Friedensnewsletter Hannover November 2015
Einer muss den Frieden beginnen, wie den Krieg.
Stefan Zweig
Liebe Friedensfreundinnen und-freunde,
nach kurzer Pause erscheint pünktlich zum beginnenden November ein neuer Newsletter, vollgepackt mit Informationen und Terminen. So wird am 4.11. Jürgen Grässlin aus seinem Buch Netzwerk des Todes lesen. Die darin enthaltenen Fakten bildeten die Grundlage des Filmes „Meister des Todes“, welches eine neue Debatte um Rüstungsexporte in Gang setzte. Ein anderer Termin zum Vormerken ist der 18.11. An diesem Tag findet in der Marktkirche ein Vortrag mit Gospelchor über das Leben und Wirken Martin Luther Kings statt. Veranstalter_in ist die DFG-VK. Inhaltlich geht es in diesem Newsletter vor allem um Rüstung, Atomwaffen und Flüchtlinge.
Kriege sind die Hauptursache, dafür, das Menschen ihre Heimat verlassen und fliehen müssen. Das Friedensbüro hat sich ein paar Gedanken zu Flucht und Krieg gemacht. In ähnlicher Intention hat der Bundeskongress der DFG-VK den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zum Rücktritt aufgefordert. Waffenexporte sind Beihilfe zum Mord. Beide Texte finden sich ebenfalls hier. Eine spannende Lektüre und hoffentlich ein Treffen bei einer der Veranstaltungen wünscht
Ralf Buchterkirchen
für DFG-VK Hannover und Friedensbüro Hannover
PS: Eine besser lesbare Version findet sich im hier
Die Themen im Einzelnen
- I had a Dream – Vortrag und Konzert Martin Luther King
- „Spar dir den Atomkrieg“ – Aktionstag vor der Deutschen Bank
- Rezension Netzwerk des Todes
- Fluchtursachen und Krieg
- Pazifismus und Gewaltfreiheit in Deutschland und der Schweiz
- Aktionskreis Atomwaffen abschaffen
- Resolution des Bundeskongresses der DFG-VK
Termine
Di, 3.11. 19 Uhr im Pavillon Friedenspolitischer AK, Thema „Fluchtursachen“
Mi, 4.11. 20 Uhr im Pavillon Waffenhandel „Netzwerk des Todes“ mit Jürgen Grässlin
Di, 10.11. 19 Uhr Kargah Mitgliederversammlung DFG-VK
Mi, 18.11. 19 Uhr Markuskirche: Lister Platz, Oskar-Winter-Straße 7, „I had a dream..“ – Ein unbequemer Held, Martin Luther King und sein Kampf gegen Rassismus, Armut und Krieg, Mit Prof. Dr. Theol. Heinrich Grosse und dem Gospelchor Hannover, Markuskirche (Kulturkirche)“
Mi, 25.11. um 19 Uhr im Haus der Jugend Aktiventreffen
Fr, 27.11. um 19 Uhr im Café K (Haltestelle Nieschlagstr.) Friedenspolitischer Stammtisch
„I HAD A DREAM..“ – Ein unbequemer Held – Martin Luther King und sein Kampf gegen Rassismus, Armut und Krieg
Martin Luther King, Mittwoch 18. November 2015 (Buß- und Bettag), 19:00 Uhr in der Markuskirche Hannover mit Prof. Dr. theol. Heinrich Grosse, Hannover und dem Gospelchor Hannover (Leitung Jan Meyer)
Vor 51 Jahren wurde Martin Luther King, der in diesem Jahr 86 Jahre alt geworden wäre, für sein Engagement gegen Rassismus und Krieg, für eine gerechte Gesellschaft, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Im Zentrum der öffentlichen Erinnerung an Martin Luther King steht meist der begeisternde Redner mit seiner Vision „Ich habe einen Traum“ und seinem Eintreten für Gewaltfreiheit.
Dabei wird der „radikale“ Martin Luther King, der zum Kampf gegen die „drei zusammenhängenden Übel von Rassismus, Armut und Krieg“ aufrief, ausgeblendet. An diesen „unbequemen Helden“, der in seinen letzten Lebensjahren von vielen scharf kritisiert und bekämpft wurde, möchte Heinrich Grosse in seinem Vortrag erinnern. Der Referent hat Martin Luther King in den 60er Jahren selbst erlebt.
