PM: Gedenken an Deserteure am 15. Mai – für eine offene Erinnerungskultur

Herr Katz hat nun doch ein Haar in der Suppe gefunden: Nachdem er nicht mehr widersprechen kann, dass Deserteure im Zweiten Weltkrieg auf dem Gelände der Emmich-Cambrai-Kaserne erschossen worden waren, weist er die Nachfrage nach einem Gedenken nun mit Hinweis auf das „politische“ Datum zurück.

Ein Gedenken an Deserteure des Zweiten Weltkriegs am 15. Mai, dem „Internationalem Tag des Kriegsdienstverweigerers“, ist tatsächlich in einem Sinne politisch, dass wir derjenigen Menschen auf dem Gelände der Emmich-Cambrai-Kaserne gedenken wollen, die sich aus ganz individuellen Motiven der militärische Logik der Wehrmacht widersetzten. Nachdem im Jahr 2009 vom Bundestag auch die letzten von der Militärjustiz Verurteilten rehabilitiert wurden, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass den Opfern der NS-Militärjustiz nun auch in dem Sinne Gerechtigkeit widerfährt, dass ihrer gedacht werden darf. Das muss gerade an dem Ort möglich sein, an dem sie hingerichtet wurden.

Mit seiner Weigerung macht Herr Katz die Veranstaltung erst zum Politikum. Dabei war ihm das Datum von Anfang an aus unserer Anfrage bekannt – ein grundsätzliches Problem teilte er uns nicht mit. Stattdessen verwies er darauf, dass über das Gedenken an die Deserteure das Bundesverteidigungsministerium entscheiden solle. Noch aus seinen Aussagen im Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 8. Mai 2012 erscheint es so, als solle nach einer Überprüfung der Tatsache, dass Erschießungen auf dem Gelände stattgefunden haben, einem solchen Gedenken zugestimmt werden. Nun hat er sich von der Richtigkeit der Aussage überzeugt, wie aus dem Beitrag der HAZ vom 12. Mai hervorgeht, und scheint um eine neue Begründung bemüht.

Drei Jahre nachdem der Deutsche Bundestag die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz abgeschlossen hat, findet die Bundeswehr zumindest in Hannover offensichtlich noch keinen Umgang mit diesem Thema. „Egal wohin, Hauptsache nicht bei uns“ scheint das Credo zu lauten.

Wir wollen der Deserteure des Zweiten Weltkriegs am 15. Mai würdig (!) gedenken. Wir fordern Herrn Katz auf, seine im Beitrag der HAZ (12. Mai) mitgeteilte Auffassung – die uns noch nicht als Antwort vorliegt – zu überdenken und das Gedenken zu genehmigen. Wir werden am 15. Mai um 17.00 Uhr zur Kaserne gehen und gehen davon aus, dass uns das würdige Gedenken ermöglicht wird. Unserem Verständnis nach, sollte es in absehbarer Frist auch möglich werden, dass der Entscheidung des Deutschen Bundestages durch eine Gedenktafel, die an die hingerichteten Deserteure erinnert, an der Hinrichtungsstätte Rechnung getragen wird.

Wir halten das Gedenken am Hinrichtungsort für unabdingbar, um den Hingerichteten späte Anerkennung widerfahren zu lassen. Erfahrungsgemäß sind gerade die Stätten des grausamen Geschehens die Orte, die eindringlich ein Einfühlen in Einzelschicksale ermöglichen.

Wir begrüßen die Entscheidung der Stadt Hannover, auch ein repräsentatives städtisches Gedenken an die Opfer der Militärjustiz ermöglichen zu wollen. Ein Gedenken ist gerade in Hannover notwendig und sollte durch eine repräsentative, künstlerisch angemessene Gedenkinstallation an zentraler Stelle der Stadt erfolgen. Ein städtisches Gedenken, das ausschließlich am Fössefeldfriedhof stattfindet, halten wir für ungeeignet, da erst mit einer Würdigung der Deserteure an einem zentralen städtischen Ort, eine öffentliche Diskussion und Auseinandersetzung ermöglicht wird. Der Friedhof ist demgegenüber ein Ort der Trauer, nicht der Auseinandersetzung mit Desertion, ihren Beweggründen und ihrer Bedeutung. Selbstverständlich ist auch hier eine Sichtbarmachung nötig. Für ein öffentliches Gedenken wäre eine mögliche Option der Waterlooplatz als Verlängerung der Kulturmeile. Der ehemalige Exerzierplatz ist der Ort an dem zahlreiche Militärgerichte und ein Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis ihren Sitz hatten, dort wo Verurteilte ihre letzten Tage vor der Hinrichtung verbrachten. Eine öffentliche Ausschreibung könnte aber auch den Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit eröffnen, sich einen angemessenen Ort für ihre jeweilige Gestaltung zu wählen.

Wir fordern die Stadt auf, eine Lösung zu finden, die einen öffentlichen und zentralen Ort des Gedenkens, der Diskussion und Auseinandersetzung und das Gedenken am Ort der Trauer nicht gegeneinander ausspielt. Vielmehr geht es um ein Gedenkkonzept, dass die bisher vernachlässigten Deserteure als Opfer der Militärjustiz nun angemessen anerkennt. Mit Ideen für eine konzeptionelle und künstlerische Umsetzung hatte sich die Initiative für ein Deserteursdenkmal in Hannover (www.deserteure-hannover.de) an die Stadt gewandt. Als Friedensbüro Hannover und Initiative für ein Deserteursdenkmal erwarten wir eine öffentliche Ausschreibung für ein angemessenes und würdiges Gedenkkonzept und für einen Standort. Wir erwarten, dass alle zu Desertion in Hannover arbeitenden Initiativen hierzu zur Mitarbeit eingeladen werden – eine „Hinterzimmerentscheidung“ mit einigen wenigen Beteiligten halten wir für nicht zeitgemäß und dem Ansinnen einer Rehabilitation von Hannovers Deserteuren widersprechend.