten Unglücks oder Rio Doce ist überall“  (S. 9)

Einige Stichpunkte: Der durch ein Erdbeben verursachte Dammbruch von zwei Rückhaltebecken in einer Bergbaustadt in Brasilien, in denen die Abwasser einer Eisenerzmine gesammelt wurden, überflutet die Anrainergemeinde und den Fluss Rio Doce mit giftigen Wassermassen  (enthalten sind: Eisen, Blei, Quecksilber, Zink, Arsen und Nickel).
Lessenich sieht diesen ‚Unfall‘ als ‚menschengemacht‘ an. Die staatliche Eisenerzproduktion war  privatisiert worden. Die Übernahme war durch eines der drei weltweit größten Bergbauunternehmen erfolgt. Infolge der dramatischen Produktionsausweitung waren Risse im Damm entstanden. Die Nichtbeachtung der Risse führte zum Bersten der Dämme infolge eines  Erdbebens. D. h., Profit war wichtiger als Vorsichtsmaßnahmen.  (Die Firma Vale S. A. und der TÜV-Süd hatten keine Probleme bei der Überprüfung des Damms gesehen.)Lessenich spricht in Hinblick auf den ‚Unfall‘ von „perverse(r) Normalität“: In rohstoffreichen Ländern sichern sich transnationale Konzerne Abbaurechte (z. B. von Eisenerz). Auch wenn es in den Abbauländern Probleme mit Korruption, Klientelismus und mangelnder staatlicher Kontrolle gibt, stellen die Wirtschaftssysteme und Weltmarktstrategien  der transnationalen Konzerne und die Konsumpraktiken und der Lebensstil der Bewohner*innen der Industriestaaten das Hauptproblem dar. (Vgl. S. 9 – 11) Lessenich formuliert das so: „ Die Probleme der Peripherie weisen auf Machtpositionen im wirtschaftlichen und politischen Weltsystem. (S. 13)

Beispiel 2: Nespresso und die Kaffeekapseln – noch einmal Brasilien:
Wir Alle kennen die ach so bequemen Kaffeekapseln für das Verwöhnprogramm in der Betriebspause oder Zuhause. Verwendet wird für die Kapseln Aluminiumerz und dazu wird Bauxit gebraucht. Vor allem Nestlé stellt entsprechende Produkte her („Nespresso – what else!“ – Nespresso – Was sonst!).
Zur Gewinnung des Aluminiumerzes werden Regenwälder in Brasilien gerodet. Das allein reicht schon als Riesenproblem. Aber zur Naturzerstörung und den klimatischen Folgen kommen noch weitere Begleiterscheinungen‘: Ausbeutung,  hoher Energieverbrauch, Raubbau und Rücktransport des Mülls in Erzeuger*innenländer. Weltweit werden jährlich acht Millionen Kilogramm Aluminiumkapseln hergestellt. „Unter die Räder der Produktion unseres Wohlstands geraten in weiter Ferne Andere.“ S. 16
Ähnliches gilt für Smartphones (Coltan –  i. W. aus dem Kongo), Baumwollproduktion (Indien) und vieles Andere mehr.
Diese Systeme des Lebens auf Kosten Anderer und der Verdrängung bei den Nutznießer*innen entstanden im Rahmen der Kolonialisierung, haben aber zunehmend eine noch größere Bedeutung bekommen.