Eine wichtige Triebfeder des Lebens von M.-L. King war sein christlicher Glaube und deshalb wird diese Veranstaltung von einem Gospelchor begleitet, weil in den Gospelsongs der afroamerikanischen Bevölkerung der USA nicht selten auch der Wunsch nach einem besseren gerechteren Leben Ausdruck verliehen wurde und sie den Geist – Spirit dieser Bewegung in Erinnerung rufen.
Veranstalter: Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Hannover, Markuskirche Hannover
Diese Veranstaltung findet im Rahmen der Friedensdekade 2015 statt
Eintritt frei
Aktion ‚Spar dir den Atomkrieg‘
Am 29. Oktober, einen Tag vor dem Weltspartag versammelten wir uns mit etwa 10 Teilnehmenden vor der Filiale der Deutschen Bank am Georgsplatz in Hannover.
Im Rahmen der Aktion ‚Spar dir den Atomkrieg‘ oder ‚Don’t bank the bomb‘ machten sie Kund_innen der Deutschen Bank und Passant_innen im Umfeld darauf aufmerksam, dass zahlreiche deutsche Finanzinstitute, u. a. die Deutsche Bank in Atomwaffen investieren.
Eine Abordnung von drei Aktiven ging in die Bank und händigte einer Vertreterin der Verwaltung einen Protestbrief aus und teilte Informationen an die dort Beschäftigten aus. Wir wurden wohlwollend aufgenommen – was daraus folgt, bleibt abzuwarten. (Der text des Offenen Briefes findet sich auf frieden-hannover.de)
Viele Menschen, mit denen wir ins Gespräch kamen, wiesen gleichzeitig auf die am Morgen verkündeten geplanten Massenentlassungen der Deutschen Bank hin. Die beiden Infos zur Handlungsweise der Bank führten zu Kommentaren wie: ‚Die gehen eben über Leichen!‘ – aber auch: ‚Die da oben machen, was sie wollen‘ oder Ähnliches. Gelegentlich auch ‚Gut, dass Sie das machen‘ – leider aber auch viel Desinteresse.
Wir machen weiter – im Bündnis mit allen, die sich gegen Atomwaffen und deren Aufrüstung einsetzen – in Büchel und anderswo.
Ein Netzwerk des Tötens – Waffenexporte enttarnt
Netzwerk des Todes„Krieg bedeutet Töten. Wenn du in den Krieg ziehst, musst du töten“ sagt Sabas Duque. Er war ein Krieger durch und durch, unkritisch, ohne Gewissensbisse und Reue. Erst nachdem Sabas sich mit seiner Truppe in einen Hinterhalt locken ließ, aus dem nur er lebend entkam, begriff er, was er getan hatte. „Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Kind. Sie haben Waffen. Sie entscheiden. Sie können andere kontrollieren. Ein junger Kerl mit so einer Macht!“, sagt Sabas Duque heute. Bei einem Anschlag aus dem Hinterhalt wurde er querschnittsgelähmt. Er hat noch nicht viel von der Welt gesehen, aber Waffen aus Deutschland kennt der 18-Jährige: Heckler & Koch, Walther PP, Sig Sauer. (S. 43)
Wie der Kindersoldat der FARC berichtet, spielen deutsche Waffen, insbesondere aus den Haus Heckler & Koch weltweit eine entscheidende Rolle, sei es in Kolumbien, Brasilien, Mexiko, Georgien und vermutlich so ziemlich jeder anderen Krisenregion in der Welt. Millionenfach wurden die Gewehre G3 und G36 verkauft, lizensiert, weiterverkauft, erbeutet und als Mordinstrument gebraucht. Verdient daran hat nicht zuletzt die Waffenschmiede aus Oberndorf.
