Friedensnewsletter Hannover Oktober 2014
„Sie seien für immer Ausgestoßene der Menschheit, ihr Andenken sei geächtet und bespien, solange Menschen die Geschichte ihrer Gattung verfolgen werden; sie, die Mörder von zwanzig Millionen, die Vernichter der schönen Welt; sie, die … uns zu Krüppeln an Körper und Geist machten[…]. Euch allen, die ihr zum Krieg getrieben, die ihr ihn entschieden und bewirkt habt[…] euch allen gilt mein Fluch, der euch verfolgen möge durch euer Leben und die Geschichte“.
Alfred Hermann Fried, Kriegstagebuch
Liebe Friedensfreund_innen,
mit den oben zitierten Worten schließt Alfred Hermann, Fried – Friedensnobelpreisträger und Mitbegründer der Deutschen Friedensgesellschaft sein Kriegstagebuch zum Ersten Weltkrieg. Gelernt wurde offensichtlich nichts daraus. Das Militärische ist und bleibt eine bevorzugte Option in der Auseinandersetzung. Die Friedensbewegung trifft sich am 11. Oktober zu einer bundesweiten Aktionskonferenz, am 4.10. wird auch in Hannover der bundesweite Aktionstag ‚Drachen statt Drohnen‘ mit eigenen Aktionen begleitet.
Wie die Bundeswehr Sport nutzt, insbesondere am Beispiel Hannover 96, wird in einem Beitrag für diesen Newsletter beschrieben. Abschließend gibt es auch noch etwas Bewegung zu vermelden: Nach zweijähriger Debatte hat sich der Kulturausschuss zum Deserteursdenkmal verhalten. Hintergründe und aktueller Stand finden sich ebenfalls hier im Newsletter.
Die Themen im Einzelnen:
- Termine
- Bericht: Rojava – Ein demokratisches Experiment – wird von ISIS bedroht
- ‚Drachen statt Drohnen‘ – Internationaler Aktionstag gegen Kampf- und Überwachungsdrohne
- Jo Mihaly – Tagebuchaufzeichnungen eines Mädchens Szenische Lesung aus einem Kriegstagebuch 1914-1918
- Einladung zur Aktionskonferenz für den Frieden in Hannover, 11.10.2014, von 11 – 17 Uhr
- Friedenspolitische DGB-Veranstaltungen Herbst 2014
- Hannover bekommt gegen die Stimmen der CDU ein neues Deserteursdenkmal
- Werben fürs Sterben – Sport und Stadien als Werbeträger für die Bundeswehr
Viel Spaß beim Lesen. Eine besser layoutete Version friedensnewsletter 2014_10
Termine
- 10. 12.00 Bahnhof/Kaufhof ‚Drachen statt Drohnen‘ – Internationaler Aktionstag gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen
- 10. 19.00 im FZH Linden. Regelmäßiges Montagstreffen zu Rojava;
- 10 20.00 ver.di-Höfe – Rotation (Goseriede 10) Jo Mihaly – Tagebuchaufzeichnungen eines Mädchens Szenische Lesung aus einem Kriegstagebuch 1914-1918
- 10. 11-18.00 Kröpcke ‚Stop TTIP CETA TISA‘ – Europäischer Aktionstag gegen TTIP/CETA/TiSA
- 10. 11 – 17.00 DGB-Haus bundesweite Aktionskonferenz für den Frieden
- Neues aus der Provinzhauptstadt, Lesereihe zu aktuellen Bucherscheinungen von Autor_innen aus der Region, im ‚annabee-Buchladen, Stephanusstr. 12-14, Hannover Linden
(u. a. Voss; Müller-Reiß) kontakt@rls-nds.de - 10.19.00 Kargah, Gesamtmitgliederversammlung der DFG-VK Hannover
- 10. 19.00 ‚Masa‘, Georgstr. 50 b ‚Im Widerstand gegen die NS-Diktatur‘ – ‚Antifaschistische Frauen in Hannover‘ – mit B. Müller-Reiß
Bericht Rojava – Ein demokratisches Experiment – wird von ISIS bedroht – Kurdische Basisdemokratie inmitten des Syrienkrieges – Veranstaltung am 22. 9. 2014 im Pavillon
Die IS versucht immer brutaler ihren Gottesstatt aufzubauen, viele Menschen hat sie in den von ihr bedrohten oder bereits unterworfenen Gebieten ermordet – Menschen müssen weiterhin um Leben und Existenz fürchten – wenn sie nicht bereits auf der Flucht sind. Gleichzeitig versucht die autonome Region Rojava einen demokratischen Selbstverwaltung aufzubauen, in der alle Ethnien, Religionen und Geschlechter gleichberechtigt beteiligt sind. Diese Region könnte Vorbildcharakter in einem föderalen Syrien und darüber hinaus haben. Aber gerade sie wird massiv von der IS bedroht, die gerade dieses System und die Aktivitäten der Frauen verhindern wollen.
