Flucht und Fluchtursachen aus friedenspolitischer Persepektive

Friedensbüro und DFG-VK führen intensive Diskussionen um Flucht, Fluchtursachen, um Terror und dem Umgang mit Terror: In Paris – aber auch überall. Hier eine kurze Einschätzung – die Diskussion und unsere Arbeit mit diesen Themen geht weiter.

Refugees welcome! „Wir schaffen das!“ – hatte Frau Merkel vor nicht allzu langer Zeit gesagt! Wir schaffen es, geflüchteten Menschen mindestens eine Notunterkunft und hoffentlich dann auch Integrationsmöglichkeiten und ein besseres Leben zu ermöglichen. Und viele Flüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder hatten sich strahlend mit ihr fotografieren lassen. Und überall hatten Freiwillige, Ehrenamtliche aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen alles getan, um Menschen einen Willkommensgruß und die Möglichkeiten menschlicher Aufnahme zu gewährleisten. Einige waren über das Maß ihrer Möglichkeiten erschöpft und wünschten sich mehr handfeste Unterstützung durch Regierungen und öffentliche Institutionen.
Allerdings auch richtig, trotz der durchaus vorhandenen ‚Willkommensphase‘ wurde mit der fehlenden Bereitstellung von legalen Fluchtwegen, von sicheren Überfahrtsmöglichkeiten über das Mittelmeer den Schleppern in die Hände gespielt und nicht dafür gesorgt, dass endlich nicht mehr Tausende von Flüchtlingen im Mittelmeer ertrinken mussten. Frontex ist keine Lösung – Militäreinsatz gegen die Schlepper auch nicht.
Doch nun kippt alles: Abschreckung statt Willkommenskultur ist angesagt! Es findet auf der kulturell-politischen Ebene in Deutschland gegenwärtig ein Paradigmenwechsel statt
• Zunächst forderte Seehofer eine Überprüfung und faktisch ein Abschieben in Lager für hier ankommende Flüchtlinge direkt an der Grenze. Der Satz ‚Das Boot ist voll‘ und ein gegeneinander Ausspielen von Flüchtlingen vs. Hilfsbedürftige aus unserer eigenen Gesellschaft setzte ein. Der Mechanismus war und ist immer der gleiche: Jemand prescht vor, bekommt zunächst Prügel und dann bewegen sich nach und nach die Amtsträger_innen in dieselbe Richtung. Die Stimmung in Deutschland wird vergiftet. Und zwar von ‚oben‘, von den politischen und ‚intellektuellen Eliten‘.
• In einem Artikel von zwei Lehrkräften aus dem Philologenverband wird vor einer „überschwappenden Immigranteninvasion“ gewarnt. Haben uns die Flüchtlinge den Krieg erklärt?, wie die beiden Lehrkräfte nahelegen? Und es wird ein Gespenst beschworen, das des attraktiven und gleichzeitig bedrohlichen ‚schwarzen Mannes‘! „Unsere jungen Mädchen“ könnten sich nämlich „auf sexuelle Abenteuer… mit oft attraktiven muslimischen Männern einlassen.“ Hier werden rassistische Klischees bedient: der potente schwarze Mann, der Objekt ‚weißer Begierde‘ und gleichzeitig Bedrohung reiner weißer Frauen ist. Wo aber sind sexuelle Übergriffe muslimischer Männer gegenüber deutschen jungen Frauen bekannt geworden. Ich kenne keine. Aber wir alle wissen von Übergriffen gegen geflüchtete Menschen: gegen Frauen, Männer und Kinder.
• Herr De Maizière erklärt, ‚Zäune (gegen Flüchtlinge) seien nicht per se schlecht‘ und berei-tet Abschottung als politische Maßnahme ganz konkret vor. Schutz soll nur für ein Jahr ge-währt werden; der Familiennachzug wird eingeschränkt. Die Union folgt ihm – bald auch die SPD?
• Der niedersächsische Innenminister Pistorius betont, die gegenwärtige Realität sei eine ganz andere als vor zweieinhalb Jahren. Ja wirklich? Können die Menschen in den Ländern, aus denen sie flüchten jetzt mit gesicherter Existenz gewaltlos und ohne Krieg leben? Pistorius verweist mit seiner neuen ‚Realitätssicht‘ auf die „AfD und die anderen Geister“, die von einem Streit z.B. zwischen Grünen und SPD „profitieren“ könnten. Profitieren die AfD und die rechtspopulistischen Geister nicht in Wirklichkeit von den nur halbherzig bereitgestellten Mitteln? Von der fehlenden Bereitschaft, Wohnraum und Unterstützung allen Notleidenden zukommen zu lassen, von funktionalisierter Angst um eine gesicherte Existenz, um fehlenden Wohnraum, um überfüllte Klassen?