Beispiel 3: „Der Sojafluch oder was kümmert uns die Bohne“ (S. ?)
Deutschland ‚hält sich‘ massenhaft Anbauflächen in anderen Weltregionen für den Import von Nahrungsmitteln. Deutschland hat in den 2000er Jahren über 5 Milliarden Hektar Land außerhalb der EU in Anspruch genommen. D. h., dort werden Nahrung und Vorprodukte für unsere Nahrung  angebaut. Der entsprechende Flächenbedarf steht den Menschen dort nicht mehr zur Verfügung.
Sojabohnen, die aus Lateinamerika importiert werden, bedeuten Monokulturen, Agrobusiness, Gentechnik, Agrarchemie. – – – In Argentinien werden zwei Drittel der fruchtbaren Flächen für Sojaanbau genutzt. Soja wird als Mastfutter nach Europa, Nordamerika und China, also in den ‚globalen Norden‘ exportiert, damit wir Alle billiges Fleisch in Massen verzehren können.
Um die für Befall anfälligen Monokulturen zu schützen erfolgt der Einsatz von Chemie und Gentechnologie (z. B. Glyphosat von Bayer-Monsanto oder andere Chemikalien vergleichbar dem Agent Orange, mit dem die USA in Vietnam die Wälder entlaubten).
Diese Produktionsweise führt zu dauerhaften ökologischen Schäden, zur Zerstörung ländlicher Lebensformen, zur Gefährdung öffentlicher Gesundheit, zu massiver Landflucht und struktureller wirtschaftlicher Abhängigkeit. Die Menschen dort leben in Slum-ähnlichen Armutsvierteln.
Sojabohnen sind hier nur EIN Beispiel. Weiterhin geht es um Palmöl aus Indonesien und Malaysia, Baumwolle aus Indien, Sand z. B. aus Indonesien. Sand wird bei uns in vielfacher Hinsicht verwendet: (Bauboom; Fracking). Die massenhafte Sandentnahme führt zur Erosion von Meeresküsten und Flussufern, zur Senkung des Grundwasserspiegels, zum Rückgang der Biodiversität und zur Unbewohnbarkeit von Lebensräumen.
Ein weiteres Beispiel: Aus Thailand; Kambodscha, Laos etc. bekommen wir Garnelen: Die Zuchtgebiete sind mit Chemikalien verseucht; die Menschen arbeiten in sklavenähnlichen Verhältnissen.
Wir eignen uns also Vieles zu Dumpingpreisen an. Die Überreste werden z. B. aus den USA nach Asien gebracht, Technologieschrott von Europa nach Afrika. D. h.: Seltene Erden rein – Überreste des Überflusses raus.
Die Anbaugebiete sind in den Händen von Konzernen, Agrarpools und Investmentfonds.
Die kriminellen, gewalttätigen Begleiterscheinungen, die immer wieder als ‚Modernisierungsdefizite‘ hingestellt werden, sind in Wirklichkeit Teil der Konzernpolitik (Bestechung, Bedrohung, Nötigung, Mord, Totschlag) und Folge der Ausbeutungspraxis der Konzerne.

2.      Nach den Beispielen nun die Definition dessen, was Lessenich als Externalisierung bezeichnet.

Def. v. Externalisierung = etwas wird aus dem Inneren nach außen verlagert (z. B.  überlassen Firmen die Beseitigung von Umweltschäden oft der Allgemeinheit).
Die reichen, hochindustrialisierten Gesellschaften dieser Welt lagern die negativen Effekte ihres Handelns auf Länder und Menschen in ärmeren, weniger ‚entwickelten‘ Weltregionen aus. (S. 24) Externalisierung beleuchtet das Verhältnis von ‚Innen‘ und ‚Außen‘.  Externalisierung = „Ausbeutung fremder Ressourcen, Abwälzung von Kosten auf Außenstehende, Aneignung der Gewinne im Innern, Beförderung des eigenen Aufstiegs bei Hinderung (bis hin zur Verhinderung) des Fortschritts anderer.“ S. 25
Die kapitalistische Verwertungsmaschinerie bedarf der beständigen Zuleitung von Werten aller Art: Arbeit, Land und Geld; Hand-, Kopf- und Carearbeit; Biomasse, Bodenschätze und Brennstoffe. S. 41 DieEntwicklung unserereuropäisch-nordamerikanischen Industriegesellschaft war von Anfang an durch dieses Prinzip bestimmt.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Träger*innen und Nutznießer*innen  nicht nur Konzerne sind, sondern wir Alle.
Aber: Es findet ein Rückkoppelungseffekt statt: die sozialen und ökologischen Kosten schlagen auf uns selbst zurück: Es wird nicht alles so bleiben wie es ist.

Nun ist Externalisierung nicht einfach nur ein abstraktes System: Für das gegenwärtig herrschende System sagt Lessenich: „Der Kapitalismus lebt von der Existenz eines ‚Außen‘“  S. 41

Das führt zum ‚wealth‘ der Einen und zum  ‚ilth’  der Anderen.  Das Wort ‚ilth‘ ist ein Kunstwort und von dem englischen ‚to be ill‘  , ‚krank sein‘ abgleitet.