Um über diese immer dramatischer werdende Situation zu berichten, hatten ‚Friedensbüro‘, ‚medico international‘ und ‚Kurdistan Volkshaus‘ zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung eingeladen. Die beiden Referenten schilderten im nahezu überfüllten Saal die Ziele der autonomen Region Rojava ebenso wie die Probleme und auch deren gegenwärtige Bedrohung. Anschließend entwickelte sich eine rege Diskussion – einschließlich der Frage, wie mit Waffeneinsatz, externer Militär- bzw. Waffenhilfe umzugehen ist. Von den Referenten und auch den Veranstalter_innen wurde immer wieder die Bedeutung humanitärer Hilfe und politischer Veränderungen betont (z. B. hinsichtlich der Rolle der Türkei, von Syrien, Katar …). Alle Anwesenden waren sich einig, dass dieses friedenspolitisch wichtige Vorhaben unsere Unterstützung braucht, ebenso wie die Unterstützung der von der IS bedrohten Bevölkerung.
Deshalb hat sich eine Gruppe gebildet, die sich jeden Montag treffen will. Das nächste Treffen wird am 6. 10. 2014 um 19 Uhr im FZH Linden stattfinden. Bei Interesse könnt Ihr euch auch direkt an Jürgen wenden: Juergen Wessling [juergen.wessling@gmx.net]. Die Gruppe versucht derzeit auch, Kontakte zu Parteien, Kirchen usw. herzustellen, um zu gemeinsamer politischer und materieller Hilfe zu finden.
Drachen statt Drohnen‘ – Internationaler Aktionstag gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen
Obwohl der tödliche Einsatz von Kriegs- und Überwachungsdrohnen i. W. durch die USA – teilweise von Deutschland ausgehend (Ramstein) – ohne völkerrechtliche oder sonstige Legitimierung seit langem bekannt ist und heftiger Kritik unterliegt, will auch die Bundesregierung über unsere Köpfe hinweg Drohnen anschaffen. Bis jetzt hat die Bundesregierung bereits weit mehr als 2 Milliarden Euro für Drohnen ausgegeben oder fest eingeplant. Die zentral in Italien stationierten NATO-Drohnen sollen so ausdrücklich auch für Einsätze „im Inneren“ genutzt werden. Wir befürchten den zukünftigen Einsatz von Kampf- und Überwachungsdrohnen gegen die eigene Bevölkerung und verurteilen sie gegen Menschen in anderen Regionen der Welt!
Deshalb rufen wir weltweit zu einem Aktionstag gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen auf:
Als globale Gemeinschaft, die an Recht und Gerechtigkeit glaubt, stellen wir uns gegen bewaffnungsfähige und Überwachungsdrohnen.
Ihr Einsatz verletzt das demokratische Recht zur freien Meinungsäußerung, das Versammlungsrecht und das Recht, nicht verdachts-unabhängig durchsucht werden zu dürfen;
wird für extralegale „gezielte“ Tötungen genutzt, der auf bloßen Verdacht basiert, für Mord, auch von Kindern, in und außerhalb von Kriegsgebieten;
terrorisiert ganze Gesellschaften in den Zielregionen, sät Hass und kurbelt damit weiter die Gewaltspirale an;
senkt die Schwelle zum Krieg und initiiert einen neuen Rüstungswettlauf;
führt zur Entwicklung autonomer Kriegsmaschinen, die noch schrecklichere Kriege wahrscheinlicher werden lässt.
