Das Militär eignet sich die Kirche an

Ich bin ‚in einer Klosterkirche aufgewachsen‘ – etwas übertrieben ausgedrückt. Diese schöne alte Barockkirche mit einer ebenso wunderschönen wohlklingenden Orgel, im tiefkatholischen Weser-bergland gelegen, wurde von uns Kindern zum Gottesdienst sonntags und zweimal die Woche vor dem Unterricht besucht. Hinzu kam immer noch die eine oder andere Andacht. Beerdigungen und Hochzeiten begleiteten wir mit unseren unausgebildeten Stimmchen und unserem Lehrer an der Orgel. Und häufig, während ich dort saß und die barocke Fülle auf mich wirken ließ, ging mir die Horrorgeschichte durch den Kopf, dass der dänische ‚tolle Christian‘ diese Kirche während des Dreißigjährigen Krieges eingenommen und zu einem Pferdestall entweiht habe. Schrecklich! Pferde in der Kirche! Militär in der Kirche! Vielleicht Saufgelage in der Kirche!
Daran musste ich denken, als – zum wievielten Male eigentlich? – das Militär sich die Neustädter Hof- und Stadtkirche ‚aneignete‘. Zwar musste die Polizei das Militär zunächst schützen (!) – mit weiten Absperrungen und entsprechenden Auflagen für uns Demonstrierende. Aber als wir schließlich weg waren – leider hatten wir dann doch nicht die durchdringende Kraft der Posaunen von Jericho – übernahmen zum Ende hin ausschließlich uniformierte (und ebenfalls ausschließlich männliche) Militärs das Hausrecht in der Kirche und fühlten sich dort richtig heimisch. (s. Bierbild – Foto von nach dem Konzert heraus transportierten Bierkisten).
Nun finde ich die ‚Entweihung‘ einer Kirche durch ein Militär, das weltweit im Kriegseinsatz ist und der neuen Militärstrategie folgt, ‚unser‘ Militär‘ müsse die Sicherheit und ‚Stabilität‘ der Welt, die Frauenrechte in Afghanistan mit immer weiteren neuen Toten und einer Gewalteskalation ohne Ende und unseren Wohlstand am Horn von Afrika ‚verteidigen‘, weitaus schlimmer als das eine oder andere Fläschchen Bier – aber ein ungutes Gefühl beschlich mich dennoch. ‚Die Kirche‘, in diesem Zusammenhang Gemeinde und Pastorin der Neustädter Kirche, sollten mit einem sakralen Raum etwas Besseres anzufangen wissen, als diese dem Militär zu übereignen.

Wie jedes Jahr waren auch wir da – haben ein ‚klassisches Konzert‘ mit einem ‚Dissonanzkonzert‘ verbunden und deutlich gemacht, dass wir nach wie vor nicht bereit sind, Militär in Kirchen zu akzeptieren. Und das bleibt auch so! (Foto von unserer Aktion)
Es geht dem Militär nicht um Benefizarbeit, um schöne Musik, weihevolles Ambiente – oder besser: es geht um all das: ‚Wohltaten‘, ‚erhebende‘ klassische gefühlsbetonte Musik‘ (es weihnachtet ja beträchtlich in der Stadt!), es geht um die Kirche als weihevollem Ort, es geht darum, das blutige Handwerk des Krieges für die Bevölkerung akzeptierbar und für die Soldatinnen und Soldaten lebbarer zu machen.
Und es geht darum, neue Leute fürs Militär zu bekommen! Bisher ist die Begeisterung, sich ins Militär zu begeben ja glücklicherweise nicht so groß.
Deshallb:
Kein Militär in Kirchen!
Kein Segen fürs Militär!
Brunhild Müller-Reiß