Proteste gegen das Gefechtsübungszentrum Altmark

Nur rund 20 km nördlich von Magdeburg befindet sich eines der modernsten, wenn nicht das modernste „Gefechtsübungszentrum“, kurz „GÜZ“. Im nunmehr dritten Jahr in Folge fand in dessen Nähe vom 17. bis 25. August 2014 das „War Starts Here Camp“ <http://warstartsherecamp.org/en/node/249> statt. Einige Mitglieder des Friedensbüros Hannover haben an der dort eingebetten „Gewaltfreien Aktion GÜZ abschaffen“ <http://www.gewaltfreie-aktion-guez-abschaffen.de/de/> beteiligt.

Was ist das GÜZ?

Das GÜZ ist ein ca. 30 x 15 km großes Naturgebiet mit Wald und einer besonders großen, zentralen Heidelandfläche in Besitz der Bundesrepublik Deutschland, allerdings langfristig verpachtet an eine Rheinmetall-AG-Tochtergesellschaft. Die Rheinmetall AG hat dort ein hochmodernes Kampf-Simulations-Zentrum eingerichtet und stellt dieses gegen Bezahlung deutschen und ausländischen Militärs zur Verfügung.

Auf dem weiträumigen Gelände des GÜZ werden Kriegshandlungen aller Arten geübt und trainiert: Soldat*innen-, Panzer-, Kampfflugzeug- und Drohneneinsätze. Vor allem die so genannte „Aufstandsbekämpfung“, englischsprachig auch als crowd oder riot control bezeichnet, erfährt in den letzten Jahren eine besondere Bedeutung. So gibt es auf dem GÜZ mehrere Dörfer oder Wohnanlagen, die die Häuserkampf-Situation simulieren soll.

Vor allem aber wird in einer als Schnöggersburg bezeichneten Stelle derzeit für rund 100 Millionen Euro eine Geisterstadt aufgebaut, die die militärische Bekämpfung von „Aufständigen“ im Kontext moderner Großstädte geprobt werden soll: Neben Wohn- und Industriegebäuden aller Art, einer Moschee, die wahlweise auch als Kirche umgestaltet werden kann, werden in der Geister-Übungsstadt sogar eine Eisenbahn, eine U-Bahn und ein Flugplatz errichtet, um alle möglichen Szenarien abzudecken.

Es wird angenommen, dass nicht nur ausländische Militärs, sondern auch die Angehörigen der Bundeswehr dort speziell für einen „Einsatz im Inneren“, also für Kämpfe und Kriege und Überwachung der eigenen Bevölkerung ausgebildet werden sollen. Dass letzteres keine übertriebene Sorge ist, darauf deuten die veränderte Haltung des Bundesverfassungsgerichts seit 2012 <http://www.sueddeutsche.de/politik/einsatz-der-bundeswehr-im-inneren-was-sich-mit-der-karlsruher-entscheidung-aendert-1.1443366> aber auch Wünsche und Forderungen seitens einiger Politiker und aus der Rüstungsindustrie <http://www.devianzen.de/2014/08/27/ruestungsindustrie-sh-bundeswehr-im-inneren/> hin.

Sehr informativ und nachhörenswert ist dazu ein Beitrag des Deutschlandfunks vom 20.6.2014 unter dem Titel „Militarisierung für den Wohlstand“:

Text: http://www.deutschlandfunk.de/vorkehrungen-gegen-den-kommenden-aufstand-militarisierung.media.bf29874b871fc2b2c9dd673ba8aef49a.pdf
Audio-Datei: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/06/20/dlf_20140620_1915_83177047.mp3

Die „Gewaltfreie Aktion GÜZ abschaffen“

Unter diesen Vorzeichen stand die gewaltfreie Aktion GÜZ abschaffen dafür, dieser Entwicklung einen im Sinne Mohandas Karamchand Gandhis bzw. Martin Luther Kings ausgerichteten friedlichen Protest entgegenzusetzen. Im gemeinsamen Aktionskonsens <http://www.gewaltfreie-aktion-guez-abschaffen.de/aktionskonsens/> heisst es u.a. klar und deutlich:

„Wir werden das Gelände des Truppenübungsplatzes betreten und uns dort niederlassen. Unsere gewaltfreie Besetzung ist ein Akt Zivilen Ungehorsams. Gesetze, die dazu dienen, den ungestörten Ablauf des Tötungstrainings zu gewährleisten, werden wir bewusst nicht beachten. Durch Verbote und juristische Verfolgung lassen wir uns nicht abschrecken.“

Und weiter:

„Wir streiten für das Leben und eine lebenswerte Zukunft. Daran orientiert sich auch unser Handeln. Wir werden keinen Menschen bedrohen oder verletzen. Wir zeigen Gesicht und begegnen allen Menschen mit Aufrichtigkeit, Respekt und Gesprächsbereitschaft. SoldatInnen, Wachdienst und Polizei sind als Menschen nicht unsere GegnerInnen, auch wenn wir ihr Handeln und ihre Rolle kritisieren. Durch unser Verhalten werden wir dies zum Ausdruck bringen.“

Und so lief es denn auch im wesentlichen ab:

Friedlich und gewaltfrei beschritten mehrere -zig Menschen an drei verschiedenen Tagen den Platz, an dem zu anderen Tagen Töten und Morden trainiert wird, ließen sich dort nieder und erfüllten den so gewonnenen Raum mit Leben, Spiel und Freude. Musik wurde gespielt, dazu gesungen, eine mobile Hebammenpraxis öffnete ihre Türen, Blumen und Getreide wurde gepflanzt, Nistkästen gebaut und aufgehängt. Und das alles in offener Begegnung mit Militär- und Polizeiangehörigen, in der Absicht, diesen in Achtung, frei von Vorwürfen und Vorurteilen und so zu begegnen, dass Angst und Misstrauen möglichst wenig Raum gegeben wird.

Während das „War Starts Here Camp“ in den vergangenen Jahren – aber auch in diesem Jahr erneut – von der lokalen Presse aus der Altmark und aus Magdeburg mit zum Teil falschen Behauptungen und Anschuldigungen in Verruf gebracht und in mancherlei Hinsicht unrichtig diskriminiert und kriminalisiert worden ist, konnten aus dem Camp, aber auch aus der gewaltsamen Aktion heraus erstmalig andere Impulse gesetzt werden, wie z.B. an einem Bericht des MDR zur ersten Besetzung <http://www.mdr.de/mediathek/suche/video217088_zc-485c01ae_zs-d23ba9ff.html> deutlich wird.

Die Bewohner der Dörfer rund um das Zeltcamp machten dennoch einen nach außen hin skeptischen bis zum Teil unfreundlichen Eindruck. Der mutigen Frau, die den Camp-Organisatoren ihre Wiese zur Benutzung überlassen hat, haben Unbekannte eine Drohung an die Häuserwand geschmiert, dass ihr Haus brennen werde. Der Hausgiebel wurde im Rahmen des Camps zu einem bunten und frohen Bild umgewandelt. Hoffentlich, vielleicht ein Zeichen des Wandels, auch vor Ort rund um die Gegend des GÜZ, wo viele Ihre alltägliche Arbeit auf und für das Militärgelände verrichten.