Stellungnahme zum Krieg zwischen Israel und Gaza/Palästina (1. 8. 2014)

„Feuerpause im Nahen Osten“ hieß es am Morgen des 1. August 2014 – Sie sollte ab 7 Uhr deutscher Zeit für drei Tage gelten! Eine sehr erfreuliche Botschaft. Aber nach nur ganz wenigen Stunden war wieder Krieg! Umso wichtiger ist es jetzt, dass eine neue Feuerpause vereinbart und dringend produktiv genutzt wird! Wie viele Menschen sollen noch sterben, in Not und Angst leben?

  • Vorbemerkung: Es fällt schwer, eine Stellungnahme abzugeben, die nicht in den Strudel des ‚Antisemitismus‘ hineingerät, die allen Beteiligten gerecht wird und dennoch Gewalt ‚Gewalt‘ nennt und Krieg ‚Krieg‘. Wir versuchen es mit dem folgenden Text, begrüßen aber ausdrücklich auch eine intensive Diskussion – solange es um die Sache des Friedens geht und nicht um Rechthaberei, das Pflegen von Feindbildern oder das Verschleiern von Not und Elend.
  • Unsere Grundlinie ist: Gerechtigkeit für Palästina ist der Schlüssel zum Frieden für Israel!

Es gibt keinen Weg zum Frieden, der Frieden ist der Weg!


Wir beziehen uns bei unserer Stellungnahme stellvertretend auf die Einschätzungen von Uri Avneri, der als in Hannover aufgewachsener Jude in Israel deutlich seine Meinung sagt und auf Mohssen Massarrat, im Iran geboren und seit 1961 in Deutschland lebend. Beide verstehen sich als Pazifisten – ihre Einschätzung ist dennoch unterschiedlich:

Zunächst Avneri: „ …IN DIESEM Krieg haben beide Seiten dasselbe Ziel: der Situation, die vor dem Krieg bestand, ein Ende zu machen.   EIN FÜR ALLE MAL!
Dem Raketenbeschuss nach Israel vom Gazastreifen her, ein Ende zu machen. Ein für alle Mal.
Der Blockade des Gazastreifens durch Israel und Ägypten ein Ende machen – ein für alle Mal.
Warum kommen die beiden Seiten nicht ohne ausländische Einmischung zu einander und stimmen in dem ‚wie du mir- so ich dir‘ überein?
Sie können nicht, weil sie nicht mit einander reden. Sie können einander töten, aber sie können nicht mit einander reden. Um Himmels willen nicht!
DAS IST kein Krieg gegen Terror. Der Krieg als solcher ist ein Terrorakt.
Keine Seite hat eine andere Strategie, als die zivile Bevölkerung der andern Seite zu terrorisieren.
Die palästinensischen Kampftruppen in Gaza versuchen, durch das Raketenwerfen auf israelische Städte und Dörfer ihren Willen aufzuerlegen und zu hoffen, dass dies die Moral der Bevölkerung bricht, und sie zwingt, die Blockade, die den Gazastreifen in ein Open-Air-Gefängnis verwandelt, aufzuheben.
Die israelische Armee bombardiert die Bevölkerung des Gazastreifens und zerstört ganze Stadtteile in der Hoffnung, dass die Bewohner (die, die überleben) die Hamas-Führung abschütteln.
Beide Hoffnungen sind natürlich töricht. Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass die Terrorisierung einer Bevölkerung sie dahin bringt, sich hinter ihren Führern zu einigen und den Feind noch mehr zu hassen. Dies geschieht jetzt auf beiden Seiten. (…)
WENN MAN in einem Krieg über beide Seiten spricht, kann man kaum den Eindruck der Symmetrie vermeiden. Aber dieser Krieg ist von Symmetrie weit entfernt. Israel hat eine der größten und wirksamsten Militärmaschinerien der Welt. Hamas und seine lokalen Verbündeten kommen auf etwa ein paar Tausend Kämpfer. Wenn überhaupt. Jetzt wissen wir, dass keine Seite die andere Seite zur Kapitulation zwingen kann. Es ist ein Unentschieden. Warum also weiter töten und zerstören? (…)
Ich möchte meiner Regierung und den Hamas-Führern zuschreien: Um Gottes willen (…) redet mit einander!
(…) DER HASS zwischen beiden Seiten ist gewachsen. Er wird bleiben.
Der Hass vieler Israelis auf Israels arabische Bürger ist beträchtlich gewachsen, und das kann lange Zeit nicht verbessert werden. Israels Demokratie hat einen harten Schlag bekommen. Neo-faschistische Gruppen, einmal am Rande, sind nun vom Mainstream akzeptiert worden. Einige Kabinettminister und Knesset-Mitglieder sind vollständige Faschisten geworden.
Sie werden jetzt von fast allen Weltführern anerkannt und wiederholen wie ein Papagei Netanyahus abgedroschene Propagandaslogans. Aber Millionen in aller Welt haben Tag für Tag die schrecklichen Bilder der Zerstörung und des Todes im Gazastreifen gesehen. Das wird nicht durch eine Feuerpause
aus ihrem Gedächtnis verschwinden. Israels bereits unsichere Position in der Welt wird sogar noch tiefer sinken.
Innerhalb Israels selbst fühlen sich anständige Leute immer ungemütlicher. Ich habe viele Äußerungen von einfachen Leuten gehört, die plötzlich an Auswanderung denken. (…).“
Uri Avneri fragt dann, was er am Ende des Krieges tun würde und antwortet u. a.:
„Ich würde die palästinensische Einheitsregierung anerkennen und die Welt dazu aufrufen, sie anzuerkennen und nichts zu tun, sie daran zu hindern, palästinensische Präsidenten und ein Parlament frei zu wählen – unter internationaler Aufsicht. Ich würde die Ergebnisse respektieren, egal wie sie ausfallen. Ich würde sofort mit ehrenhaften Friedensverhandlungen mit der vereinten Palästinensischen Führung anfangen, und zwar auf der Grundlage der All-arabischen Friedensinitiative. Jetzt, wo so viele arabische Regierungen Israel zustimmen, scheint es eine einmalige Chance für eine Friedensinitiative zu geben. Kurz gesagt: macht ein Ende mit dem Krieg. EIN FÜR ALLE MAL !