Waffenexporte bedürfen eigentlich der Genehmigung durch diverse Ministerien und Behörden: Die Bundesministerien für Verteidigung und Wirtschaft müssen zustimmen, ebenso das Auswärtige Amt und ggf. auch der Bundessicherheitsrat. Ihre Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass kein Export in Krisenregionen erfolgt und dass Menschenrechtsverletzungen mit Hilfe dieser Waffen ausgeschlossen sind (was objektiv gesehen ziemlich aussichtslos ist, will man nicht alle Waffenexporte per se verbieten). Diese Entscheidung geschieht im Geheimen, ohne transparente Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit. Fakt ist: Kleinwaffen werden in Kriegsgebiete geliefert. Eventuelle Exporthemmnisse durch Tricks, Lügen und gefälschte Papiere umgangen. Ministerien und ihre Beamt_innen sehen dabei weg und vertrauen auf wertlose Endverbleibsklauseln, genau wissend, dass diese nicht eingehalten werden / eingehalten werden können.
Jürgen Grässlin, Daniel Harrich und Danuta Harrich-Zandberg legen mit „Netzwerk des Todes“ – Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden eine beklemmende Dokumentation vor, die das Netzwerk von Behörden, Waffenherstellern und Militärs aufzeigt. Es zeigt anhand von Dokumenten, wie Unterlagen gefälscht wurden und es nennt Verantwortliche in der Bundesrepublik. Das ist neben Heckler & Koch vor allem das Bundeswirtschaftsministerium, das ist auch der Wahlkreisabgeordnete Volker Kauder, der so der Heckler & Koch-Inhaber Andreas Heeschen „immer wieder die Hand über uns gehalten“ habe, das ist auch der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Ernst Burgbacher (FDP). Die Recherche zeigt, wie das Auswärtige Amt bei Waffenlieferungen wegsah und es erzählt eindrücklich von denen, die von den Folgen dieser Entscheidung direkt betroffen waren und sind. Protestierende Studierende in Mexiko, die auf Demonstrationen erschossen wurden, die verschleppt wurden und bis heute verschwunden sind, Kindersoldaten, deren Leben gezeichnet ist, Regionen in denen die einzige Antwort auf zu viele Waffen – noch mehr Waffen ist.
Ausführlich werden die Verbindungen aufgedeckt und Strafanzeigen gestellt. Offensichtliche Versäumnisse bis hoch zur Minister_innen-Ebene werden aufgezählt. Heckler & Koch verfügt über ein Netzwerk von Fürsprecher_innen, die dem Unternehmen und ihren Produkten ‚moralisch‘ verbunden sind. Auch wenn der Schwerpunkt des Buches die Oberndorfer Firma Heckler & Koch ist, so wird schnell klar, dass alle gemeint, sind, alle die am Verkauf von Waffen und Munition verdienen und dass Heckler & Koch nicht der Ausnahmefall, sondern die Regel ist. Neben der Beweisführung, die eine juristische Reaktion zu Folge haben muss, gelingt es den Autor_innen immer wieder die moralische Ebene der Waffenherstellung zu thematisieren und Empörung zu erzeugen. Gefälschte Endverbleibserklärungen, illegale Lizenzproduktion und Vertuschung bei festgestellten Qualitätsmängeln am Sturmgewehr G36 bieten dafür reichlich Stoff. Klar ist aber auch, das ist nur die Spitze des Eisberges. Das Heckler & Koch auf diese Weise vorgeführt werden kann, ist der direkten kriminellen Energie in den Waffen-Netzwerken zuzuschreiben. Dadurch ist Heckler & Koch angreifbar geworden, auch auf strafrechtlicher Ebene. Unabhängig davon muss aber vor allem die Arbeit gegen das (legale) Export- und Produktionsgeschäft weitergehen, in Bezug auf Kleinwaffen und große Militärtechnik. Die Autor_innen benennen hierfür Ansätze – die Kampagne Aktion Aufschrei und andere politische Akteur_innen wie die DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) sollten sie zu nutzen wissen.
Waffen werden gebaut und geliefert, um benutzt zu werden. Die Herstellenden und die Genehmigenden sind mitschuldig an den Taten, die mit diesen Waffen begangen werden. Diese zentrale Aussage des Buches, verbunden mit dem dokumentarischen Nachweis krimineller Machenschaften macht das Buch so wertvoll und lesenswert. Zusammen mit dem ebenfalls sehr empfehlenswerten Spielfilm „Meister des Todes“ von Daniel Harrich (der Film ist auf DVD erhältlich) wird eine Debatte über Moral und Verantwortung in Bezug auf das oft verniedlichte Thema Waffenlieferungen möglich. Bedenken wir auch: Die eigentlichen ‚Massenvernichtungswaffen‘ in Krisenregionen / Kriegen sind die Kleinwaffen! Nach diesen aktuellen Aufdeckungen ist bei allen weiteren Toten in Krisenregionen / Kriegen weltweit klar: deutsche Waffen waren mit dabei. Mit ihnen wurden die Massaker verübt.