Wir fordern, dass alle Regierungen die Produktion und die Anschaffung bewaffneter und bewaffnungsfähiger Drohnen, ebenso wie ihre Forschung und Entwicklung einstellt und an der weltweiten Ächtung dieser Waffen arbeiten.
Wir verlangen weiterhin, dass unsere Regierungen Drohnen zur Überwachung verbieten. Auch Satelliten, Bodenstationen, Militärbasen, welche die Überwachung mit Drohnen ermöglichen und die Tötungen mit Drohnen auslösen, müssen verboten werden.
www.drohnen-kampagne.de
http://globaldayofaction.nationbuilder.com
Auch Hannover ist bei den Aktionen dabei: Aus Afghanistan – dem Land der Flugdrachen – das unter ständiger Bedrohung durch Drohnen lebt – aus diesem Land kommt die Idee: Drachen statt Drohnen
Überall auf der Welt protestieren die Menschen heute gegen die wachsende Bedrohung durch Drohnen auf der ganzen Welt, ob in Gaza oder Mali, in Jemen, Pakistan, in dem Irak oder an der Grenze Mexikos. Auch Deutschland, auch Hannover ist dabei!
Aktion am: Samstag, 4. Oktober, 12:00 Uhr , Bahnhof/Kaufhof
Das Friedensbüro ruft alle Gruppen, Initiativen, Organisationen und alle friedliebenden und der Überwachung überdrüssigen Menschen dazu auf, mit uns gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen zu protestieren!
Seid auch Ihr mit dabei! Wir freuen uns über eure Teilnahme!
Jo Mihaly – Tagebuchaufzeichnungen eines Mädchens Szenische Lesung aus einem Kriegstagebuch 1914-1918
Freitag, 10. Oktober 2014,um 20:00 Uhr, in den ver.di-Höfe – Rotation (Goseriede 10)
Jo Mihaly – ‚Da gibt’s ein Wiedersehn!‘ heißt das der szenischen Lesung zu Grunde liegende Buch. Es handelt sich um Tagebuchaufzeichnungen eines Mädchens, das zu Beginn des Weltkriegs 12 Jahre alt ist und erlebt, wie junge Männer begeistert in den Krieg ziehen. Das Mädchen Piete beneidet diese Männer, bedauert gleichzeitig aber alle Opfer des Krieges und wandelt sich im Laufe des Krieges zu einer überzeugten Pazifistin.
Das Nebeneinander von Welt- und Alltagsgeschichte, Allgemeinem und Privatem, Frontberichten, erstem Kuss und Todesmeldungen macht das Besondere dieser Aufzeichnungen aus.
Jo Mihaly, (Künstlerinnenname) war Tänzerin, Autorin und Zeit ihres Lebens politisch aktiv, u. a. in der Roten Hilfe. In der Nazizeit musste sie emigrieren, nach dem Krieg war sie für die israelische Flüchtlingshilfe, für die Anerkennung von Sinti und Roma aktiv und war Mitbe-gründerin des SDS.
Einladung zur Aktionskonferenz für den Frieden in Hannover, 11.10.2014, von 11 – 17 Uhr
Die aktuelle politische Situation fordert dringend Aktionen für den Frieden. Viele Menschen sind bestürzt über die Konfrontations- und Kriegspolitik. Doch ohne Mobilisierung, ohne Proteste auch auf den Straßen und Plätzen wird diese Politik nicht aufzuhalten sein. Die Beschlüsse des NATO-Gipfels von Wales sind ein erneutes alarmierendes Zeichen. Dabei sehen wir vor allem die deutsche Bundesregierung als Adressatin unseres Protestes. Ziel dieser Einladung ist eine sichtbare Mobilisierung gegen den Krieg und für den Frieden. Das Gefühl „so kann es nicht weiter gehen, wir leben in einer schlimmen und schwierigen Situation, jetzt ist es Zeit, sich zu äußern und zu artikulieren“, das wir bei vielen Gesprächen und Veranstaltungen wahrgenommen haben, soll in Aktionen Ausdruck finden. Der Protest muss öffentlich manifestiert werden.