3.  Kurze geschichtliche Hinweise

Wenn ‚der Westen‘, (bzw. der Globale Norden, die Industriestaaten) sich selbst als das Zentrum der Welt ansieht, dann ist das extrem egozentrisch gedacht – aber auch der Realität entsprechend.

Seit ca. 500 Jahren (Ende Mittelalter/Beginn früher Neuzeit/Frühkapitalismus  – Langes 16. Jh.) entwickelten sich in und mit Europa (später den USA) Zentren und Peripherien:
Der Beginn der Frühen Neuzeit war durch starke Krisen gekennzeichnet und führte zum Ende des Feudalismus. Er war begleitet von großen Hungersnöten in Europa.
Es gab Aufstieg und Zurückbleiben: im kleinen Maßstab betraf dies das Verhältnis von Stadt (Aufstieg) und Land (Zurückbleiben); im großen Maßstab bedeutete es den Aufstieg des Kapitalismus und damit den Aufstieg  Europas. Es entwickelten sich ungleiche wirtschaftliche Tauschverhältnisse durch Kapital- und Machtakkumulation.
Es folgte ein Ausgriff europäischer Mächte auf Territorien und Bevölkerungen im Rest der Welt, der von Militäreinsätzen begleitet war.
Entwicklung von Machtzentren: Niederlande: 18. Jh.; GB: 19. Jh..; USA: 20. Jh.; China: (20. Jh.)

2. Externalisierung, Tourismus und Flucht – Globales Mobilitätsgeschehen

Unsere Reisetätigkeit zeitigt vielerlei  ökologische und soziale  Probleme: am schlimmsten sind Sextourismus, Waisenhaustourismus etc.
Im vorliegenden Zusammenhang geht es aber insgesamt um die ungleichen Berechtigungsstrukturen im globalen Mobilitätsgeschehen. Die Einen reisen, die Anderen werden ‚mobilitätspolitisch‘ stillgestellt: durch fehlende Finanzen, Aussicht auf Lager und (todes)gefährliche Reisen, durch Grenzen und Verbote.

· Laut UNHCR mussten 2015: 59,5 Mill. Menschen ihre Heimat verlassen, die vor  Krieg, Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen und Klimafolgen flohen. Die größten Aufnahmeländer lagen alle außerhalb der EU (Türkei, Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien) mit schwachen Ökonomien.

·Die meisten geflüchteten Menschen sind Binnenflüchtlinge. 60 Mill. Flüchtende weltweit (soweit überhaupt erfasst) = Einwohnerschaft Italiens.

· Im globalen Süden liegen auch die reichsten Einkommensschichten unterhalb derer des globalen Nordens. (S. 158)

·Zum unterschiedlichen Mobilitätsregime gehört auch der informelle Arbeitsmarkt: Saisonkräfte Bau, Ernte, Putzen, Pflege, vor allem auch Care-Arbeit, erledigt von Frauen (Sorge für alte Menschen durch polnische Frauen).

·Beispiel Philippinen: eine halbe Volkswirtschaft beruht auf dieser Form globaler Arbeitsteilung, wo „weibliche Sorgearbeiterinnen zum öffentlich geförderten Exportartikel Nummer eins geworden sind.“ S. 162

· Mobilitätsspaltung: für Profite zu reisen wird befördert, zum Überleben zu reisen wird verurteilt. „Flüchtlingskrise“ =  eine Krise der Humanität der europäischen Gesellschaft.

· Die Realität von Armut, Not und Gewalt soll ‚draußen‘ bleiben: unsichtbar, nicht störend.