Jürgen Grässlin, Daniel Harrich, Danute Harrich-Zadberg: „Netzwerk des Todes“ – Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden, München 2015.
Fluchtursachen bekämpfen! – Grenzen auf für geflüchtete Menschen – Grenzen zu für Waffen!
Die Empathie für geflüchtete Menschen ist in Deutschland groß! (Foto: Flüchtlingshilfe) Das ist gut so! Aber wird die Mehrheitsgesellschaft durchhalten? Wird die Empathie abnehmen, wenn die Hilfsbereiten feststellen, dass die zu uns Kommenden auch ‚nur‘ Menschen sind mit all ihren guten und schlechten Eigenschaften? Und dass die Gewalt in Flüchtlingsunterkünften zunimmt, weil Zusammengepferchtsein Aggressionen erzeugt, zumal die Geflüchteten mit leidvollen Erfahrungen belastet sind?
Und vor allem: ist es wirklich auf Dauer eine angemessene Hilfe für die zu uns Flüchtenden, flüchten zu müssen, ihre Heimat verlassen zu müssen und bei uns in der Fremde zu leben?
Das heißt: müssen wir nicht Beides gleichzeitig tun: den zu uns kommenden Menschen nach Kräften helfen (und da sind sicher nicht alle Ressourcen erschöpft!) und unser Augenmerk auf Fluchtursachen lenken?
Immerhin gibt es inzwischen auch Politiker_innen, die auf Fluchtursachen hinweisen. Aber da bekommt man schnell das Gefühl: der Hinweis dient als Vorwand. Indem auf zu beseitigende Fluchtursachen hingewiesen wird, wird die Bewältigung der Situation bei uns (folgenlos) in die Herkunftsländer projiziert.
Aber wir – können wir da etwas tun?
Zunächst: uns selbst schlau machen, dann öffentlich immer wieder auf Fluchtursachen hinweisen und daraus Forderungen an unsere Regierungen entwickeln und Druck machen, eine Bewegung initiieren.
Wenn in Deutschland und anderen europäischen Staaten die Zahl der Flüchtlinge aus Afrika, aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten Syrien oder aus dem Irak oder aus Afghanistan steigt, muss gefragt werden: Warum kommen die Menschen von dort hierher. Warum vertrauen die Menschen ihr Leben den Schleppern an? Weil sie sich bei uns in unser Wohlstandsnest setzen wollen? Deshalb setzen sie ihr Leben aufs Spiel, wohl wissend, dass sie vielleicht nie auf der anderen Seite des Mittelmeers ankommen werden?
Vor allem für Afrika ist es für die Menschen dort häufig ein Unglück, wenn ihre Länder über Öl oder sonstige Bodenschätze oder fruchtbares Land verfügen: sie werden enteignet und fallen grenzenloser Armut ohne jede Perspektive anheim. Oder es werden Regionen destabilisiert, weil die dort (nicht selten brutal) Herrschenden gestürzt werden sollen: Regimechange, der häufig alles nur schlimmer macht. Bürgerkriege, Kriege zwischen Staaten, ‚Stellvertreterkriege‘, Armut, Seuchen – Hungersnöte, geschlechtsspezifische Verfolgung – all das führt zum Verlassen der Heimat! Das sind keine ‚Naturereignisse‘, das ist menschengemacht! Wer will schon an einem Ort bleiben, an dem tagtäglich das eigene Leben in Gefahr ist – durch Hunger, Krieg, Terror und Gewalt. Neben wirtschaftlicher Knebelung, Zerstörung einheimischer Märkte, Destabilisierung der Länder durch westliche Kriegseinsätze ‚befeuern“ Waffenexporte auch aus Deutschland die Gewalt in Afrika und überall in der Welt. Heckler & Koch, Rheinmetall und wie sie alle heißen verdienen sich goldene Nasen am Tod von Menschen.
