Redebeitrag zum Sommerbiwak – ein fiktives Gespräch

Marta: Duuu, halooh! Dorothee – wo willst du denn hin? So aufgebrezelt! Das kenn ich doch gar nicht von dir! Aber echt chic!
Dorothee: (verhalten) Oh, Marta, du auch hier?
M. Ja, ich habe gehört, im Stadtpark ist ‘ne schöne Feier! Und Treffpunkt ist am Kröpcke!
D.(lakonisch) Richtig – und Treffpunkt ist am Kröpcke. Allerdings für den Protest gegen das Sommerfest. Du musst da was verwechselt haben.
M: Wie jetzt – ich habe mein schönstes Kleid rausgesucht, einen neuen Schal gekauft – na ja, der Hut ist geliehen – Aber gehört heute ja dazu! Ich sehe doch echt geil aus – oder?
Aber protestieren? Warum soll ich gegen ein Fest protestieren?
D: Was meinst du, wofür die Feier, wofür Musik, schöne Kleider, Feuerwerk und das alles gut sind?
M. Um Spaß zu haben. Ganz genau darum! Ganz tolle Leute sind dabei, Elite, die ich sonst nie zu Gesicht bekomme. Und ich darf dabei sein. Du weißt, mit dem Krieg in Afghanistan habe ich auch so meine Probleme. Aber wenn die feiern, dann schießen sie nicht. Also, Feiern und das Leben genießen“!
D. ! Ja, die hier feiern, damit andere töten können!
M. Oh komm, ey, das glaubste ja selbst nicht!
D. Die Bundeswehr macht Feuerwerk hier! – Glaubst du, in Afghanistan seien die ‚Böller‘ und ‚Raketen‘ zur Freude der ‚Eingeborenen‘ da? Damit sie sich an deren Glanz erfreuen können? Nee, die töten dort, die Raketen und das andere Kriegszeug. Die Drohnen sogar, ohne dass von unseren Jungs und Mädels jemand sterben muss. Das sind die Segnungen der modernen Technik.
M. (verhalten) Ja, die Situation in Afghanistan ist nicht toll. Da sterben Menschen. Unsere und auch unschuldige Menschen. Das ist schon schlimm. Aber Drohnen treffen gezielt, ohne Kollateralschäden. Unsere Leute werden verschont und die zivilen Menschen dort auch. Die Top-Terroristen müssen sterben. Das ist richtig!
D. Dass Drohnen keine Kollateralschäden verursachen, stimmt nicht. Die werden mit einem Joystick von den USA aus gefeuert. Ein ‚Spaßstick‘ feuert die Dinger, – ‚Höllenfeuer‘ genannt – im Auftrag von Friedenpreisträger Obama nach Afghanistan. Menschenjagd durch Geheimdienste!
M. Aber die Taliban sind Terroristen, Islamisten oder was alles. Die wollen Frauen unterdrücken, alles zerstören, die Häuser, die Menschen, jede Tradition und Kultur! Dort und dann auch bei uns. Wir haben eine tausendjährige christliche Kultur! Mindestens! Die muss verteidigt werden! Und die Freiheit sowieso.
D. Am Hindukus ch? Na ja, die Taliban sind keine Waisenkinder! Aber wer hat die aufgebaut: die USA! Und nicht alle Widerstandsgruppen gehören zu den Taliban. Die sind einfach in den Widerstand gegangen, weil ihre Angehörigen getötet wurden. Weil der Westen Krieg führt! Die afghanischen Menschen wollen Frieden, keinen Krieg!
M. Aber die Frauen! Die müssen wir doch schützen! Die Taliban zwingen sie alle unter diese furchtbaren Burkas! Ich meine, für Frieden sind wir doch alle. Und wer tötet denn gerne! Niemand! Aber manchmal muss das eben sein! Wir kämpfen für Frauen, Demokratie, Menschenrechte, Zivilisation, Tradition, Recht und Freiheit….
D. (unterbricht) Bla, bla, bla! Glaubst du das alles? Wir kämpfen für ‚unsere‘ Interessen. Jedenfalls was unsere Regierungen dafür halten. Macht, Rohstoffe, globaler Einfluss. Und den Menschen in Afghanistan geht es immer schlechter – Auch den Frauen!
M. Oh Marta, du bist schon wieder so militant drauf! Du bist so einseitig! Ihr Krawallbrüder und-schwestern macht alles mies und stört überall! Und dabei hatte ich mich so gefreut, dass du mit mir zum Sommerbiwak gehen wolltest. Dass du so sanft geworden bist. So ganz Dame!
D. Sanft? Friedfertig? Ja, waren wir Frauen immer. Oder sollten es sein. Arbeitsteilung: Die einen schießen – die anderen flicken zusammen! Nee, dann lieber nicht ‚friedlich‘. Und Karrierejobs? Ja, Karriere Tod. Ich pfeife auf solch eine Karriere! Schlachtfeldkarriere? Dann doch lieber Krawallschwester!
M Und du als Emanze überlässt die die afghanischen Frauen den Taliban?
D. Frauen müssen selbst für ihre Rechte kämpfen. Überall. Das können wir den Frauen nicht abnehmen. Leider – oder vielleicht auch besser so. Solidarität, ja. Fremdbestimmung: Nein! Herr Karsai von westlichen Gnaden ist mit Korruption, dem Drogenhandel in seinen Reihen und einem Sexualrecht, das Frauen unter die Verfügbarkeit des Mannes stellt, alles Andere als eine demokratische Alternative für Afghanistan.
M. Ach Mensch, was du da alles so sagst! Mir purzelt alles in meinem Gehirnskästle herum. Nee, sowas höre ich doch sonst nirgendwo. Bauh – also nee – Das kann einfach nicht sein! (Verwirrt den Kopf schüttelnd)
Wo doch selbst unser neuer Präsident meint, wir müssten nett zu unseren freiheitlichen, mutigen Helden sein!(Nach einer Pause) Und was ist mit deiner Staffage?
D. Ja, eben Staffage! Um mal so zu zeigen, wie blöd und heuchlerisch das ist. Vornehm für das Sterben werben! Nee, nicht mit uns! Nicht in unserm Namen!
M. Also, weißt du, mir ist nach deinem vielen Gequatsche die Lust am Feiern vergangen. Das schlägt einem ja echt auf’s Gemüt! Gute Nacht – ich geh schlafen! War ja nicht nur blöd. Vielleicht beim nächsten Mal.
D. Und ich geh protestieren! Mit allen hier! Also: vornehme Klamotten in die Tüte! Und los geht’s! Zeigen, was wirklich ist. Auf zum Ball! Spiel mir das Lied vom Tod! (Statt vornehme Klamotten jetzt blutbefleckte Kleidung)