Hannover: Proteste gegen das Sommerbiwak der 1. Panzerdivision 2013

Während nach Schätzungen von Besuchern 1000 bis 1500 zumeist geladene Gäste die 1. Panzerdivision und ihr aktuelles Wirken in aller Welt feierten – die Veranstalter_innen hatten immerhin auf 5000 Gäste gehofft –, demonstrierten 300 Menschen direkt vor dem HCC (Hannover Congress Centrum) und zogen anschließend mit einem Protestmarsch um den Veranstaltungsort des Sommerbiwaks und dann in die Innenstadt. Die Demonstrierenden skandierten „Blut, Blut, Blut an euren Händen“ und wiesen damit darauf hin, dass es mit Krieg keinen Frieden geben kann, sondern dass er eine Eskalation von Konflikten ist. Gleichzeitig wiesen sie auf die von deutschen Soldaten unter anderem in Afghanistan getöteten Menschen hin – und dass es vor dem Hintergrund der zahlreichen zivilen und militärischen Opfer auch dieses Krieges – mit Beteiligung der Bundeswehr, und explizit der 1. Panzerdivision – keinerlei Grund zu feiern gibt. Wer kam überhaupt einmal auf die Idee, dass Armee, Töten und Krieg gefeiert werden könnten?

Wohl der- und demjenigen, die zu den Protesten gekommen war. Das Programm des Sommerbiwaks selbst war wenig aufregend: Gegen 50 Euro Eintritt konnten sich die Besucher_innen einen Zugang zu – ebenfalls noch zu zahlenden – Bratwürsten und Pommes einkaufen. Ein schmales Programm – etwa eine Hutmodenschau und kleinere Acts – sorgte für die angemessene Unterhaltung. Paraglider, die lange Schwaden roter Farbe hinter sich herzogen, entpuppten sich erst auf den zweiten Blick und auf Erläuterung der Moderation hin als Bestandteil des Programms – „Freifaller“ – und nicht als blutroter Protest der draußen drohenden Demonstrant_innen. Und gleichzeitig fanden sich Protestflyer auf den Toiletten – und mussten Gäste teilweise noch auf dem Weg nach Hause – wie schon auf dem Hinweg – mit einigen Friedensfreund_innen darüber diskutieren, warum sie beim Sommerbiwak waren, eine Armee und Krieg mit all seinen Auswirkungen feiern könnten.

Die angemeldete Demonstration wurde hingegen auch in diesem Jahr behindert. So war es entsprechend den Auflagen der Stadt Hannover in der einzigen dem Feierort der Bundeswehr nahen Straße, die also in direkter Rufnähe zum militaristischen Sommerbiwak war, untersagt die Lautsprecheranlage und weitere – selbst mechanische (!) – Hilfsmittel für eine angemessen laute Bekundung des Protests zu nutzen. Nur ganz kurz durfte eine Rede gehalten werden – diese durfte auch mit Lautsprecher unterstützt werden. Dann musste die Anlage gleich wieder aus sein. Aber was ist Protest, wenn diejenigen, denen der Protest gilt, ihn nicht hören dürfen – nicht einmal für eine halbe Stunde? An dieser Stelle mundtot gemacht, war die Demonstration sonst laut und bunt – mit vielen „Pace-Fahnen“ und Teilnehmenden verschiedener Gruppierungen. Zu einem Zwischenfall kam es nur noch, als die Polizei von einigen Personen aus der Demonstration Personalien aufnehmen wollte, weil sie Flugblätter verteilten… Soviel zu Protest und demokratischen Grundrechten In Hannover: Zulässig scheint Protest nur zu sein, wenn er nicht etwa mit „lauten Sprüchen“ oder politischen Handzetteln daherkommt und wenn er gerade diejenigen nicht stört, denen er gilt: Den „oberen Zehntausend“, die selbst von Krieg gut profitieren und immer gut profitiert haben.

