Was hat die Bundeswehr mit dem Christopher-Street-Day gemein?

Der Christopher-Street-Day 2008 in Oldenburg war ein gelungenes Fest. Auf einer wiederum langen Parade konnte gefeiert werden, gleichwohl wurden Forderungen aufgestellt und trugen nicht wenige von uns Schilder vor sich her. International und mittlerweile auch in der BRD hat der CSD eine lange Tradition. Er wurde ins Leben gerufen, um an den Widerstand von Lesben, Schwulen, Trans*en zu erinnern, die 1969 in der New Yorker Christopher Street sich der Polizei entgegenstellten, Razzien einfach nicht mehr erdulden wollten. Ursprung des CSDs war ein Aufbegehren gegen Obrigkeit, gegen gewaltvolle Unterdrückung, gegen stetes Verstecken müssen – und vor allem für die Anerkennung der eigenen Lebensweise. Mittlerweile haben sich zahlreiche Gesellschaften, so auch die in der BRD geöffnet: es ist heute möglich auch anerkannt, offen lesbisch oder schwul zu leben.Nachteile gibt es gleichwohl. So sind Diskriminierungen in der Schule, im Beruf, in vielen Bereichen der Gesellschaft noch an der Tagesordnung. Staatliche Diskriminierung ist ein Teil davon. Der CSD selbst richtete sich gegen Normierungen, gegen staatliche Repression. Gleichwohl war ein Interessenverband, nämlich der „Arbeitskreis homosexueller Angehöriger der Bundeswehr“ (AHsAB) zusammen mit der Aids-Hilfe Wilhelmshafen beim Christopher Street Day vertreten. Stolz berichtet dieser Arbeitskreis in Flyern und auf ihrer Homepage, Mitglied im Bundeswehrverband zu sein und schreibt, dass die Bundeswehr eine sehr tolle Truppe sei. Sollen wir Menschen dazu beglückwünschen, dass sie auch als Lesben und Schwule in einer mittlerweile in zahlreiche Kriegseinsätze verstrickten Armee, Dienst tun dürfen? Sicherlich ist es ein legitimes Argument zu fordern, dass alle Bereiche der Gesellschaft auch Lesben und Schwulen zur Verfügung stehen sollten. Insofern ist es auch ein Abbau von Diskriminierung, dass nun Lesben und Schwule auch in die Bundeswehr dürfen. Aber entspricht das auch einer Emanzipation? Können männlich, patriarchal geprägte gesellschaftliche Bereiche allein dadurch besser werden, dass nun auch nicht nur heterosexuelle Machomänner daran beteiligt sind? Oder wird ein altes gesellschaftliches Relikt mit einem archaischen Männerbild, mit Kasernen mit Nazinamen nun nur aufpoliert und an eine neue, individueller orientierte, Zeit angeglichen, in der das Morden nicht mehr so oft mit Schwert und Gewehr, sondern viel häufiger abstrakt per Knopfdruck geschieht und dem Mörder und der Mörderin das Leiden der Menschen weit weniger bewusst wird.

Während im Inland eine Insel relativ glücksseeliger IndividualistInnen geschaffen wird, erscheint es in staatlichem und wirtschaftlichem Interesse durchaus wieder als legitim, Krieg zu führen. Dies nicht im Interesse, Menschen zu helfen oder für Menschenrechte einzutreten – schließlich blieben Anfang der 1990er Jahre wirtschaftliche Hilfen für Jugoslawien aus; schüttelte Josef Fischer noch genau dem Robert Mugabe die Hand, der nun an den Pranger gestellt wird; beträgt die  Aufbauhilfe in Afghanistan weniger als 10% der militärischen Kosten…. Das Interesse ist immer auch und vor allem ein wirtschaftliches und ein machtpolitisches. In den Verteidigungspolitischen Leitlinien der Bundeswehr wird folgerichtig „der ungehinderte Zugang zu den Märkten und Rohstoffen in aller Welt“  als Prämisse des Handelns definiert. Die NATO schließt in ihrer Doktrin Kampfeinsätze auch außerhalb des Völkerrechts explizit nicht aus und führt sie, wie das Beispiel Jugoslawien zeigt, auch durch.

 Mit der Öffnung der Bundeswehr für Frauen fiel sozusagen als „Kolateralschaden“ die offizielle Homophobie des Militärs, entsprechende offizielle Erlasse regeln die „neue Toleranz“ (wobei fraglich bleibt, inwieweit ein archaisches machtpolitisches gesellschaftliches Element überhaupt solche Toleranz integrieren kann oder ob eine solche Toleranz offiziell und oberflächlich bleiben muss). Einerseits bedingten rechtliche Gründe diese „neue Toleranz“. Drohende Verurteilungen  wegen Strafversetzungen aufgrund des Outings männlicher Soldaten brachten den damaligen Verteidigungsminister Scharping dazu, entsprechend zu reagieren. Ein anderer Grund dürfte jedoch weitaus gravierender sein: Die Bundeswehr hat ein Imageproblem, aber auch einen riesigen Bedarf an gut ausgebildeten Menschen, den sie aus eigener Kraft nicht decken kann. Mit immer neuen Werbekampagnen geht sie in Arbeitsämter, auf Messen, auf Stadtfeste, um dort für sich zu werben. Denn um weltweit Krieg führen zu können, werden überwiegend Zeitsoldaten und Zeitsoldatinnen benötigt, die bereit sind, sich langfristig an die Bundeswehr zu binden, eventuell sogar eine Ausbildung zu machen. Besonders beliebt sind dann natürlich nicht durch eigene Kinder gehemmte Soldatinnen und Soldaten. Schwule, aber auch Lesben sind damit die ideale Zielgruppe für den neuen Typ SoldatIn. Jetzt kommen Vereine wie der AHsAb e.V. ins Spiel. Gegründet, um das gesellschaftliche Klima in der Bundeswehr zu verbessern werden sie genutzt, das Image nach außen für eine stabile Kriegsfähigkeit  zu erhalten. Bestenfalls könnte man Ihnen Unwissenheit um die Folgen des eigenen Handelns unterstellen. Ein Blick auf die Homepage belehrt aber schnell eines Besseren. Hier wird gezielt die Bundeswehr als toleranter und offener „normaler Arbeitgeber“ gezeigt, der höchstens noch ein paar kleine Macken in seiner Gleichstellungspolitik habe.

Ein CSD muss sich diesbezüglich Fragen lassen, ob das (auch das indirekte ) Zulassen repressiver staatlicher Institutionen wie der Bundeswehr mit den emanzipatorischen Zielen einer lesbisch-schwulen Bewegung zu vereinbaren ist – dies einerseits aus einer heutigen Perspektive aber auch aus einer solchen, die den Christopher-Street-Day initiierte. Eine Aids-Hilfe muss sich fragen lassen, ob sie nicht besser einen eigenen Stand machen sollte, um ihre Ziele der Prävention unabhängig und übergreifend vertreten zu können.

Auch schwule Soldaten sind Mörder!
Auch lesbische Soldatinnen sind Mörderinnen!