Kriege insgesamt sind mit Abstand die bedeutendste allgemeine Fluchtursache. So befinden sich unter den 25 wichtigsten Herkunftsländern von Flüchtlingen lediglich zwei, deren Emigration nicht primär auf Kriege zurückzuführen ist. Die aktuellen Kriegsflüchtlinge kommen aus Syrien, Irak, Afghanistan, Libyen, Somalia. Menschen werden vertrieben, haben Angst vor direkter Ermordung, aber auch vor ansteigender Brutalität in kriegerischen Zeiten, z. B. durch massenhafte Vergewaltigungen und den Anstieg von psychischen Erkrankungen. In Erhebungen mit syrischen Flüchtlingen in den Nachbarstaaten Syriens wurden besonders posttraumatische Belastungsstörungen, Angsterkrankungen und Schlafstörungen festgestellt.
Eine der Antworten auf die Frage, was getan werden muss um Fluchtursachen zu bekämpfen, ist, dass die Macht- und Wirtschaftsinteressen der Großmächte dieser Welt nicht mehr länger dazu führt, dass diese z. B. afrikanische Länder unterminiert und politisch aufgemischt werden. Nicht wenige der vor dem Assad-Regime geflüchteten Syrer_innen sind heute der Auffassung, dass es dem Land mit Assad besser gehe als ohne ihn. Ein Blick auf andere, von den USA unter Beteiligung europäischer Staaten ins Chaos gestürzte Länder wie Afghanistan, Irak oder Libyen zeigt deutlich, wessen man sich dort schuldig gemacht hat.
Aber erneut die Frage, was können wir tun? Niemand von uns sitzt an den Schalthebeln der Macht.
Zunächst: Die zu uns geflüchteten Menschen brauchen weiterhin offene Herzen und massive Unterstützung! Wir brauchen eine Politik zur Rettung von Menschen – nicht zur Abschreckung oder gar ihrer Vernichtung!
Europa braucht endlich eine menschliche Asylgesetzgebung – und kein Hin- und Herschieben und Abschieben von geflüchteten Menschen und schon gar keine Abschreckungsszenarien!
Darüber hinaus müssen wir an vielen Stellen für eine gerechte Weltordnung kämpfen! Dazu gehört die Bewegung gegen TTIP etc. ebenso wie die gegen Konzerne, die sich menschliche und Naturressourcen aneignen und die Not in unterentwickelt gehaltenen Gegenden verschärfen. Dazu gehört auch der Kampf für Frauenrechte, für eine Welt ohne Patriarchat: viele Frauen flüchten aus geschlechtsspezifischen Gründen (Vergewaltigungen – besonders in Kriegen) oder müssen unter brutalen Verhältnissen weiter leben, weil ihnen die Mittel zur Flucht fehlen.
Dazu gehört auch der Kampf für Frieden, gegen Krieg und Gewalt. Lasst uns immer wieder auf die Notwendigkeit von Verhandlungen hinweisen, auch mit brutalen Herrschern. Eine Beseitigung der Regierung von Assad könnte Syrien endgültig in die Arme des IS und des absoluten Terrors treiben.
Und lasst uns weiterhin gegen die Waffenindustrie antreten: sie verdient, durchaus auch mit staatlicher Hilfe, unmittelbar an Krieg und Gewalt!
„Pazifismus und Gewaltfreiheit in Deutschland und in der Schweiz“
von Hiltraud Stenzel
war der Titel eines 1-wöchigen Seminar-Aufenthalts in der Salecina-Begegnungsstätte, 1800m hoch gelegen, im Schweizer Bergell. 8 Mitglieder des Friedensbüros Hannover, sowie 4 weitere Personen, haben vom 26.9. bis 3.10. daran teilgenommen.
Margarete Müller hatte lange für den Aufenthalt geworben und die Fahrt und das Programm organisiert. Er wurde ein voller Erfolg.
Die Referate befassten sich mit folgenden Themen:
1. Die pazifistische Frauenbewegung vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs, von Frau Dr. Kristina Schulz, Professorin an der Universität Zürich.