Wir laden deshalb zu einer Aktionskonferenz für den Frieden ein. Wann: 11.10.2014 von 11-17 Uhr, Hannover, DGB-Haus, Otto-Brenner-Straße 1, Anmeldung: info@koop-frieden.de
Wir möchten gerne über die beigefügten Aktionen/Aktionsvorschläge und viele mehr mit Euch diskutieren und zusammen überlegen, wie wir noch in diesem Herbst zu mehr Aktionen kommen. Wir hoffen, dass viele, die diese Einladung lesen, auch wirklich kommen, mitdiskutieren und mitplanen. Nur gemeinsam können wir eine Antwort auf die friedenspolitischen Herausforderungen finden. Bitte leitet die Einladung auch an Eure Netzwerke und Interessierte weiter! Ein weiteres Schreiben mit einem Tagesordnungsvorschlag geht Euch noch zu.
Reiner Braun (Geschäftsführer IALANA / Sprecher Kooperation für den Frieden), Matthias Engelke (Pfarrer, Versöhnungsbund), Barbara Fuchs (attac), Susanne Grabenhorst (Vorsitzende IPPNW), Philipp Ingenleuf (Netzwerk Friedenskooperative / Sprecher Kooperation für den Frieden), Tobias Pflüger (IMI / Die Linke), Renate Wanie (WfGA / Sprecherin Kooperation für den Frieden), Laura von Wimmersperg, Lucas Wirl (Geschäftsführer NatWiss / Sprecher Kooperation für den Frieden)
Friedenspolitische DGB-Veranstaltungen Herbst 2014
8.Oktober 2014 18:00 Uhr; Bebel und die Strategie der Kriegsverhütung 1904 – 1913 – Lesung Hannover Eine Studie über Bebels Geheimkontakte mit der britischen Regierung, Gewerkschaftshaus Otto-Brenner-Str. 1, 30159 Hannover, Saal 3
Buchpräsentation mit Autor Prof. Helmut Bley.
Die erweiterte Neuauflage von „Bebel und die Strategie der Kriegsverhütung 1904- 1913“ ist im Sommer 2014 im Offizin-Verlag in Hannover erschienen. Sie versteht sich als Gegengewicht zur derzeitigen Diskussion und Neubewertung zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Sie stellt den weitgehend außer Acht gelassenen Aspekt des Friedenswillens in der Arbeiterbewegung in den Vordergrund und analysiert die überraschende Tatsache, dass der SPD-Vorsitzende August Bebel in den Jahren 1910-1913 brieflich und in vertraulichen Gesprächen über die internationale Lage mit dem ihm
befreundeten englischen Generalkonsul in Zürich wiederholt vor der von Deutschland ausgehenden Kriegsgefahr gewarnt hat.
9.Oktober 2014 18:30 Uhr; Burgfrieden statt Völkerfrieden Hannoversche Arbeiterbewegung im Ersten Weltkrieg – Eine Ausstellung der DGB Region Niedersachsen-Mitte; DGB-Haus, Otto-Brenner-Str. 1, Saal 3
Referenten: Dr. Peter Schulze, Historiker Prof. Dr. Joachim Perels, Politikwissenschaftler
1914-1918: SPD und Gewerkschaften unterstützen die deutsche Kriegsführung – und nehmen die Spaltung der Arbeiterbewegung in Kauf. „Wir müssen siegen!“ schreibt der hannoversche „Volkswille“. Über die Politik des „Burgfriedens“ und ihre politischen Folgen sprechen der Historiker Peter Schulze und der Politikwissenschaftler Joachim Perels, aus hannoverscher Sicht.
Hannover bekommt gegen die Stimmen der CDU ein neues Deserteursdenkmal
Die gute Nachricht vorneweg: Der Kulturausschuss der Stadt Hannover, hat (teilweise) gegen die Stimmen der CDU am heutigen 19.9.2014 die Errichtung des Deserteursdenkmal auf dem Stadteilfriedhof Fössefeld beschlossen. Damit endet ein zweijähriger Prozess, bei dem am Ende ein mehr schlecht als rechter Kompromiss herauskam.
Noch einmal zur Erinnerung: Seit Anfang der 90er Jahre steht ein Denkmal für den unbekannten Deserteur – initiiert von einer Friedensinitiative auf dem dem Trammplatz. Das Denkmal – nicht für einen solchen langen Zeitraum ausgelegt, war als solches jedoch kaum noch zu erkennen und wurde im Juli 2014 im Rahmen der Baumaßnahmen zur Umgestaltung des Platzes vor dem Rathaus entfernt und auf den Bauhof verbracht.
