AKW-Proteste und Antiatomwaffenbewegung und Ostermarsch – auch in Hannover

Aus Anlass der gegenwärtigen Anti-AKW-Proteste findet sich hier ein Überblick über Friedensproteste seit den 1950er Jahren – auch in Hannover.

Die Anti-Atomwaffen-Bewegung seit den späten 50ern wandte sich entschieden gegen Atomwaffen in bundesdeutscher Hand – ebenso wie gegen die Remilitarisierung.

Allerdings glaubten die Protestierenden, unter ihnen namhafte AtomforscherInnen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausdrücklich gegen Atomwaffen – die ‚friedliche‘ Nutzung der Atomkräfte war ihnen damals ein ausgesprochenes Anliegen: „Atoms for Peace.“ Max Born sagte, das Atom enthalte die strahlende Hoffnung auf ein Paradies auf Erden! Heute geht es darum, gegen die „strahlende Zukunft“ jeglicher Atomnutzung zu kämpfen! Deshalb müssen die Anti-AKW-Proteste und die Anti-Atomwaffenbewegung zusammen arbeiten.

Ø 50er Jahre – ‚Ohne-Mich‘-Bewegung
– Sie richtete sich gegen die Wiederbewaffnung der BRD.
– Wichtigstes politisches Mittel war die Androhung eigener Militärdienstverweigerung.
– Ab 1951 fand eine stärkere Koordinierung statt.
– Es handelte sich z. T. um die Artikulation eigener Ängste. Dies erfolgte teilweise diffus und nur begrenzt politisch. Gleichzeitig bedeutete ein Anknüpfen und Weitertragen der Grundsatzparole nach 1945: ‚Nie wieder Krieg!‘.
– Die Bewegung wurde von SPD u. KPD kritisch gesehen:
In der SPD vergrößerte sich allmählich die Tendenz zur Verteidigungsbereitschaft.
Die KPD: führte den Kampf zur Durchführung einer Volksbefragung. Die ‚Ohne Mich-Bewegung wurde z. T. . als nicht hinreichend ‚politisch‘ gesehen‘
– Mit dem Nato-Beitritt der BRD 1954 endete die 1. Bewegung gegen Remilitarisierung.

 

 

Ø Ab 1957: Protest gegen Atomwaffen
‚Erklärung der Göttinger 18‘
18 Atomwissenschaftler und bekannte Persönlichkeiten erklärten 1957, sie seien nicht bereit, sich an Herstellung, Erprobung und Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen (u. a. Günter Anders, Bloch, Jaspers, Max Born)
Allerdings: ‚Atoms for Peace‘! Max Born sagte, Atom enthalte die strahlende Hoffnung auf ein Paradies auf Erden‘! Angesichts der heutige Auseinandersetzung um die offizielle Atompolitik und entsprechenden Parolen zu Atomkraftwerken eine Realsatire!: Ausgestrahlt! Atomwaffenkritisch – aber eben auch zukunftsgläubig!

 

Ø Kampf dem Atomtod-Bewegung – 1957 – 1959:
– Die Einführung der BW erfolgte 1955 gegen einen breiten Bevölkerungsprotest .
– Die Bewegung ‚Kampf dem Atomtod‘ wurde getragen von SPD, Gewerkschaften, Teilen der ev. Kirche: sie richtete sich gegen eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr.
-Im Febr. 1958 ergab eine Emnid-Umfrage: 83 % der Bevölkerung lehnt Atomraketen ab.
– März 1958 wird die Atomare Bewaffnung der BW im Bundestag beschlossen.
> Ein Protest, von einer Bevölkerungsmehrheit getragen, wird durch das Parlament missachtet – wie auch schon bei der Einführung der Bundeswehr.
– Es folgt die Einbeziehung der BW in das Atomkriegskonzept der Nato und es entsteht das, was vielfach die APO (Außerparlamentarische Bewegung der 50er Jahre genannt wird:- Aktionsformen sind: Schweigemärsche, Protestkundgebungen, Arbeitsniederlegungen etc..
Der junge Helmut Schmidt forderte damals einen Demonstrationsstreik der Gewerkschaften. Zahlenmäßig vergleichbar war die Bewegung der späteren APO, aber sie stellte gleichzeitig einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung dar.
Die geplante Hamburger Volksbefragung wurde 1958 vom BVG gekippt: Begründung: Landesverteidigung ist nicht Ländersache.
Das Godesberger Programm der SPD stellte 1959 eine weitere Abkehr der SPD von ursprünglichen Nachkriegspositionen dar:
– Orientierung auf Große Koalition
– Ende marxistischer Vorstellungen: ‚Volksparteikonzept
– Unterstützung BW
in der Präambel fand sich die Forderung nach ausdrückliche Nutzung von. Atomenergie.