2. Militarismus und Militär in der Region Hannover- von den Kolonialkriegen bis zur Drehscheibe für NATO-Kriegseinsätze. Margarete Müller (Fb), hielt eine Powerpoint Präsentation auf der Basis von Unterlagen des des AK Regionalgeschichte Neustadt e.V. Es wurde an Hand von Dokumente bewiesen: der Bombenkrieg gegen Städte und Zivilbevölkerung ist eine Deutsche Erfindung, erstmals angewendet bei der Zerstörung Guernicas im Spanischen Bürgerkrieg durch die Legion ‚Condor‘ des Luftwaffengeschwaders Bölcke, an den Standorten Wunstorf und Langenhagen, sowie später bei der Bombardierung Warschaus.
3. Ein 2-tägiges Seminar über ‚Gewaltfreie Kommunikation‘ von Lieselotte Kirstein-Mätzold, Fb-Mitglied und Trainerin für gewaltfrei Kommunikation. Es gab spannende Einblicke in unser Gesprächsverhalten und Anregungen daran etwas zu ändern.
4. Brunhild Müller-Reiss, Friedensbüro, stellte ihr Buch vor: Antifaschistische Arbeiterfrauen in Hannover, ein bis dahin vernachlässigter Bereich des ‚ganz gewöhnlichen ‚Widerstandes von Frauen im Alltagsleben, während des 3. Reiches, mit Berichten im Orginalton.
Ich glaube für uns alle sagen zu können, dass wir den Aufenthalt in Salecina sehr genossen haben. Nicht nur das interessante Seminarprogramm, auch die Gespräche danach, die Begegnung mit anderen Menschen bei der gemeinsamen ‚Hausarbeit‘ und den Mahlzeiten, und nicht zuletzt die Wanderungen in dieser landschaftlich, aber auch erdgeschichtlich eindrucksvollen Gegend, bei schönem Herbstwetter, nehmen wir in unser Alltagsleben mit und werden auch als Gruppe davon profitieren.
Unser herzlicher Dank gilt allen, die dazu beigesteuert haben, vor allem aber Margarete Müller vom Fb, die mit viel Arbeit im Vorfeld und persönlichem Einsatz vor Ort dieses gelungene Projekt ermöglicht hat.
Aktion „Atomwaffen abschaffen“ – Koordinierungskreis traf sich in Hannover
Am 8. + 9. Oktober traf sich in Hannover der Koordinierungskreis der Aktion „Atomwaffen abschaffen“. Da wir durch unsere zwei Veranstaltungen mit Elu Eskenius und Xanthe Hall auf die Wichtigkeit dieses Themas aufmerksam gemacht wurden, nutzten wir die räumliche Nähe und waren mit 6 Teilnehmerinnen aus Hannover vertreten, was positiv bemerkt wurde.
Ziel des Treffens war die Entwicklung einer Kampagne gegen die Aufrüstung der in Büchel stationierten Atomwaffen. Ich fand es sehr interessant mitzuerleben, wie in offener Diskussion so eine Kampagne entwickelt wird, wie Slogans, Forderungen, zeitliche Phasen und zentrale Orte festgelegt wurden.
Büchel als Haupt-Kristallationspunkt stand schnell fest (siehe Newsletter vom September) – Berlin als weiterer Ort wurde problematisiert, wird aber als „Entscheidungsort“ und für uns im Norden besser erreichbar weiter eine Rolle spielen. Daneben wurde auch Stuttgart mit EuCom, dem Europäischen NATO-Kommando, benannt. Der zeitliche Ablauf sollte zunächst auf die Bundestagswahl 2017 abgestimmt werden. Dies wurde in der Diskussion jedoch nur als Zwischenstation markiert: die Wahlkampagne bietet zwar eine politisierte Atmosphäre und sollte auf jeden Fall zur Verbreitung unserer Forderungen genutzt werden, jedoch sahen wir es als illusorisch an, dass mit einer (im besten Fall) Verankerung des Abzugs im Koalitionsvertrag „alles erledigt“ sei. Daraus folgend wurde der geplante Stationierungszeitpunkt 2020 als Endpunkt der Kampagne festgelegt.
Weitere Termine:
5./6. Dez. Friedensratschlag Kassel
Anfang 2016: Verabschiedung eines neuen Weißbuches für die Bundeswehr – die LINKS-Fraktion im Bundestag arbeitet an einer Kritik daran.