• Und jetzt ist wieder Herr De Maizière vorgeprescht. Das vorübergehend für syrische Flüchtlinge eingeschränkte Dublin-Abkommen (Die geflüchteten Menschen müssen in dem Land bleiben, in das sie als erstes gekommen sind.) wird (abgesehen von Griechenland) wieder in Kraft gesetzt. Die SPD zetert – aber nicht wegen des Inhalts dieser Maßnahme, sondern weil der Herr Innenminister ohne sie entschieden hat.
• Wolfgang Schäuble hat Flüchtlinge, die nach Europa kommen, mit einer Lawine verglichen.
Und wir, werden wir jetzt alle unter der Lawine begraben?
• Gleichzeitig haben unsere ‚Wirtschaftsweisen‘ soeben bekannt gegeben, dass Deutschland sehr wohl die Versorgung der zu uns geflüchteten Menschen schultern kann. Allerdings steht da bereits die ‚Nützlichkeitserwägung‘ wieder Pate. Die neu zu uns gekommenen Menschen sollen schnell Jobs bekommen – aber die ‚Mindestlohnregelung‘ lassen wir da mal ganz schnell außen vor! Deutlich jedenfalls wird: Dass wir als reiches Land da überfordert sind, ist ein Mythos, auch wenn die Bereitstellung von Hilfe für alle Beteiligten kein ‚Kinderreiten auf dem Ponyhof‘ ist. Aber die Milliarden in der Bankenkrise flossen schnell und reichlich – Niedersachsen hat vermehrte Steuereinnahmen – die Prognose für unser Wirtschaftswachstum ist gut!
Wo ist da das wirklich nicht zu bewältigende Problem?
Und nun treffen sich an verschiedenen Stellen unsere europäischen Politker_innen mit ihren Kolleg_innen, um über Fluchtursachen zu diskutieren. Gut so! Aber es scheint, als ginge es ausschließlich darum, durch kurzfristige und oberflächliche Maßnahmen die Menschen von uns fernzuhalten. Vergleichsweise geringe Zahlungen an afrikanische Regierungen, auch an die afghanische Regierung, um ‚uns‘ vor weiterem Zustrom zu schützen und Flüchtlinge zurück schicken zu können. Wenn es auch uns um die Thematisierung von Fluchtursachen geht, dann, um das Leben der Menschen im afrikanisch-arabischen Raum tiefgehend zu verbessern! Ihretwegen! Und hier bei uns zu zeigen, welchen Anteil ‚wir‘, der globale Norden, auch Deutschland, an den Fluchtursachen haben und welche Verpflichtung wir deshalb für die zu uns kommenden Menschen haben.
Noch ein Wort zu den Terroranschlägen in Paris: Der IS mit seinem Terror ist in Europa angekommen. Wir verurteilen den Mord an Menschen, die ziellos getötet wurden und trauern um Alle, die gestorben, verletzt, traumatisiert wurden. Diese Morde sind Teil einer Eskalation, die Tod und Gewalt als Mittel von ‚Auseinandersetzung‘ begreifen! Oder vorgeben, dies zu tun. Krieg, Gewalt und Mord können unsere Welt nicht menschlicher machen – weder in Europa, noch in Afrika, noch sonst wo! Dagegen müssen wir kämpfen!
Aber nicht, indem wir jetzt Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen! Die Bürgerkriegsflüchtlinge, die zu uns kommen, fliehen vor dem IS, vor den Taliban, vor dem Terror! Und wir entziehen dem Terror den Nährboden, wenn wir Menschen in Not aufnehmen und gleichzeitig die Ursachen des Terrors, der Kriege, der Not und der Verzweiflung zu bekämpfen suchen.
Wir brauchen nicht mehr Überwachung, kein Kriegsgeschrei, keine Verschärfung der Kriege sondern eine Änderung von Politik und Wirtschaftsverhalten – wir brauchen Gerechtigkeit!
Darum muss es gehen. Und um das Nachdenken darüber, was konkret bei uns passieren muss, damit es ALLEN, den zu uns Kommenden und den schon hier Lebenden gut geht!
Wir brauchen mehr Wohnungen, Lehrkräfte, Psychotherapeuth_innen, gut bezahlte und gut ausgebildete Fachkräfte im sozialen Bereich ….und vor allem brauchen wir einen öffentlichen sozialen zweiten Arbeitsmarkt, nicht nur für Flüchtlinge , da der neoliberal deregulierte private Arbeitsmarkt trotz des Mindestlohnerfolgs Armut und Elend nicht verhindert. Ohne finanzielle Unterfütterung z. B. durch stärkere steuerliche Belastung von Erben und Reichen wird die vor uns liegende Herkulesaufgabe nicht zu schaffen sein. Aber ihr Scheitern würde mit dramatischen politischen und sozialen Folgen für Alle von uns vorprogrammiert sein.
Wir wollen unseren Anteil daran leisten! Helft uns denken und handeln!

