Friedensnewsletter September 2015

Es ist unser aufrichtiger Wunsch, dass alle Nationen der Welt zueinander in friedlichen Beziehungen stehen, die auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründet sind. Um dieses Ideal zu erreichen, verzichten wir, das japanische Volk, für immer auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation. Als Mittel zur Lösung internationaler Konflikte werden wir keinerlei Gewalt androhen oder ausüben.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir von jetzt an niemals wieder Land-, See- oder Luftstreitkräfte und niemals wieder Waffen benutzen, um Menschen im Krieg zu töten. Deshalb werden wir niemals wieder Organisationen mit militärischen Funktionen brauchen. Das japanische Volk erkennt die Behauptung nicht an, dass das Töten von Menschen im Krieg kein Verbrechen ist. Das Recht auf Kriegsführung werden wir dem Staat niemals zuerkennnen.

Japanische Verfassung Artikel 9

Liebe Friedensfreundinnen und-freunde,

die Flucht von Menschen aus Krieg und Armut beschäftigt derzeit uns alle. Flucht kann jedoch nicht ohne den Blick auf Kriegsursachen, Machtpolitik und die zweifelhafte Rolle der Bundesrepublik in diesen Zusammenhang gelesen werden. Die Friedensbewegung beschäftigt sich seit Jahren mit Kriegsursachen und versucht Lösungen anzubieten, die meist ungehört verhallen. Vielmehr ist ein Gegentrend – wieder hin zu einer Normalisierung des Militärischen – zu beobachten und das lokal und global. SO ist die Rede des Ex-Militärs Wilfried Lorenz auf der zentralen Gedenkkundgebung der Stadt Hannover zum Antikriegstag nicht zufällig, in der er militärische Optionen explizit nicht ausschließt – unpassender als an dieser Stelle sind solche Äußerungen kaum denkbar. Besonders hinweisen möchte ich an dieser Stelle auf ein Konzert des Brahms Sextett Hannover. Es spielt am 13.9. in der Dreifaltigkeitskirche (Bödekerstraße 23) um 16.00 ein Benefizkonzert für Flüchtlinge mit Werken von Brahms. Die Spenden gehen zu gleichen Teilen an Pro Asyl und die Nachbarschaftshilfe für Flüchtlinge. Im Blick auf Oktober steht die Neuausrichtung der Atomwaffenkampagne an. Start ist in Hannover. Beim Trägerkreis-Treffen am 9.6.2015 in Köln wurde die Kampagne „atomwaffenfrei.jetzt“ offiziell beendet. Seitdem lag der Fokus auf der bundesweiten Aktion „Hiroshima und Nagasaki mahnen: Unsere Zukunft atomwaffenfrei“. Von dieser Aktion gibt es eine Auswertung am 15.9. in Kassel. Am 8. und 9. Oktober 2015 in Hannover wird mit der Planung einer neuen Kampagne begonnen. Mehr dazu dann im nächsten Newsletter.

Die Themen im Einzelnen

  • Termine
  • Antikriegstag in Hannover – Rede in Walsrode
  • Auseinandersetzung um eine Rede am Antikriegstag in Hannover
  • Wer den Wind sät – Was westliche Politik im Orient anrichtet
  • Büchel 65 – Was ist das und wenn ja, warum?
  • Meister des Todes – der Filmtipp des Jahres (23.9. ARD)

Ralf Buchterkirchen

Für DFG-VK und Friedensbüro Hannover

 PS: Eine layoutete Version findet sich hier

Termine:

13.9. 16 Uhr Benefizkonzert in der Dreifaltigkeitskirche

15.9. um 19 Uhr Aktiventreffen der DFG-VK, kargah

16.9. um 19 Uhr Aktiventreffen im Haus der Jugend

25.9. um 19 Uhr den Friedenspolitischen Stammtisch im Café K

6.10. um 19. Uhr Friedenspolitischer Arbeitskreis im Pavillon.

Antikriegstag in Hannover – Rede in Walsrode
Von Hiltraud Stenzel

Anlässlich des Anti-Kriegstages am 1. September, fand eine Gedenkfeier am Ehrenmal in Hannover statt, wie auch eine Kundgebung in Walsrode An beiden Veranstaltungen beteiligte sich das Friedensbüro. In Hannover protestierten wir stumm mit Plakaten und Flugblättern gegen die Pro-Militärische Ausrichtung durch den Verband Deutscher Kriegsgräberfürsorge und ihrem Vorsitzenden Wilfried Lorenz. In Walsrode erinnerten wir u.A. mit einem Redebeitrag an erkennbare Parallelen zwischen dem Beginn des 2. Weltkriegs und heutiger militärischer Aufrüstung bei gleichzeitiger Beschwörung eines gefährlichen Gegners im Osten.

