Zaungäste beim Sommerbiwak – oder ‚Zauber der Macht’

Als ‚Zaungäste’ wurden die etwa 250 DemonstantInnen gegen das diesjährige Sommerbiwak („Europas schönstes Sommerfest“) der 1. Panzerdivision am folgenden Tag in der HAZ (…) bezeichnet.

Ja, das waren wir auch: ‚Zaungäste’! Von reichlich Polizei begleitet und hinter Absperrgittern abgeriegelt versuchten wir, unseren Ärger über das Fest der Bundeswehr mit mehr als 6500 Gästen unter dem Titel ‚Zauber der Nacht’ kundzutun. Aber die wohlbehüteten Damen und die elegant gekleideten Herren bekamen uns so gut wie gar nicht zu sehen und zu hören. Dafür sorgten die 11 Seiten starken Auflagen und mündlich von der Polizei mitgeteilten Vorsorgemaßnahmen im ‚Koordinationsgespräch’.

Zum Beispiel durften wir unsere Lautsprecher nicht in Richtung HCC drehen (hinter dem HCC im Stadtpark fand das Fest statt); Die Fahnen und Transparentstangen mussten aus Weichholz (Länge 1,20 , Durchmesser 3 cm) sein und das „Betreiben von mechanischen und elektrotechnischen Geräten zur Erzeugung von Sirenentönen, von Druckgasfanfaren oder nautischen Hörnern“ wurde untersagt; ebenso wie festgehalten wurde: „hinsichtlich vermeintlicher Störaktionen haben pantomimisch-spielerische Aktionen kostümierter Personen einen Abstand von mindestens drei Metern zu den eingesetzten Polizeikräfte einzuhalten“. Heiligendamm lässt grüßen!
Von dem in Grundgesetz verankerten Recht auf Versammlungsfreiheit blieb nicht viel übrig.
Der Chef der 1. Panzerdivision dankte am nächsten Tag der Polizei für den guten Schutz des Festes.
OB Weil (als Stadtvertreter Schirmherr der 1. Panzerdivision) dankte uns – ganz im Gegensatz zu seinen lobenden Worten über die Bundeswehr – nicht für das mutige Eintreten im Rahmen unseres staatsbürgerliche Engagements!
Immerhin handelt es sich bei der 1. Panzerdivision in Hannover um eine Truppe, die weltweit für ‚friedenserzwingende’ Maßnahmen eingesetzt wird. Gegenwärtig wird sie zur ‚Division Eingreiftruppe’ umstrukturiert. Entsprechend dem Weißbuch 2006 des Bundesverteidigungsministeriums findet (entgegen dem Namen des Ministeriums) im Moment gerade eine ‚Entgrenzung’ der deutschen, bzw. der NATO-Militäreinsätze statt. Für die deutschen Streitkräfte heißt dies: „internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus“ und „Schutz des freien und ungehinderten Welthandels als Grundlage unseres Wohlstandes“ (Weißbuch S. 62 u. S. 77).
Das Fest, dass der Akzeptanz der Bundeswehr im zivilen Bereich dienen soll, dient auch den entsprechenden militärischen Strategien, in diesem Jahr vor allem im Vorfeld der geplanten Erweiterung des Afghanistan-Einsatzes.

Das heißt:
1. Die High-Society aus Militär, Wirtschaft und Gesellschaft übt bei Tanz, Glamour und Feuerwerk den Schulterschluss.
2. ‚Bevölkerungsnah’ wird bei Sekt und Selters für die Bundewehreinsätze im Rahmen von ‚Enduring Freedom’ und ISAF-Einsatz um Akzeptanz geworben. Bevölkerung und Parlament soll auf die Zustimmung zur Verlängerung und Ausweitung des Afghanistan-Krieges vorbereitet werden.
Es geht zusätzlich um die grundsätzliche Akzeptanz für die Bundeswehr in unserer Gesellschaft: Feiern statt Kämpfen – Smoking statt olivgrün. Aber: das Feiern ist hier die Vorbereitung des Kämpfens.
Zunehmend ist es üblich, dass Bundeswehroffiziere in die Schule kommen um für ihre Arbeitsplätze zu werben und zunehmend finden diese Offiziere dort bei allen Beteiligten offene Ohren. Vorbei die Zeiten, als den Offizieren Kriegsdienstverweigerer gegenüber saßen. Seit die ‚Zivis’ von ‚Drückebergern’ zu unverzichtbaren Sozialdienstleistern geworden sind, verschwinden die entsprechenden Auseinandersetzungen aus dem Unterricht.

>>> Deshalb ist es umso notwendiger geworden, auf die problematischen Seiten von Bundeswehreinsätzen hinzuweisen und das kritische Potential in Schule und Gesellschaft zu erhöhen. Passieren muss dies auf allen Ebenen. Eine Möglichkeit ergibt sich bereits am 15. September in Berlin zur bundesweiten Demonstration gegen eine Verlängerung des militärischen Afghanistan-Einsatzes. Oder eben bei den Protesten gegen das Sommerbiwak 2008, damit die Stadt endlich die Partnerschaft löst und der Militarisierung des zivilen Einhalt geboten wird.