 

Ø Ostermarschbewegung ab 1960:
– Es handelte sich um eine von Parteien unabhängige ethisch-pazifistische Bewegung –
– entsprechend dem britischen Vorbild: 1958 -Campaign for Nuclear Disarmament‘: Marsch von London zum Raketenforschungszentrum in Aldermaston und zurück
-1960 1. Ostermarsch in der BRD v. Hamburg, Bremen, Hannover u. Braunschweig zum Raketenübungsplatz Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide. Es war ein kleiner Marsch – aber die InitiatorInnen, u. a. Helga und Konrad Tempel, waren überglücklich.
-Mit der Entwicklung zur ‘Kampagne für Demokratie und Abrüstung‘ (1968) wurde die Bewegung politischer – ein Dauergremium zur Durchführung von Aktionen wurde geschaffen. Die Bewegung bekam die Ausmaße einer Massenbewegung mit einem – gesellschaftskritischen Impetus.
– In den 70er Jahren flaute die Ostermarschbewegung ab.
Die Gründe dafür waren u. a.:
– . Entspannung zwischen Ost-und West – die Blockkonfrontation wurde nicht mehr als so bedrohlich empfunden und ein entsprechendes innenpolitisches Klima stellte sich ein.
-Dazu trug nicht zuletzt die ‚Neue Ost-Politik von Willi Brandt bei.
– > Das Kriegsrisiko wurde für gering gehalten.
Aber mit der Bedrohung durch den Bau der Neutronenbombe wuchs Mitte der 70er Jahre das Engagement wieder.

 

Ø 1980: Gründung der Organisation der: ÄrztInnen für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW)

– 1982 wurde die bundesdeutsche Sektion der IPPBW mit der Verkündung der ‚Frankfurter Erklärung‘ (Ablehnung kriegsmedizinischer Vorbereitungsmaßnahmen – keine Beteiligung daran) gegründet.

– Initiativen in den USA gab es seit 1962

– Die IPPNW bekam den Unesco Friedenspreis 1984 und

– den Friedensnobelpreis 1985: eindeutig angemessener als Barak Obama.

– 1986 fand in Köln der ‚Weltkongress der IPPNW statt: Hauptziel: Atomwaffenteststopps

– Erfolge der IPPNW:
1996: A-Waffen-Test-Stopp-Abkommen wird abgeschlossen.
Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes wird verkündet: Völkerrechtswidrigkeit von Atom-Waffen
Im Ottawa-Vertrag wurde das Verbot von Landminen beschlossen

– Initiativen: IPPNW – IALANA (International Association of Lawyers Against Nuclear Arms‘)- Bedeutung.
– Weltweites Netzwerk
– Viel Fachverstand: Professionelle und engagierte Arbeit
– angesehen und bei wichtigen Konferenzen (z. B. NY) dabei
– aber: sehr institutionalisiert, wenig Ortsnähe, feste Strukturen, z. T. abgehoben, was aber immer wieder in der Zusammenarbeit zu örtlichen Initiativen durchbrochen wird.

 

Ø > ‚Atomwaffenfrei bis 2020
– ‚Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen‘ ‚Abolishon 2000‘
– Das Zieldieser Initiative war: Abschaffung aller Atomwaffen weltweit – auch IPPNW.
– Unterstützung fand die Aktion durch weltweit 2000 Organisationen
– Sie stellte den Versuch dar, sich lokal zu verankern und konkret zu arbeiten: Heidelberger SchülerInnen hatten die Idee, eine Friedensmauer zu errichten. Dazu auch Aktionen in Hannover im Rahmen des Friedensbüro und des Agenda-21-Büros statt: Eine ‚Mauer‘ aus Holzklötzen wurde nach Hiroshima gebracht – auf die Holzklötzchen hatten Menschen ihre Botschaft gegen Atomwaffen geschrieben oder gemalt.