Wir sehen uns im nächsten Jahr!
Bis dahin gibt es zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen, aktuelle Informationen unter anderem hier: http://fbh.frieden-hannover.de und hier http://www.antifa-hannover.de .

Ostermarsch 2013 in Hannover

‚fünf vor zwölf‘ – 11.55; Kröpcke Hannover; Sonnabend vor Ostern, 30. März 2013

Unser Platz in der Welt?

„Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung“, …. sagen die ‚Verteidigungspolitischen Richtlinien‘ von 2011

• Deutschlands Platz in der Welt? – Wer bestimmt wo es hingeht?
Seit Jahren hören wir: „Wir sind wieder wer!“ „Wir müssen unseren Platz als Großmacht, als führende Wirtschaftsmacht innerhalb und außerhalb von Europa wieder einnehmen!“

• Was heißt das?
Deutschland ist Vize-Exportweltmeister.
Deutschland bestimmt, was in Europa passiert.
Deutschland ist drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt.
Deutschland setzt seine Interessen überall in der Welt durch, zunächst mit wirtschaftlicher Macht, notfalls aber auch mit militärischer Gewalt.
Deutschland erklärt allen, was politische Moral ist.

Nutzt uns das?
Wir haben Öl für unsere Autos, billige Klamotten, Rohstoffe für unsere Lebensführung, seltene Erden für unsere Elektronik, exotisches Obst zu jeder Jahreszeit …. !

• Aber macht das unser Leben wirklich lebenswerter?
– Kriegerische und ökonomische Konflikte in aller Welt nehmen zu – auch Nichtbeteiligte können dies nur mit totaler Verdrängung der Wirklichkeit ertragen.
– Auch deshalb sind zunehmende psychische Erkrankungen zu verzeichnen.
– Die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert sich – weltweit – aber auch bei uns.
– Für die ‚Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands‘ und damit die Profite des deutschen Kapitals bezahlen Beschäftigte und Erwerbslose hierzulande mit Niedriglöhnen, Minijobs, Leiharbeit und Harz IV.
– In der Landwirtschaft gilt Masse statt Qualität – zum Schaden von Mensch, Umwelt und Natur. Die industrialisierte Landwirtschaft trägt zu Hunger und Landenteignung vor allem im globalen Süden bei.
Millionen Menschen leben in unzumutbaren Verhältnissen – weltweit – aber zunehmend auch bei uns. Wanderungsbewegungen zur eigenen Existenzsicherung werden nötig.
• Wollen wir das?
Unsere Vorstellung von unserem Platz in der Welt!

– Wir wollen gute Beziehungen zu anderen in der Welt, keinen Rohstoffklau, keinen Landraub, kurze Verkehrswege mit lokaler Produktion und einem Austausch von Produkten, der allen dient und unsere Welt gewaltfrei und somit ‚zukunftsfähig‘ macht.
– Wir wollen nicht, dass Bundeswehrsoldaten Krieg in anderen Ländern führen oder
aus dem sicheren Büro im eigenen Land mit Kampfdrohnen den Tod in andere
Länder bringen.
– Wir wollen nicht, dass zum ‚Schutz‘ von Europas Grenzen mit Hilfe von FRONTEX-Soldaten z.B. im Mittelmeer Menschen ertrinken müssen.

Eine unmenschliche Welt: Nicht in unserem Namen!

Friedensbüro Newsletter März 2013

Der Friedensbüro-Newsletter für März 2013 hat wieder einige Termine parat. Neben Veranstaltungen zu Drohnen und zum Deserteursdenkmal ist auch der diesjährige Ostermarsch Thema.