7./8. Juli 2016 NATO-Konferenz zur Nuklearwaffenstrategie in Warschau (haben wir Kontakte nach Polen? Schwieriger Ort für Gegendemos!)
30.9. – 3.10.2016 Disarm! Konferenz in Berlin
Um die Forderungen und den Slogan zu entwickeln, mußten wir uns nochmal mit den verschiedenen Ansätzen beschäftigen. Eigentlich sollte das Problem ja durch den Bundestagsbeschluß von 2010 zum Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland erledigt sein – aber niemand fühlt sich wohl für die Durchsetzung verantwortlich. Die diesjährige UNO-Konferenz zur Umsetzung des Abrüstungsgebots aus dem Vertrag zur Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen endete ergebnislos. Dagegen fand die „Humanitarian Pledge“(Selbstverpflichtungs-Erklärung), ursprünglich von Österreich ausgehend, die Unterstützung von 119 Staaten. Darüber hinausgehend wird von den Nicht-Atomwaffenstaaten ein ein „Ban-Treaty“ (Verbotsvertrag) diskutiert, dem möglichst viele Staaten beitreten sollen und der ein moralisch und völkerrechtlich verbindliches Dokument etablieren und die Atomwaffen-Staaten unter Druck setzen soll. Es gibt Bestrebungen für eine Abrüstungskonvention, dies erfordert allerdings genaue Festlegungen über die Durchführung der atomaren Abrüstung, ist also viel schwerer zu entwickeln. Diese Differenzen erschienen uns allerdings unerheblich entgegen der Tendenz, dass es in dem Konflikt um die Ukraine wieder reale Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen gab.Von vielen Organisationen gab es Stellungnahmen gegen die Atombewaffnung: Die Evangelische Kirche hat eine Stellungnahme abgegeben, auch der Papst ging vor der UNO darauf ein, Organisationen wie DGB, Naturfreunde und Rotes Kreuz haben entsprechende Stellungnahmen abgegeben. Bisher vermissen wir allerdings ein aktives Eingreifen in die öffentliche Diskussion. Es ist an uns, diese Organisationen „zum Jagen zu tragen“ – wir sollten deren Positionierungen nutzen, um sie in die Kampagne einzubeziehen.
Wichtiges Mittel der Kampagne sollen Selbstverpflichtungen sein, die von Aktiven in ganz Deutschland übernommen werden sollen: es kann um begrenzte Teilnahme an Mahnwachen, Fastenaktionen oder Blockaden gehen, um finanzielle Unterstützung oder vielerlei Aktionen in den Heimatorten.
Als Hauptforderungen an die Bundesregierung (und nur die kann unser Adressat sein) wurde festgelegt:
1. Stopp der nuklearen Aufrüstung in Deutschland!
2. Abzug der Atomwaffen aus Büchel!
3. Internationale Prozesse für ein Atomwaffenverbot vorantreiben!
Als Slogan wurde letztlich abgestimmt: Büchel ist überall – Atomwaffen abschaffen jetzt!
Bundeskongress der DFG-VK fordert Sigmar Gabriel wegen skrupelloser Waffenexporte zum sofortigen Rücktritt auf
Vom 23. bis 25. Oktober 2015 trafen sich gut hundert Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) zum 20. Bundeskongress in Mannheim. Die DFG-VK ist die älteste deutsche Friedensorganisation. Dabei wurden derzeitige friedenspolitische Entwicklungen kritisch reflektiert, darunter die Rüstungsexportpolitik.
Im Sommer 2013 hatte Gabriel vor der Bundestagswahl öffentlich erklärt, im Falle der Regierungsbeteiligung der SPD und seiner Nominierung zum Bundeswirtschaftsminister, Waffentransfers an menschenrechtsverletzende Staaten zu unterbinden und Rüstungsexporte restriktiv zu handhaben. Wirtschaftsminister Gabriel äußerte am 10. Dezember 2013, dem Tag der Menschenrechte: „Ein wichtiger Beitrag für Menschenrechte und Frieden ist eine klare und restriktive Rüstungsexportkontrolle. […] Wir treten für eine restriktive Rüstungsexportpolitik ein, denn nur das ist ein glaubhafter Ausdruck einer an den Menschenrechten orientierten Politik ….“[1]
An diesen Vorgaben muss sich Gabriel Politik messen lassen. Der für das Jahr 2014 veröffentlichte Rüstungsexportbericht der Bundesregierung – der erste, für den Gabriel als Bundeswirtschaftsminister voll umfänglich verantwortlich zeichnete – dokumentierte bereits die Verdoppelung der Waffentransfers unter seiner Ägide.