2012 beschloss der Kulturausschuss, das ein Denkmal neu ausgeschrieben und in einem Wettbewerb das vorhandene ersetzen solle . Stattdessen schlug die Verwaltung im Antrag 1645/2014, welcher am 19.09.2014 im Kulturausschuss beschlossen wurde, vor, das ein Kunstobjekt auf dem Fössefeldfriedhof aufgestellt werden solle. Dieses Denkmal wurde vom Künstler_innenehepaar Breuste konzipiert und trägt den Titel ‘UNGEHORSAM 1939-1945′.
Parallel – so sieht es der Beschluss vor – wird eine Informationstafel aufgestellt, die einen erläuternden Text enthalten soll. Dieser Text wurde federführend von der Otto-Brenner-Akademie unter Mitwirkung der DFG-VK bzw. des Friedensbüros erstellt und stand mit zur Abstimmung.
Soweit so unspektakulär. Bereits im Juli sollte dieser Entwurf abgestimmt werden, da hatte aber die CDU etwas dagegen. Für die Septembersitzung des Kulturausschusses brachte sie folgerichtig einen Änderungsantrag ein.
Zu Beginn der Sitzung bat Klaus Falk im Rahmen der Einwohner_innenfragestunde, sich des Andenkens an die wegen Desertion, Wehrkraftzersetzung oder Kriegsverrat hingerichteten Soldaten wegen über kleinere inhaltliche Differenzen hinwegzusehen und dem Beispiel Kölns zu folgen und einstimmig für die Einrichtung des Deserteursdenkmals zuzustimmen.
Leider war die Hoffnung vergebens. Die CDU forderte in ihrem Antrag, das an prominenter Stelle in der Hinweistafel ein Text eingefügt werden soll: „Fahnenflucht ist in allen demokratischen Staaten ein Verbrechen. Erinnert werden soll daher an diejenigen Menschen, die sich mit ihrer Desertion oder ihrem sonstigen Verhalten ausdrücklich im Widerstand gegen ein Unrechtssystem positionieren wollten.“
Begründet wurde dies damit, das im Gedenkteil nicht ausdrücklich genug auf die NS-Zeit hingewiesen worden sei und der Eindruck vermittelt würde, Desertion sei immer gutzuheißen.
Vom inhaltlichen Unsinn abgesehen – schließlich ist Desertion beispielsweise im deutschen Recht maximal ein Vergehen – versuchen die Christdemokraten das Denkmal umzudeuten und gerade die einzelne individuelle Sicht, die individuelle Entscheidung, die meist gerade nicht politisch besetzt war zum Verschwinden zu bringen. Oder um es mit Alfred Andersch zu sagen: Der Wille zum Leben.
In ihrer mündlichen Begründung wurden sie noch deutlicher: Es wäre problematisch, einzelnen Opfergruppen zu gedenken, da andere damit implizit herabgewürdigt würden.Entsprechend war der Widerspruch aller anderen Parteien (B90/Grüne, SPD, Linke und FDP). So sagte der Vertreter der Grünen: Desertion sei ein Menschenrecht, wie das Recht auf Überleben“.
Der CDU Antrag wurde gegen die Stimmen der einreichenden Fraktion abgelehnt. Entsprechend lehnte die CDU – entgegen dem eingangs zitierten Wunsch von Klaus Falk – den Antrag zur Aufstellung einer Informationstafel ab. Die anderen Parteien waren einstimmig dafür. Beim Antrag über die Aufstellung des Breuste-Denkmals konnte sich nur der schon bisher als Scharfmacher in Erscheinung getretene Stadtrat Fischer von der CDU nicht durchringen, dem Antrag seine Zustimmung zu geben. Abschließend muss der Antrag noch in den Verwaltungsausschuss, dort dürfte die Verabschiedung nur noch eine Formalie sein. Mit einer Aufstellung ist witterungsabhängig im November oder im nächsten Frühjahr zu rechnen.