Mohssen Massarrat ist der Meinung, dass in nahezu allen westlichen Medien Israels Kriegsverbrechen in Gaza heruntergespielt und Hamas auf die Anklagebank gesetzt“ werde.Und er fragt: „Warum kämpft Hamas trotz militärisch hoffnungsloser Unterlegenheit weiter?“ Den Grund sieht er darin, dass Israel die 10 Bedingungen der Hamas für einen Waffenstillstand abgelehnt habe. Die aber seien für den Gazastreifen und für Palästina existentiell. Z. B. „Freiheit für den Gazastreifen, keine Militäroperationen, zu Lande, zu Wasser und in der Luft, Abzug der israelischen Armee aus Gaza, damit palästinensische Bauern ihr Land bis an den Grenzzaun zu Israel nutzen können, (…) die Beendigung der Blockade und Wiedereröffnung der Grenzen in Gaza, (…) Zusage einer zehnjährigen Waffenruhe und Schließung des Luftraums in Gaza für israelischen Flugzeuge, (…) keine Einmischung in die innerpalästinensische Innenpolitik und Regierungsbildung und schließlich die Eröffnung von Gazas Industriezone.“ Massarrat bezeichnet sich selbst als „Pazifist aus tiefster Überzeugung“, fährt aber fort: „Die Hamas handelt in meinen Augen nach der ultima ratio, nach einem Prinzip also, dass der Westen als Rechtfertigung für seine in der Regel völkerrechtswidrigen Kriege ins Feld führt, das er jedoch im Bezug auf Israel nicht einmal in Erwägung zieht. Mahatma Gandhi hat seinen antikolonialistischen Kampf gegen die übermächtige Kolonialmacht England mit den Methoden des zivilen Ungehorsams gewonnen. Gandhis Weg wäre aus Sicht der Pazifisten ganz sicher der bessere Weg. Für die Palästinenser ist dieser Weg jedoch, so fürchte ich, möglicherweise schon zu spät. Hamas Bedingungen für einen Waffenstillstand sind auch Bedingungen, die alle Menschen, die Frieden wollen, sich wünschen würden.“ http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20612

Was sollen aber wir Menschen in Deutschland tun, deren Erbe das Verbrechen des Holocaust ist?

  • Zunächst sagen auch wir: redet miteinander! Hört sofort mit jeglicher Gewalt auf beiden Seiten auf! ‚Die Waffen nieder! Alle, sofort!
  • Und von unserer Regierung fordern wir: Kein Export von Waffen – nicht nach Israel! Nirgendwohin!
  • Solidarität: Wir wollen an der Seite der israelischen Friedensbewegung, der jüdischen Menschen bei uns und in der ganzen Weltsagen: „Nicht in unserem Namen!“ Wir lehnen jeglichen Antisemitismus ab, wir stehen ein für das Existenzrecht Israels, aber wir sagen auch: Israel muss das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat anerkennen, die Besetzungen beenden und sofort mit den Kriegsgräueln aufhören!