Mit der aktuell erfolgten Publikation des Rüstungsexportberichts für das 1. Halbjahr 2015 wird eine weitere dramatische Steigerung der Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen und Rüstungsgüter beim Waffenhandel publik.[2] Massiv gesteigert wurden die Einzelausfuhrgenehmigungen von 2,2 Mrd. Euro (1. Halbjahr 2014) auf 3,5 Mrd. Euro (1. Hj, 2015) und der Sammelausfuhrgenehmigungen von 519 Millionen Euro (1. Hj. 2014) auf 3,0 Mrd. Euro (1. Hj. 2015). Unter den führenden 20 Empfängerländern finden sich zahlreiche menschenrechtsverletzende Staaten wie Israel (Rang 2), Saudi-Arabien (3), Algerien (4), USA (5), Indien (6), Kuwait (7), Russland (8), Republik Korea (10), Brasilien (12), Vereinigte Arabische Emirate (13), China (14) und Oman (16). Gleich mehrere dieser Staaten liegen in Krisen- und Kriegsgebieten.
Den neuerlichen Tiefpunkt der Entwicklung stellt der Beginn der Lieferung von insgesamt 62 Leopard-2-Kampfpanzern und vielen weiteren Waffensystemen des Münchener und Kasseler Rüstungsriesen Krauss-Maffei Wegmann (KMW) ins Kriegsland Katar dar (22.10.2015) [2].
Gabriel genehmigte in den vergangenen beiden Jahren als Bundeswirtschaftsminister und im geheim tagenden Bundessicherheitsrat Waffenlieferungen an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten, darunter Diktaturen. Algerien erhielt gar eine Lizenz zum Eigenbau von Fuchs-Panzern.
Die Folgen dieser Rüstungsexportpolitik sind tödlich. Von Gabriel genehmigte Kriegswaffenlieferungen etwa nach Saudi-Arabien und Katar werden erfahrungsgemäß über kurz oder lang in den Händen des Islamischen Staats (IS) landen. Menschen fliehen nach Deutschland vor dem Einsatz deutscher Kriegswaffen in ihren Heimatländern.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel konterkariert die eigenen Versprechungen. Wählerinnen und Wählern gegenüber ist er wortbrüchig geworden. Mit seiner skrupellosen Rüstungsexportpolitik macht er sich zum Handlanger der Rüstungsindustrie.
Der Bundeskongress der DFG-VK fordert Sigmar Gabriel zum sofortigen Rücktritt auf wegen des Bruchs der gemachten Wahlversprechungen, des Vertrauensbruchs und Beihilfe zu Mord.
Wir unterstreichen unseren Willen zur Zusammenarbeit mit Flüchtlingen, die dem Krieg in ihren Heimatländern entkommen sind und sich gegen Krieg einsetzen wollen.
Ohne Gegenstimme angenommen am Sonntag, den 25. Oktober 2015
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[1] „Für eine wirksame Rüstungsexportkontrolle“ Erklärung von Sigmar Gabriel
zum Tag der Menschenrechte vom 10.12.2013; Sozialdemokratische Partei Deutschlands, Parteivorstand, Wilhelmstraße 141, 10963 Berlin
[2] Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das 1. Halbjahr 2015
[3] Schreiben von Staatssekretär Matthias Machnig, Bundeswirtschaftsministerium, an Peter Ramsauer, Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestags vom 22.10.2015
Wahlen der Sprecher_innen der DFG-VK
Die neugewählten Bundessprecher der DFG-VK sind:
Ralf Buchterkirchen
Tobias Damjanov
Jürgen Grässlin
Cornelia Mannewitz
Christoph Neeb
Monty Schädel
Torsten Schleip
Thomas Carl Schwoerer
Der Politische Geschäftsführer der DFG-VK, Monty Schädel, wurde im Amt bestätigt.