Ø Friedensbewegung – Ostermarschbewegung – Anti-Atomwaffenbewegung in Hannover
(Hier finden sich nur 1. Ansätze einer Aufarbeitung – muss vertieft werden)
– Bis 1979 gab es in Hannover zwei Bündnisse
– 1. Komitee Friedenswoche (christliche Gruppen)
– 2. IFAZ (Initiative für Abrüstung u. Zusammenarbeit) (Organisationsbündnis)

– 1. Friedenswoche
Sie wurde gegründet v. Wolfgang Raupach, Pastor Markt – und Kreuzkirche. Es handelte sich um ökumenische Friedensarbeit > Die Friedenswoche war Teil eines Modells landesweiter ökumenischer Friedensarbeit.
-Das Ziel war: einmal im Jahr rückblickend die eigene Arbeit zu beurteilen, grundsätzliche Fragen von Krieg und Militär in die Öffentlichkeit zu tragen und friedenspolitische Perspektiven zu entwickeln.
1977 entstand daraus: ‚Komitee Friedenswoche‘
1978 : 1. Friedenswoche
1980: 2. Friedenswoche

2. IFAZ – auf Bundesebene: KOFAZ (Kooperation für Abrüstung und Zusammenarbeit):
– Es handelte sich um den Versuch der Vernetzung von Organisationen und Personen.
– In den Jahren 1977/78 stand die Problematik der Neutronenbombenentwicklung im Vordergrund.
– ab 1982ging von der IFAZ die Koordination der Hannoverschen Ostermarschaktionen aus.–
– Es folgte die Gründung der ‚Friedensversammlung‘ in Hannover
Zwischen ‚Friedenswoche‘ und IFAZ ‚Arbeitsteilung‘
IFAZ – eher traditionell – auf Höhepunkt der Friedensbewegung: Initiierung und Unterstützung stadtteil- bzw. berufsbezogener Friedensinitiativen: Verbindung überregional und stadtteilbezogen.
Das ‚Komitee Friedenswoche‘: veranstaltete eine Friedenswoche im November in regelmäßigen Abständen und organisierte kleinere Veranstaltungen im Jahr

Ø 1981: Gründung ‚Friedensbüro‘ im Haus der Jugend
Dem Trägerkreisgehörten an: ‚Friedenswoche; IFAZ; DGB; Landesjugendring, Amnesty International Hannover, Parteien und andere Organisationen.
Das Ziel des Zusammenschlusses war: Vereinheitlichung und Intensivierung der Friedensarbeit
1981: Friedensbüro diente als Stützpunkt zur Koordination des Kirchentages in Hannover.

 

Ø Mai 1983: Unterzeichnung der Städtepartnerschaft Hiroshima – Hannover

-Eine 15jährige Verbindung wird vertraglich festgelegt.
– Aus Anlass der Unterzeichnung fand auf dem Trammplatz eine große Kundgebung statt, zu der alle Ratsfraktionen aufgerufen hatten.
– ‚Programm zur Abschaffung aller Atomwaffen‘ – Stadt tritt 83 bei.

 

Ø ‚Friedensversammlung‘ nach 1983
– Sie entstand in der Aktionswoche im Herbst 1983
-Sie rief auf zu Blockadeaktionen in Bremerhaven auf,
– organisierte drei Sonderzüge zur Hamburger Volksversammlung
– und rief u. a. zur Blockade der Bothfelder Kaserne auf.

-Das Thema des Internationalen Frauentags – organisiert von einem breiten‘ Frauenbündnis 8. März‘ (83?) rief gegen Militarismus und Krieg auf.
Im Herbst 1983 –( November) erfolgte die Zustimmung zu Mittelstreckenraketen im Bundestag.
Erneut stellt sich hier das Parlament in seinen Beschlüssen gegen eine Massenbewegung .
Ab 1984 finden wir das Auslaufen der friedenspolitischen Aktivitäten – in Hannover und anderswo.

 

Ø 1984: Entstehung des Hiroshima-Bündnisses als Zusammenschluss Hannoverscher Friedensgruppen und –initiativen
Dieses Bündnis wurde gegründet als Mahnung an die Atombomben in Hiroshima und Nagasaki; es knüpfte an die Städtepartnerschaft zwischen Hiroshima und Hannover an und arbeitete schwerpunktmäßig gegen die atomare Aufrüstung
– Im Laufe der Jahrzehnte ist es sehr geschrumpft, aber noch existierend und an Aktivitäten zum Hiroshimatag (6. August) und zu Atomwaffenfragen aktiv.

 

In diesem Überblick sind nicht die antimilitaristischen, autonomen, nicht zur ‚Friedensbewegung‘ im engeren Sinne gehörenden Strömungen und Gruppen berücksichtigt.
Es wäre interessant – vor allem für uns in Hannover – einmal einen Gesamtüberblick zu erarbeiten. Aktivitäten und Angebote dazu sind gerne gesehen.

Brunhild Müller-Reiß