 „Während wir Wohlstandskinder raus in die Welt dürfen, soll die Welt ‚da draußen‘ nicht  zu uns reinkommen, zumindest nicht in Gestalt von Menschen aus Fleisch und Blut.“S. 140
„… Die Grenze zu exterritorialisieren, sie ins gesellschaftliche Außen zu verlagern heißt, auch jene Gewalt zu externalisieren, die mit Grenzziehungen, Grenzkontrollen, Grenzbehauptung immer und notwendig einhergeht.“(S. 142
 „Am Grenzzaun zeigt der Abschirmdienst der Externalisierungsgesellschaft sein brutales Gesicht (z. B. Frontex); am Bürotisch operiert er im subtileren Modus der ‚smart borders, …“.S. 143
Dabei geht es immer um Ausgrenzung ‚Das Boot ist voll‘ und ‚Einwanderung in die Sozialsysteme‘ sind die Schlagworte, die immer wieder zu hören sind.
Die größten Aufnahmeländer außerhalb der EU sind: Türkei, Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien; auf den ersten zehn Plätzen stehen Staaten in Asien und Afrika.
„Für Profite zu reisen wird befördert; zum Überleben zu reisen wird verurteilt.“ S. 164
Das, was bei uns immer wieder als ‚Flüchtlingskrise‘ bezeichnet wird, sollte besser eine ‚Krise der Humanität‘ genannt werden. Bei der Bewältigung dieser humanitären Krise hilft kein organisiertes Mitleid, helfen auch keine sicheren Drittstaaten. Globaler Realismus ist gefragt: Ursachenanalyse, Beseitigung der Ursachen und die Aufnahme von Menschen, die sonst für das von anderen Menschen verursachte Leid ihr Leben lassen müssen.
Lessenich betont auch, dass wir die Kategorie ‚3. Welt‘ nicht weiter benutzen sollten. Zum einen stellt sie eine unzulässige Rangfolge dar, zum anderen verschleiert sie die tatsächlichen Zusammenhänge. Spenden für die ‚3. Welt‘ können mit Spenden im Klingelbeutel der Kirchen verglichen weden: wir ‚kaufen‘ uns mit ein paar Cent ‚frei‘ und erwarten entsprechende Dankbarkeit. Unsere Vorstellungen, wie Gesellschaft zu funktionieren hat,  werden auf   „jene Länder übertragen, die angeblich noch nicht so weit sind wie wir.“ S. 72  
Der ehemalige Nato-Sekretär Rasmussen stellte „ ‚unsere Allianz‘ als eine „Insel der Sicherheit, der Stabilität und des Wohlstands dar.“ Lessenichs sarkastische Antwort darauf: „ Eine Insel der Sicherheit, der Stabilität und des Wohlstands, umgeben von einem Meer wirtschaftlicher Konkurrenten, umtost von der Brandung terroristischer Milizen und gewaltsamer Konflikte, bedroht von einer … Flut wanderungsbereiter Armutspopulationen.“ S.
Es stellt sich die Frage: Liegen zumindest wichtige Ursachen an uns und unserer Gesellschaft?
Aber unsere Vorstellungen und Reaktionen könnten auch als Signal gedeutet werden:
Untergehende Imperien „… werden verlässlich von all den psychosozialen Reaktionsweisen begleitet, die sich auch gegenwärtig beobachten lassen: bröckelnde Gewissheiten und trotzige Weiter-so-Parolen, lautstarke Selbstberuhigung und Rückzug ins ‚kleine Glück‘ des Privaten, das Pfeifen im Walde und der Ausbruch von Gewalt.“

Feministische Dimension

In Bezug auf das Verhältnis von Männern und Frauen spricht Lessenich von „Grenzziehungen, Machtasymmetrien und Ungleichheitsdynamiken geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung. (S. 56/57) Die Externalisierung, so wie Lessenich sie definiert, sei auch auf die familiäre Arbeitsteilung anwendbar:
„Menschen verfügen über eine Ressource, die sie dazu befähigt, andere Menschen zur Produktion eines Mehrwerts zu bringen, von dessen Genuss die Produzierenden selbst ganz oder teilweise ausgeschlossen bleiben.“ (S. 58) Externalisierungist eine Frage von Macht, Ausbeutung und Habitus.“ Bezogen auf das Geschlechterverhältnis geht es um ‚Produktion‘ und ‚Reproduktion‘ „.„..der in den hochindustriellen Kapitalismen der Nachkriegszeit praktizierte Modus der Vergesellschaftung von Arbeit als Lohnarbeit nach dem ‚männlichen Ernährermodell‘ stellte eine geradezu prototypische Externalisierungskonstellation dar.“ S. 57
„Re-produktive Tätigkeiten wurden dem weiblichen Geschlecht zugewiesen, von den allein als produktiv anerkannten ‚männlichen‘ Arbeiten abgespalten, im privaten Haushalt unsichtbar gemacht, durch Nicht-Entlohnung gesellschaftlich abgewertet und seitens der Betriebe wie der Erwerbstätigen gleichsam kostenlos angeeignet.“ S.57
. ‚Unsichtbar‘ und als ‚Arbeit‘ nicht anerkannt, ist die gesamte Familienarbeit weitgehend bis heute: ‚Da komme ich von der Arbeit nach Hause und dann muss ich halt noch so ein bisschen Wäsche waschen, Friedrich oder Friederike von der Kita abholen und dann muss das Essen pünktlich auf dem Tisch stehen!‘