Die Themen im Einzelnen:
1. Bundesweites Vernetzungstreffen der Kampagne gegen Drohnen
2. Von Hamburg für Hannover lernen: Ein würdiges Deserteursdenkmal und eine öffentliche Diskussion
3. Ostermarsch 2013
4. Linktipp » Weiterlesen

Von Hamburg für Hannover lernen: Ein würdiges Deserteursdenkmal und eine öffentliche Diskussion

Aus Hamburg lässt sich für Hannover für die Thematisierung von Desertion im öffentlichen Stadtbild lernen: Wie lässt sich ein würdiges Gedenken und eine öffentliche Diskussion an Deserteure auch in Hannover umsetzen?

Darüber diskutieren wir beim Friedenspolitischen Arbeitskreis am 5. März 2013, 19:00 Uhr, Kargah (Zur Bettfedernfabrik 1) mit dem Sprecher des Hamburger Bündnisses für ein Deserteursdenkmal René Senenko. Er informiert über die aktuellen intensiven öffentlichen Diskussionen um ein Deserteursdenkmal in Hamburg.
Hintergrund:
Während im Hamburger Rathaus aktuell eine Ausstellung und zahlreiche Diskussionsveranstaltungen zu Deserteuren stattfinden, scheint sich die Stadt Hannover ihrer Verantwortung entziehen zu wollen. Noch immer droht eine Vorlage das Gedenken an die Deserteure aus dem Stadtbild tilgen und auf den Friedhof verbannen zu wollen. Statt Hamburger Diskussion um Desertion und ein Denkmal in der Stadt, das zur steten Diskussion anregt, wird in Hannover weder über Desertion, noch über ein würdiges Gedenken für Deserteure öffentlich diskutiert.
Veranstaltet von der Initiative für ein Deserteursdenkmal Hannover.

 

Protest gegen Militärkonzerte in Hannover

Kirche und Militär – Hand in Hand!

Zum wiederholten Male hat die evangelische Gemeinde in der Calenberger Neustadt die „Bundeswehr“ in die Kirche eingeladen, damit diese dort uniformiert ein ‚Adventskonzert‘ geben kann. Trotz der Geheimhaltung vor der Öffentlichkeit und sogar vor der eigenen Gemeinde, wurde das Konzert bekannt. Die Bundeswehr versucht mit Militärseelsorge, mit Segenssprüchen fürs Militär, mit Militär in Schulen – überall eben – die Akzeptanz fürs Töten zu erhöhen.
Kommt und protestiert mit uns! Musiziert mit uns! Schlagt Krach mit uns!

Wir protestieren gegen die Zusammenarbeit von Kirche und Militär!
Wir protestieren gegen die Indienstnahme der Kirche durch das Militär!
„Militärseelsorge abschaffen“ unter www.militaerseelsorge-abschaffen.de  www.frieden-hannover.de

Wo? – Calenberger Straße / Rote Reihe / Vor der Neustädter Hof- und Stadtkirche 30169 Hannover:

Wann? – 29.November 2011, 18:30 Uhr
Bringt Sprüche, Musikinstrumente und Lärminstrumente mit! Und auch gerne Freundinnen und Freunde!

 

die kirche und das militaer

(mit feundlicher Genehmigung von Devianzen.de)

in den 1980er jahren waren die kirchen ost- und westdeutschlands häufig knotenpunkte der friedensbewegung. das prinzip der gewaltlosigkeit, des friedlichen widerstands und der nicht-kooperation werden in vielen biblischen texten beschrieben und als grundlage eines lebens im christlichen glauben verstanden.

ein viertel jahrhundert später sieht die welt ganz anders aus. militärpastoren und -pfarrer sind mit deutschen soldaten im krieg unterwegs und es gibt eine starke verquickung zwischen den institutionen der kirche und der “bundeswehr”.

soldaten sind menschen.

doch eine trennlinie zwischen der fürsorge und dem da-sein für menschen und der durch eine zu enge unterstützung der kriegführenden “bundeswehr” faktisch gewordenen förderung des systems von krieg und terror scheinen die funktionäre der kirche nicht wahrzunehmen.

an vier zusammenhängen beleuchtet: » Weiterlesen

Doppelausstellung zum Umgang mit der Geschichte in Deutschland und Spanien

Umkämpfte Vergangenheit – Die Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg und den Franquismus