Bleibt die Frage: Wie jetzt weiter. Zum Einen ist dringend zu klären, wie es mit dem vorhandenen alten Denkmal weitergeht und es nicht still und leise verschwindet. Zweitens müssen sich alle am Thema Interessierten – so wie es der Antrag vorsieht – zusammensetzen, um den Gedenkort Fössefeldfriedhof zu einem wirklichen Ort des (Ge-)denkens und Mahnens zu machen.
Ausführlichere Informationen zum Deserteursdenkmal finden sich auf www.verqueert.de
Werben fürs Sterben – Sport und Stadien als Werbeträger für die Bundeswehr
Allseits bekannt ist, dass die Bundeswehr massiv über Sportfördergruppen Spitzensportler_innen fördert. Das geht inzwischen so weit, dass Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften mehrheitlich von Armeesportler_innen bestritten werden. Gezielt werden die Athletin_innen über mangelnde zivile Fördermöglichkeiten in die Bundeswehr getrieben und dienen dort als Aushängeschild.
Darum soll es hier aber nicht gehen, sondern um den bereits in den vergangenen Jahren in diesem Blog diskutierten Einsatz der Bundeswehr in Stadien zur Werbung für sich selbst. Dabei wird eine überwiegend junge begeisterungsfähige Menge angesprochen. Ziel ist weniger der konkrete „Werbekontakt“ – vielmehr soll die Bundeswehr als allgemeine normale und sympathische Arbeitgeberin präsentiert werden.
2013 hat die Bunderegierung auf eine Anfrage der Linken ihre Werbemaßnahmen für 2012 bekannt gegeben. Hier habe ich das auseinandergenommen.
Kurz zusammengefasst: 2012 erhielt Hertha BSC für umfangreiche Werberechte 127.000 EUR. Der Hamburger SV erhielt 71.400 EUR als Supplier des HSV. Diese Kooperation wurde damals beendet. Nach Angabe der Regierung damals wurden 2012 22.000 EUR und 2013 33.500 EUR für Hannover 96 ausgegeben. Zusätzlich erhielt der Berliner Fußball-Verband 24.000 EUR. Neben dem Sponsoring der großen Vereine wird insbesondere in kleine Vereine investiert um für den Beruf des Tötens werben. Für 2012 wurden 14 Vereine aufgeführt, gegenüber drei Vereinen 2010 und zwei Vereinen 2011. Neun Vereine waren für 2013 bereits benannt. Soweit so bekannt. In der einer kleinen Anfrage hat die Linke nun die Zahlen für 2013 und 2014 befragt (DS 18/2325).
Die Zahlen sind erschreckend. 19 kleinere Mannschaften wurden 2013 gefördert, ein weiterer ist für 2014 angegeben. Mit Beginn der Saison werden sicher weitere hinzukommen.
Konkret sind das:
- TSV Wolkersdorf
- JGV Steigerwald
- TSV Rudelzhausen
- TSV Nördlingen
- FC Donauwörth 08 e.V.
- TSV 1960 Herbertshofen
- TSV 1863 Schwabmünchen
- JFG Höllental
- SV Schalding-Heining
- SpVgg SV Weiden e.V.
- JFG Bayreuth West e.V.
- Sportverein Puch e.V.
- Sportverein Glienicke/ Nordbahn e.V.
- SV Grün-Weiß Schwerin e.V.
- SSV Neutz
- VfB Zahna
- TSV Havelse
- FV Lörrach-Brombach
- VFR Schneckenlohe (2014)
Heraussticht dabei der FV Lörrach-Brombach, welcher für umfangreiche Bewerbung 11.300 EUR jeweils für 2013 und 2014 erhält. Bei allen anderen wird für verschiedene Werbeformen angefangen bei Anzeigen im Vereinsmagazin bis zum Trikotsponsoring ein Betrag von NULL(!) EUR bis zu 5.000 EUR gezahlt. Gerade die in der Jugendarbeit verwurzelten kleinen Vereine missachten hier völlig ihre Verantwortung.
Aber auch im Fußball der höheren Ligen hat die Bundeswehr 2013 erheblich zugelegt.