„Die imperiale Lebensweise“

Darunter zu verstehen ist eine Lebensweise, „die sich die Ressourcen – Arbeit, Boden, Umwelt anderer auf ausbeuterische Weise aneignet .. „Hier kann individuell etwas verändert werden (statt: coffee to go – coffee  to stay bzw. Genuss von fairem Kaffee) Lessenich nennt das die Praxis ethischen Konsums“ S. 110. Er betont aber, dass das nicht ausreicht, wichtiger sei die Systemfrage! Wer wirklich allen Weltbürgern (Weltbürger*innen Br.) eine materiell gesicherte Existenz, ein Mindestmaß der Verfügung über das eigene Lebensschicksal und die Chance auf ein friedvolles gesellschaftliches Zusammenleben wünscht, der muss die Externalisierungsgesellschaft in Frage stellen, …“ S. 114 — „It’s capitalism, stupid!“
Ich denke:  Wir brauchen Systemkritik und persönlich/individuell veränderte Verhaltensweisen.

2.      Zusammenfassung – Folgerungen

„ Betroffenheit reicht nicht.“, S. 167 „Es braucht einen globalen Realismus.“ Das sagt Lessenich in Bezug auf die Situation flüchtender und geflüchteter Menschen. Es gilt aber auch für die gegenwärtigen globalen Verhältnisse.
Was heißt das nun? Was heißt das für uns?
Aufklärung
,:
–  z. B. über die weiter wachsende Kluft zwischen arm und reich auch bei uns – vor allem aber im Weltmaßstab.
– über die Geschichte ‚der Anderen‘ im Externalisierungsprozess;
– über den ‚Wohlstandsindikator‘ der die Lebenserwartung bei uns und im globalen Süden misst. Die Menschen im z. B. im Tschad, in Afghanistan in Somalia leben im Schnitt 30 Jahre weniger als in Europa.
– Das ‚Wegdenken‘ wird immer schwieriger: die ‚Flüchtlingsströme‘ und die drohende Klimakatastrophe ebenso wie Terroranschläge im reichen Norden sind Indikatoren.
– Es wird immer schwieriger, die ‚Bumerangeffekte‘ zu negieren.
Handeln: Es bedarf einer kollektiven Selbstermächtigung, eines gemeinsamen Handelns im Sinne der Herstellung solch gleicher Lebenschancen – aufbauend auf einer überlokalen und transnationalen Allianzbildung zwischen den vielen tausend Initiativen und Organisationen, Netzwerken und Bewegungen … im globalen Süden wie im globalen Norden …“ S. 194. „Es braucht eine Veränderung sozialer Praktiken und Organisationen.“
Es besteht die Notwendigkeit, „dem Verdrängten den Weg zu bahnen und in aller Öffentlichkeit das auszusprechen, was niemand wissen möchte.“
S. 196
Und es braucht bei Allen von uns die Notwendigkeit, unseren ‚imperialen Lebensstil‘ wahrzunehmen und zu verändern.

Meine Bewertung des Buchs von Lessenich:
In meinen Augen stellt es einen ganz wichtigen Beitrag in Bezug auf Globale Verhältnisse und in Bezug auf die Kritik am Globalen Norden dar. Der Inhalt ist ganz überwiegend überzeugend und hilfreich für politische Diskussionen; Die Schlussfolgerungen und Praxishinweise für politische Arbeit bleiben z. T. vage und unbefriedigend.
Aber da sind wir dann wohl selbst gefragt!