Die AG Geschichtspolitik des Berliner Vereins Grenzenlos hat im Anschluss an mehrere Bildungsreisen eine Ausstellung zur Geschichte der Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg und den Franquismus in verschiedenen Teilen Spaniens und Frankreichs erstellt. Auf 17 Tafeln werden Erinnerungsorte und –projekte beschrieben. Die Aktivitäten der örtlichen Geschichtsinitiativen unterscheiden sich je nach Region oder regionaler Geschichte. Allen gemeinsam ist, dass sie sich jenseits der offiziellen Rhetorik bewegen, für historische Gerechtigkeit eintreten und Kontinuitäten benennen.

“… ein voller Erfolg der Luftwaffe” – die Vernichtung von Guernica / Gernika am 26. April 1937 – Geschichte und Gegenwart eines deutschen Kriegsverbrechens

Am 26. April 2012 jährte sich zum 75. Mal die Vernichtung der baskischen Stadt Gernika / Guernica durch deutsche Kampfflieger der Legion Condor während des Spanischen Bürgerkrieges. Dieses Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung einer unverteidigten Stadt löste weltweit Entsetzen aus. Pablo Picasso malte unter dem Eindruck der Vernichtung sein wohl bekanntestes Bild, nannte es einfach „Guernica“ und machte diesen Namen bis heute zum Synonym für faschistischen Terror und die Schrecken des Luftkrieges. Ein Teil der Bomberbesatzungen, die in Spanien Francos Militärputsch gegen die gewählte republikanische Regierung unterstützten, war auf den Fliegerhorsten Langenhagen, Wunstorf und Delmenhorst ausgebildet worden.

In der Ausstellung geht es nicht nur um die Rekonstruktion eines Verbrechens, sondern auch um die lange Geschichte seiner Vertuschung und um deutsche Erinnerungspolitik.

15. – 21. Oktober 2012 Pavillon – Kultur- und Kommunikationszentrum „Zwischenraum“, Hannover, Lister Meile 4

Öffnungszeiten: Mo. – Fr.: 10 – 18 Uhr

Eröffnungsveranstaltung: Montag, 15.10.2012, 20 Uhr im Pavillon, „Zwischenraum“
Führungen durch die Ausstellungen werden angeboten. Anmeldungen bei der Rosa Luxemburg Stiftung Niedersachsen unter: 0511/2790934 (Mo. – Do. 9 – 15 Uhr)

Veranstalter_innen: Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen e.V. und Arbeitskreis Regionalgeschichte e.V.

PM: Diskussion zum Deserteursdenkmal muss offen und öffentlich geführt werden

Pressemitteilung – mit der Bitte um Veröffentlichung:

Zum heute in den Kulturausschuss der Stadt Hannover eingebrachten Vorschlag für ein Deserteursdenkmal erklärt Ralf Buchterkirchen für die Initiative für ein Deserteursdenkmal Hannover:

Mit Überraschung haben wir Kenntnis vom kurzfristig eingebrachten Vorschlag der Verwaltung erhalten, ein Werk des verstorbenen Künstlers Hans-Jürgen Breuste aufzukaufen, dies zum Deserteursdenkmal umzuwidmen und auf dem Fössefeldfriedhof aufzustellen. Mit diesem Vorschlag verspielt die Stadt Hannover leichtfertig die Chance zur öffentlichen Auseinandersetzung mit Desertion. Das Gedenken wird still und leise aus dem öffentlichen Stadtbild gedrängt. Nichtkünstlerisch Aktive, insbesondere aus der sich seit Jahren mit dem Deserteursthema in Hannover beschäftigenden Friedensbewegung, wurden in die Diskussion um Ort und Form des Denkmals nicht einbezogen.

Der Vorschlag der Verwaltung wurde auf der Kulturausschusssitzung vom 21.09.2012 zur Beratung an die Fraktionen im Stadtparlament weitergegeben.

