Medizinkollaps in Gaza – Warum?

Donnerstag 24.10. um 19 Uhr im Freizeitheim Vahrenwald
Vortrag und Diskussion mit Dr. Qassem Massri, Oberarzt für Kinder- und Jugendmedizin
Kurzer Bericht über den Vortrag von Qassem Massri am 24.10.24

Am 24.10. hatten wir in Hannover die Chance, einen Bericht von einem Arzt zu hören, der selbst in Gaza geholfen hat. Ich möchte hier davon berichten, da es Informationen gab, die wir über unsere Medien im Allgemeinen nicht erhalten. Dr. Qassem Massri ist ein Oberarzt für Kinder- und Jugendmedizin aus Berlin und stammt selbst aus Gaza.

Die medizinische Situation in Gaza ist verheerend: von 36 Kliniken, die es vor 2023 gab, sind noch 5 vorhanden. Vom medizinischen Personal wurden etwa 1000 getötet, darüber hinaus wurden sehr viele entführt – gerade gestern kam die Meldung, daß beim Indon. Krankenhaus alle männlichen Personen bis auf 2 entführt wurden.

Diese nüchternen Zahlen wurden durch seine Bilder konkreter. Da sah man Krankenhausflure voller abgeteilter Behausungen – auf dem Gelände des Europ. Krankenhauses in Chan Younis leben 30.000 Flüchtlinge – unvorstellbar.

Die Gänge sind allerdings überall durch Zerstörungen gekennzeichnet – das sind Einschläge von Quadrocoptern, also so kleinen Drohnen, die mit Maschinenpistolen ausgerüstet sind, die in den Krankenzimmern wahllos Patienten und personal erschießen, auch Kinder. Auch medizinische Geräte wie Beatmungsgeräte, Dialysen werden gezielt zerstört. Diese Drohnen werden von der Fa. Elbit Systems produziert – in Kooperation mit Thyssen-Krupp, Mercedes, MTU und Renk.

So ist eine medizinische Versorgung nur provisorisch und mangelhaft zu leisten, wobei sie auch oft nur von halb-ausgebildeten Studenten versucht wird.

Dr. Massri sieht in diesen Zuständen und weiteren Maßnahmen das Ziel, die gesamte Bevölkerung zu vertreiben oder auszurotten.
Ohne Versorgung enden viele Krankheiten tödlich: Herzkrankheiten, Diabetes, Nierenerkrankungen, Infektionen. Als im Gazastreifen erstmals wieder Polio, also Kinderlähmung ausbrach – sonst weltweit fast ausgerottet -, ließ Israel seine Soldaten impfen, die Impfungen der Kinder gegen Polio wurden letzte Woche wegen der dauernden Bombardierungen abgebrochen. Ein junger Mann stellte die Frage: Bei meiner Schweister ist ihr 3jähriger Sohn gestorben. Jetzt hat sie ein weiteres Kind geboren – mit 3 Wochen geht es ihm jetzt schlecht. Wohin kann sie sich wenden? Die Antwort: es gibt keine Neonatologen mehr in Gaza. Mir wurde da die persönliche Betroffenheit der jungen Menschen hier deutlich.

Inzwischen sterben viele Kinder an Hunger. Wieviel schrecklicher ist es aber, ein Foto von dem Vater zu sehen, der sein verhungertes Kind im Arm hält – diese Beine, die nur noch Stöcken gleichen, diese herausstehenden Rippen. Eine junge Frau verlies den Raum, vielleicht selbst Mutter eines Kindes in diesem Alter. Israel läßt jedoch keine Babynahrung in das Gebiet. Die Kliniken verzeichnen alle 12 Stunden ein verhungertes Kind!

Das Ziel der Ausrottung wird auch darin sichtbar, daß seit Mai keine palästinensischen und palästinensisch-stämmigen Helfer mehr zugelassen werden, dabei ganz genau „Wer einen palästinensichen Großelternteil hat…“ – das kennen wir doch? Auch die 5 größten Hilfsorganisationen werden nicht mehr zugelassen.

Inzwischen hat die Knesset gestern auch der UNWRA, also der Hilfsorganisation der UNO, wegen Zusammenarbeit mit Hamas ein Arbeitsverbot erteilt. Als dieser Vorwurf zuerst erhoben wurde, stellte die UN fest, daß das 19 Beschäftigte von 13.000 betraf, bei einem wurde das bewiesen, er und auch die entlasteten wurden sicherheitshalber entlassen. Man muß wissen: da Hamas die normalen kommunalen Behörden stellt, kann keine Organisation dort ohne Kontakt mit Hamas arbeiten.

Viel wichtiger aber: seit der Besetzung palästinensischer Gebiete ist Israel als Besatzungsmacht verpflichtet, Versorgung, Schulwesen, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur usw. zu garantieren. Dieser Pflicht wurde von Anfang an, also seit 1948 nicht nachgekommen, diese Funktion wurde mit der UNWRA auf die internationale Gemeinschaft übertragen.

Was uns als deutsche Bürger empören muß, ist die Haltung unserer Regierung:
während im Zeitraum seit 2019 der Anteil Deutschlands an den Waffenlieferungen bei 30% lag, stieg er im Jahr 2023 auf 47% – eine Ver-zehn-fachung. Im Oktober stiegen die genehmigten Lieferungen von 14,7 auf 94 Mio. €. Gleichzeitig ermahnen unsere Minister die Gegner Israels zur Zurückhaltung. Selbst ein Korrespondent des Deutschlandfunks sagte: als welchen Hohn müssen die Menschen im Libanon das Mitleid der Ministerin Baerbock empfinden, die durch die zerstörten südlichen Stadtteile von Beirut fährt, während Deutschland die Waffen liefert.

Wir dürfen diese Politik unserer Regierung nicht weiter dulden!
Das UN-Gutachten sagt klar: wer Israels Politik der Besatzung und der Verstöße gegen Kriegsrecht unterstützt, macht sich mitschuldig.
Nicht durch freundliche Worte, nicht durch eine schriftliche Zusicherung auf dem Papier zwingt man die israelische Regierung zur Einhaltung von Menschen- und Völkerrecht, sondern nur durch Entzug der Waffen.