Deutsche und französische Frauen gegen Militarismus und Kriege im 20. Jahrhundert

Vortrag von Florence Hervé

Dienstag, 10.12.2013, 19 Uhr
Ver.di-Höfe, Veranstaltungszentrum Rotation, Saal 3
Goseriede 10, 30159 Hannover

herveOb im ersten Weltkrieg gegen Nationalismus und Hurrapatriotismus oder im Widerstand gegen Faschismus und Kollaboration, ob in den 1950er Jahren gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands oder Ende der 1980er Jahre gegen die Militärachse Bonn-Paris: Deutsche und französische Frauen demonstrierten zusammen – über die Grenzen hinweg.
Berichtet wird von gemeinsamen Initiativen gegen Militarismus und Krieg sowie vom Engagement einzelner Frauen wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Louise Saumoneau, Dora Schaul und Danielle Casanova, Klara-Marie Faßbinder und Solange Fernex.

Eine Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Von Krieg zu Krieg zu Krieg – Spuren des Militarismus in der Region Hannover vom 19. Jahrhundert bis heute“

Gewerkschaften, Rüstung, Krieg

Vortrag von Rainer Butenschön

Dienstag, 19.11.2013, 19 Uhr
Ver.di-Höfe, Veranstaltungszentrum Rotation, Saal 3
Goseriede 10, 30159 Hannover

butensDie Rüstungsindustrie – vor allem im Krieg – schafft (gelegentlich gut bezahlte) Arbeitsplätze. Gewerkschaften setzen sich für (gut bezahlte) Arbeitsplätze ein. Müssen sich Gewerkschaften da nicht für die Ausweitung der Rüstungsproduktion engagieren? In der Regel positionieren sich Gewerkschaften aber gegen den Krieg. Wie passt das zusammen? Gibt es einen Ausweg aus diesem anscheinend unlösbaren Interessenkonflikt? Spielt heute das Thema „Konversion“ – also die Umwandlung der Rüstungsproduktion in die Produktion ziviler Güter – noch eine Rolle in gewerkschaftlichen Diskussionen? Wie verhielten sich Gewerkschaften in der Vergangenheit zur Rüstungsproduktion und zum Krieg? Wie werden sie sich in Zukunft positionieren?

Eine Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Von Krieg zu Krieg zu Krieg – Spuren des Militarismus in der Region Hannover vom 19. Jahrhundert bis heute“