Wir halten den Fössefeldfriedhof aufgrund seiner Lage und der einschränkenden Wirkung – als reiner Ort der Trauer – für ein solches Denkmal für ungeeignet. (Ungeachtet dessen ist selbstverständlich auch auf dem Fössefeld eine geeignete Hinweistafel mit Namen zum Gedenken und Trauer nötig.) Die Stadt Hannover benötigt vielmehr einen zentralen öffentlichen Raum zur Auseinandersetzung, zur politischen Debatte um Desertion. Wir fordern Stadtparlament und Verwaltung auf, die mit der Überweisung in die Fraktionen gegebene Pause zu nutzen, um eine ernsthafte, ergebnisoffene und öffentliche Debatte mit allen Interessierten zu eröffnen.

Beispiele wie Köln und Hamburg zeigen, dass nur ein solches offenes und öffentliches Vorgehen, zu einer ehrlichen und produktiven Auseinandersetzung führen.

 

Für Nachfragen stehe ich Ihnen unter 0177/4592848 oder per E-Mail rbu@deserteure-hannover.de gern zur Verfügung.

 

Im Auftrag der Initiative für ein Deserteursdenkmal Hannover

 

Ralf Buchterkirchen

Diskussionsbeitrag Deserteursdenkmal: Sitzung Kulturausschuss am 21.09.2012 – Beitrag zur Einwohnerfragestunde

 dokumentiert – ein Redebeitrag von Ralf Buchterkirchen im Rahmen der BürgerInnenfragestunde des Kulturausschusses der Stadt Hannover

(die Verwaltung hatte den Antrag gestellt, eine Breuste-Statue aufzukaufen, diese umzuwidmen und auf dem Fössefeldfriedhof abzustellen – der Vorschlag wurde 2 Tage vor der Sitzung bekannt gegeben- der Ausschuss hat sich für eine Beratung in den Fraktionen entschieden (Antrag der CDU))

Ich möchte aus Sicht der Opfer und dem Umgang mit Ihnen zum Vorschlag der Verwaltung für ein Deserteursdenkmal etwas sagen. Ich habe mich mehrere Jahre mit Desertion, Wehrkraftzersetzung und „Kriegsverrat“ von Soldaten in und aus Hannover beschäftigt. Mit dieser hier vorgeschlagenen Hauruck-Entscheidung werden meines Erachtens die Opfer der NS-Militärjustiz ein zweites Mal still und unauffällig begraben. Ein unangenehmes Thema wird – abgeschoben an den Stadtrand – der städtischen Debatte, der Auseinandersetzung entzogen. Wenn wir über Desertion reden, geht es nicht nur um die Willkür und brutale Aktivität der NS-Schergen, sondern es geht vor allem darum, dass Menschen sich entschieden haben – aus was für Gründen auch immer – sich der militärischen Logik zu entziehen, sich dem faschistischen Angriffsfeldzug zu entziehen. Diese Gründe waren selten politisch, vielmehr häufiger persönlich – der individuelle Wunsch zu  überleben, wie es Alfred Andersch beschreibt. Was Ihnen jedoch allen gemein war – sie wussten, was sie erwartet, wenn sie gefasst werden. Es geht nicht um abstrakte Zahlen, es geht um menschliche Schicksale. Mit ihrer Entscheidung verhindern sie jedoch die Auseinandersetzung mit genau diesen Gründen und de entgegenstehenden Repression. Gerade eine öffentliche Debatte um Form und Ort stellt eine Möglichkeit dar, mit der eigenen Geschichte kritisch umzugehen. Mit einer stillschweigenden Beschlussfassung und Aufstellung wird diese zivilgesellschaftlich notwendige Debatte nicht geführt werden. Der Umgang mit der Geschichte der Wehrmachtsdeserteure in Köln und Hamburg zeigen, wie es auch funktionieren könnte. Breite Diskussionsprozesse und Auseinandersetzungen helfen dort, Geschichte neu zu interpretieren, altbekanntes zu hinterfragen und damit zu einer differenzierten anerkannten Würdigung zu kommen. Die Nichteinbeziehung derer, die sich mit der Materie beschäftigen kommt erschwerend hinzu.

