Warum wir als Frauen, Lesben und Trans in der Walpurgisnacht gegen Neonazis demonstrieren:

Wir stehen hier am Mahnmal für die Jüdinnen und Juden, die während der NS-Zeit ermordet wurden. Dieses Denkmal im Zentrum Hannovers erinnert damit auch an die Menschenfeindlichkeit der Nazis und ihre Verbrechen an Jüdinnen und Juden. Die durchgeführte Verfolgung, Deportation und Ermordung von jüdischen Männern und Frauen, die es in Hannover wie überall in Deutschland und in den von den Deutschen besetzten Gebieten gab, sind singulär in der Geschichte. Nirgends und zu keiner Zeit hat  Antisemitismus ein solches Ausmaß und eine solche Systematik erreicht wie im Nationalsozialismus in Deutschland.

Antisemitismus war ein Kernbestandteil des deutschen Faschismus. Darüber hinaus richtete sich die Nazi-Ideologie und -Politik gegen viele Menschen und Gruppen von Menschen: Verfolgung und Ermordung fanden auch statt gegen Sinti und Roma aus rassistischen Motiven sowie als sogenannte „Asoziale“: gegen Behinderte; gegen Lesben und gegen Schwule; gegen politische Oppositionelle und WiderstandskämpferInnen – um nur einige zu nennen.

Für einige dieser Menschen gibt es weitere Denkmale in der Stadt, sowie seit ca. einem Jahr in der Südstadt die Orli-Wald-Allee, die einer kommunistischen Widerstandskämpferin gewidmet ist. Orli Wald überlebte Auschwitz – starb aber nach dem Krieg an den Folgen der Lagerhaft.

Weitere unzählige Opfer forderte der völkische Nationalismus der Nazis, als das NS-Regime 1939 – beginnend mit dem Kriegsüberfall auf Polen – Europa mit Krieg überzog.

Hinzuzufügen bleibt, dass der Name, den das Regime sich selbst gab, ein horrender Etikettenschwindel war: National’sozialistisch’. ‚Sozialistisch’ nannten sich die Nazis aus propagandistischen Gründen, wirklich sozialistisch war rein gar nichts an der Politik der Nazis.

Die Geschlechterideale waren auf die Nazi-Ideologie ausgerichtet:

In Überspitzung / extremer Fortführung bürgerlicher Geschlechterkonzepte (Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau! Schiller) sollten Frauen im völkischen Denken an Heim und Herd verbannt werden, Kinder zur Welt bringen und aufziehen. Doch wurde diese propagandistische Erwartung nur an einen Teil der Frauen gestellt, nämlich dem Teil, der der nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Ideologie entsprach. So wurden behinderte Frauen und solche, die die Nazis als „Asoziale“ kategorisierten, vielfach zwangssterilisiert und ermordet.

Das männliche Geschlechterideal der Nazis war der Mann als Familienernährer und obendrein des heldenhaften Soldaten. Das bürgerliche Bild der dem Mann dienenden und des männlichen Schutzes bedürftigen Frau erlangte durch die Nazis eine besonders wichtige propagandistische Rolle. So nutzten die Nazis die angebliche Schutzbedürftigkeit von Frauen vielfach bei der Erschaffung einer Vielzahl von Feindbildern und der Militarisierung der Gesellschaft. Die Frau als dem (Ehe-)Mann untergeordnete Dienerin wurde auf die Nazi-Herrschaft übertragen. Frauen sollten ihre Körper ebenso den bevölkerungspolitischen und militärischen Zielen der Nazis unterordnen, sprich Kinder für die deutsche Expansion und als zukünftige Soldaten gebären. Dass dies streng heterosexuelle Geschlechterbeziehungen voraussetzt, ist offensichtlich. Wer von dieser als natürlich angesehenen heterosexuellen Vorschrift abwich, wurde von den Nazi brutal verfolgt.

Die Ideologie und Politik der Nazis richtete sich gegen Frauen, weil sie Frauen auf angeblich biologische Wesenszüge festlegte, ihnen fest definierte Rollen und Lebenswege vorschrieb und Frauen hierarchisch dem Mann deutlich untergeordnet waren.

Allerdings gingen im Nationalsozialismus Ideologie und Realität durchaus teilweise auseinander. Vielleicht konnte der NS-Staat deshalb auch so viele Frauen an sich binden:

–         Frauen waren nicht nur Opfer, sie waren auch Täterinnen: als jubelnde Anhängerinnen, als Erzieherinnen einer völkischen Jugend, als ihre Männer unterstützende und antreibende Partnerinnen, als Angestellte in der NS-Verwaltung oder als Aufseherinnen in KZs.

–         Im Rahmen der Totalisierung des NS-Staates gab es eigene Mädchen- und Frauengruppen, die zwar vollkommen ideologisch geprägt waren. Doch Mädchen und Frauen gleichzeitig die Möglichkeit boten, der Familie zu entfliehen, begrenzt Karriere zu machen und sich offiziell politisch einzubringen. Dieser scheinbare Freiraum zur eigenen Entfaltung wurde von vielen Frauen angenommen, zumal sie für ihr Engagement in Nazi-Organisationen nicht mit Sanktionen rechnen mussten.