So wird der Chemnitzer FC für Anzeigen mit 1.500 EUR für Anzeigen bedacht (2014 kommen zusätzlich 10.000 EUR hinzu) und erhält der Regionalligist Carl-Zeiss Jena 30.000 EUR für klassische Werbung (Banden, Spot, Anzeigen und ein Logo im VIP Bereich) – für 2014 sind bisher 40.000 EUR ausgegeben. Der Drittligist Holstein-Kiel erhielt für Werbung 34.500 EUR (2014: 34.500)
Auch in der zweiten Liga ging es weiter. Union Berlin bekam für den Titel „Eiserner Sponsor“ mit umfangreicher Werbung und Sponsorentreffen 2013 47.600 EUR (für 2014 sind 15.000 bisher zusätzlich ausgegeben), VfR Aalen erhielt 19.500 EUR und der Karlsruher SC 23.200 EUR. Bei beiden letztgenannten Vereinen finanzierte die Bundeswehr u.a. ein Trainingscamp. Ob die Profis über Stellwände klettern mussten und Schießübungen machten ist nicht bekannt. Bei beiden Vereinen sind Zahlungen in gleicher Höhe bisher für 2014 eingestellt.
Aber auch in der 1.Bundesliga ging es mächtig zur Sache. Der damalige Erstligist 1.FC Nürnberg erhielt 20.000 EUR u.a. für ein Trainingscamp für Schüler_innen, E-Mailaktionen, Inserate und das recht sich „Frankenstolz Partner“ nennen zu dürfen. Hier wurde offensiv um Kinder in Trainingscamps geworben – analog wie es die Militärs mit Anzeigen in der Jugendzeitschrift Bravo tun.
Von den aktuellen Erstligisten wurde Hannover 96 mit 65.500 EUR für ein umfangreiches Werbepaket gesponsert. Hier setzt sich eine langjährige Kooperation fort(siehe Links am Ende des Textes). Laut Neuer Presse sagte dazu der Kommunikationschef von Hannover 96 Alex Jacob “Die Bundeswehr ist seit Jahren ein verlässlicher und guter Partner des Vereins.” 96-Präsident Martin Kind habe eine besondere Beziehung zur Bundeswehr. Man lade gelegentlich Soldaten zur Stadionführung ein und Kind sei bei der Bundeswehr auch schon als Vortragsredner aufgetreten. (Quelle).
In der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken – im Gegensatz zu anderen Vereinen – nicht genannt wurde der Status der Kooperation. Die Bundeswehr ist „official Supplier“ der Roten.
Mit 65.500 EUR hat sich das Budget gegenüber 2012 verdreifacht. Eine Zahlung in gleicher Höhe ist bisher für 2014 angegeben. Prinzipiell gilt, dass die Werte sich noch erheblich nach oben ändern können, da das Denken in Kalenderjahren nicht dem in Fußballjahren entspricht. Alle gemachten Aussagen entsprechen dem Stand vom 7.August 2014.
Auch der Hamburger Sportverein ist entgegen der Aussageaus dem Jahre 2012 wieder im Boot. Zwar wurde das Budget halbiert. Aber mit immerhin noch 37.500 EUR finanziert die Bundeswehr in der Fastabstiegssaison beim selbsternannten Dino der Bundesliga die Werbung für die Ausbildung an den Mordwerkzeugen. Für 2014 sind noch keine Zahlen eingestellt.
Auffallend an den Antworten zur kleinen Anfrage ist auch die zunehmende Etablierung im Handball und im Motorsport. Das ist aber eine eigene Analyse wert und wird daher im Rahmen dieses Artikels nicht weiter verfolgt.
Bleibt die Frage: Was tun? Hannover – mit seiner zerstörten organisierten Fanszene und einem militärfreundlichen Präsidenten – ist natürlich ein ideales Experimentierfeld für die Werbestrategen der Bundeswehr. Bei nur zwei von 18 Bundeligisten traut sich die Bundeswehr so weit heraus. Ist sie jedoch langfristig in Hannover erfolgreich, wird das der Startschuss für eine Welle der Militarisierung im Sport sein. Bald wird sich dann nicht mehr die Frage stellen, ob die beworbene Zielgruppe wirklich alt genug ist zu verstehen, was es bedeutet – für dich selber und andere – Soldat_in zu sein. Militärische Lösungen werden zur unhinterfragbaren Kategorie. Die Frage müssen wir uns stellen. Wollen wir das wirklich?
Weiterführende Informationen zum Thema finden sich auf www.verqueert.de