Unabhängig davon, ob sich die Stadt solch eine Ausschreibung leisten kann und will. Nicht offen darüber einen Dialog zu suchen und eine Vorlage zwei Tage vor Sitzungsbeginn einzureichen, genügt weder demokratischen Prinzipien noch erwartbarer Mitbestimmung, insbesondere, da der vorliegende Entwurf zentralen Punkten des Kulturausschusses vom Februar diametral widerspricht.

Wir fordern Sie auf, diesen Tagesordnungspunkt auf eine spätere Sitzung zu verschieben, endlich die öffentliche Debatte zum Thema zu suchen und so zu auch langfristig akzeptierten Lösungen zu kommen. Alle am Thema Interessierten sind einzubeziehen. Die Opfer der NS-Militärjustiz haben diesen Respekt verdient.

Lesung und Vortrag am 31.8. Desertion und Wehrkraftzersetzung

Freitag, 31. August 2012, 19.30 Uhr
Zum Antikriegstag 1. September im Antikriegshaus Sievershausen
… und wenn sie mich an die Wand stellen …
Lesung mit Ralf Buchterkirchen
Der hannoversche Autor Ralf Buchterkirchen hat unter dem Titel „… und wenn sie mich an die Wand stellen“ ein Buch über Desertion, Wehrkraftzersetzung und „Kriegsverrat“ von Soldaten in und aus Hannover in den Jahren 1933 bis 1945 geschrieben. Ralf Buchterkirchen ist seit vielen Jahren in der Friedensbewegung sowie queer-feministischen Initiativen aktiv. Die Idee zum Buch entstand aus dem Wunsch heraus, die von Klaus Falk in jahrelanger Kleinarbeit gesammelten
Informationen zu Kriegs- und Gehorsamsverweigerern in Hannover zu ordnen und einer allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Zum Einen soll damit an eine gern vergessene und auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges lange nicht rehabilitierte Opfergruppe nicht nur aus regionalhistorischer Sicht erinnert werden, andererseits soll mit diesem Buch die Debatte um ein Deserteurdenkmal in Hannover Aufschwung bekommen. Als Ausgangspunkt zum Verständnis der individuellen Beweggründe für Desertion, Wehrkraftzersetzung oder „Kriegsverrat“ wurde gezielt der Umgang mit „heroischen Männlichkeitsbildern“ beschrieben. Männlichkeit wurde im Nationalsozialismus – im Vergleich zur preußischen
Tradition – weiter überhöht und „Bestrafung der Deserteure hieß im NS-Staat auch symbolische Entmännlichung“, so Buchterkirchen. In diesem Sinne verspricht dieser Zugang neue Sichtweisen und verbinden sich friedens- und gesellschaftspolitische Interessen des Autors. Enthalten sind in „.. und wenn sie mich an die Wand stellen…“ unter anderen die Geschichten von Hubert Breitschaft und Robert Gauweiler. Breitschaft, Lehrer aus Bayern, kostete
die spontane Reaktion auf das misslungene Hitler -Attentat vom 20. Juli 1944 – „Schade, dass es ihn nicht erwischt hat!“ – das Leben. Er wurde zum Tode verurteilt und in Hannover hingerichtet. Der Hannoveraner Robert Gauweiler hatte im Kameradenkreis die Befürchtung geäußert: „Diesen Krieg verlieren wir.“ Dafür verurteile ihn die Wehrmachtsjustiz in Dänemark zum Tode. Für diese und andere Opfer der NS-Militärjustiz hat das Antikriegshaus vor fünfzehn Jahren das Deserteurdenkmal in Sievershausen errichtet.

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