Hierzu habe ich folgende Rede gehalten:

Am 1. September 1939 sind deutsche Truppen in Polen einmarschiert. Das war der Beginn des 2. Weltkriegs. Dieser Krieg war von Hitler waffentechnisch von langer Hand geplant und er war propagandistisch gegen den Feind im Osten entsprechend vorbereitet worden. Nach unserer totalen Niederlage haben Generationen von Politiker-Innen beteuert: „Nie wieder soll Krieg von deutschem Boden ausgehen“. Dennoch, heute ist die deutsche Bundeswehr die ‚Speerspitze der NATO in Europa‘, so der offizielle Name!

Betrachten wir die Fakten: An der Nato-Ostgrenze, verteilt auf die 6 Standorte: Litauen, Lettland, Estland, Polen, Bulgarien und Rumänien, werden dauerhafte Stützpunkte der ‚Superschnellen Eingreiftruppe‘ errichtet, mit der Beteiligung von 4000 deutschen Soldaten. Deutschland übernimmt Ausbildung, Kosten und Führung der hochspezialisierten Kampftruppen, genannt ‚Nato-Speerspitze‘. Angestrebt wird eine Mobilisierung in 10 Tagen. Diese Stützpunkte allein können von Russland als eine bedrohliche Provokation und Einkreisung verstanden werden. Wie schnell kann es da zu einem ‚Zwischenfall‘ kommen, zumal einige der ehemaligen Satellitenstaaten ständig von einer Bedrohung durch Russland sprechen und nicht genug an militärischer Präsenz bekommen können! Man gewinnt den Eindruck, sie warten nur auf einen Anlass, bzw. manche fordern offen, dass NATO-Truppen gegen Russland vorgehen.
Eine weitere gefährliche Entwicklung liegt in der großen Zahl der diesjährigen NATO-Manöver. Sie finden mit erschreckend realistischen Aufgabestellungen statt, manchmal nur 300 m von der russischen Grenze entfernt. 1000 US-Panzer wurden an die Nato-Ostgrenze verlegt. 16 US-Kampf-Jets, mit Raketen bestückt, proben mit 270 Alarmstarts und 3000 taktischen Starts den Ernstfall. Russland testet ebenfalls seine Luftwaffe. Deutschland beteiligt sich mit Truppen und mit der Entsendung von 200 Rad-Panzern nach Polen. Jeden Tag gibt es Meldungen darüber in der Presse, als plane Russland den Einmarsch in ein Nato-Land. Das entbehrt jedoch jeder Grundlage! Eine ‚Bedrohungslage im Osten‘ wird künstlich erzeugt.

Geht es den Nato-Verbündeten wirklich nur um Abschreckung oder wird ein Angriff vorbereitet? Tatsache ist: Es findet wieder ein hochgefährliches Wettrüsten zwischen Ost und West statt. Und Deutschland unterstützt diese Entwicklung maßgeblich, mit Geld, mit Waffentechnik und mit Soldaten. In Ramstein, befindet sich das Hauptquartier und Befehlszentrum der europäischen Nato-Luftwaffe. Von hier aus führen die USA auch ihren Drohnen-Krieg.In Büchel lagern immer noch 20 US Nuklear-Sprengköpfe, die laut Bundestagsbeschluss von 2010 samt der Stationierung von US-Soldaten aus Deutschland abgezogen werden sollten. Von Abzug ist heute nicht mehr die Rede. Jetzt wird mit deutscher Kooperation an einer Neustationierung lenkbarer Atom-Bomben und modernisierter Trägersysteme gearbeitet.
Wie ist das möglich? Wie geschichtsvergessen sind unsere Politiker-Innen?
Blicken wir ein paar Jahrzehnte zurück. Obwohl sein Land in 2 Weltkriegen von Deutschen Truppen angegriffen und verwüstet worden ist, ermöglichte der russische Präsident Michael Gorbatschow die Wiedervereinigung des deutschen Ost- und Weststaates. Er verband dies mit der Hoffnung auf ein geeintes und tolerantes Europa bis zum Ural. Seine einzige Bedingung war: Keine Osterweiterung der NATO an den Grenzen Russlands! Dieses Versprechen ist längst gebrochen worden. Mittlerweile sind 12 früher zum Ostblock gehörende Länder der Nato beigetreten. Deutschland, als Hauptprofiteur ehemaliger Entspannungspolitik, ist, ohne angegriffen zu sein, zur „Nato-Speerspitze“ geworden und diese ist wieder gegen Osten, gegen Russland gerichtet. Wenn man all diese Fakten im Zusammenhang betrachtet, muss man da nicht zwingend Vorbereitungen auf einen Krieg erkennen?
Alle jene, die sich über die neue, militärische Bedeutung Deutschlands freuen, vergessen, dass unser Land auf Grund seiner militärischen und strategischen Rolle, egal wie stark die NATO ist, wichtigstes Ziel in einem künftigen Krieg sein wird. Und diesmal werden wir gründlich vernichtet werden.
„Habt ihr das gewollt? War das den Einsatz wert?“, werden uns die Überlebenden fragen, so wie wir unsere Eltern und Großeltern gefragt haben.
Gegen den Krieg zu sein, heißt heute:

  • für nukleare und konventionelle Abrüstung zu kämpfen
  • wieder eine Entspannungs- und Verständigungspolitik zu betreiben, mit der die deutschen Politiker Willy Brandt und der gerade verstorbene Egon Bahr in den 80-er Jahren erfolgreich den Fall des ‚Eisernen Vorhangs‘ und die Wiedervereinigung Deutschlands herbeigeführt haben.
  • den Waffenexport vollständig zu beenden

Wir fordern einen pazifistischen Weg in der deutschen Politik. Wir sind gegen eine Politik der Abschreckung durch militärisches Wettrüsten!

 

Gedenken am Antikriegstag – Bemerkungen zu einer Debatte
Von Ralf Buchterkirchen(www.verqueert.de)

Wenige Tage vor dem 1.9. wurde bekannt, dass sich die DFG-VK gegen die Rede (http://verqueert.de/dokumentiert-pm-zum-antikriegstag-hannover/) des Ex-Militärs, Kreisvorsitzenden des Bundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) und Bundestagsabgeordneten Wilfried Lorenz als einem Hauptredner auf der zentralen Kundgebung der Stadt Hannover ausspricht. Die Reaktionen waren intensiv, sicherlich auch dem Sommerloch geschuldet. In mindestens sechs Beiträgen widmete sich die Lokalpresse dem Thema. Im Folgenden möchte ich die medialen Reaktionen kurz diskutieren.
Vorab: Wir – als Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Hannover – kritisierten den Auftritt von Lorenz, weil er als Militär, der bisher nie durch friedenspolitische Akzente aufgefallen ist, als Redner zu den Veranstaltungen zum Weltfriedenstag ungeeignet ist. In der Vergangenheit fiel Lorenz gar gerade dadurch auf, dass er militärische Interventionen befürwortete. Wir lehnten ihn also nicht ab, weil er in der CDU oder im VDK aktiv ist. Unterstützt wurde unsere Kritik von Linken und Grünen im Stadtrat.
Für die Kritik wurden wir verbal scharf attackiert. Der von SPD und CDU vorgetragene Hauptvorwurf war, dass Lorenz demokratisch gewählt sei und er deswegen reden dürfe, wo er wolle; alles andere entspräche einem fragwürdigen Demokratieverständnis. Lorenz selber – so verkündet er in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 26.8. – beschwert sich, dass nicht mit ihm gesprochen worden sei – das sei, so Lorenz, „kennzeichnend für Menschen, die anderen den Mund verbieten wollen.“ Im Internet nennt man die Strategie, der sich Lorenz bedient, Derailing (das Gleis wechseln). Mit der Forderung, dass vor einer Kritik mit einem Bundespolitiker gesprochen werden müsse (oder er gar gefragt werden solle), verschiebt sich die Linie der Aushandlung. Erfolgreich schafft es Lorenz so, in eine Opferrolle zu schlüpfen und zu verhindern, dass eine Debatte über die eigentliche Kritik – er ist ungeeignet, weil Militär – stattfindet.

Rolf Wernstedt geht in der HAZ vom 27.08. noch einen Schritt weiter und rechnet gleich komplett mit der Friedensbewegung ab. Der Vorwurf: Es gäbe so etwas wie einen naiven Pazifismus. Wer prinzipiell keine Waffe in die Hand nehme, müsse akzeptieren, dass Völkermord geschehe (HAZ vom 27.08.2015). Da ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Aussage das Pazifistinnen und Pazifisten an Auschwitz schuld seien. Damit outet sich der ehemalige Landtagspräsident und SPD-Politiker als erklärter Gegner der Friedensbewegung. Es hatte mit der Kritik keinen Anlass für einen solchen Rundumschlag gegen die Friedensbewegung gegeben. Niemand hatte gefordert, dass nur ausgewiesene Pazifist_innen – wie sie auch immer dies zu definieren wären – reden sollten. Es gab nur die Forderung den ausgewiesenen Militär nicht am Antikriegstag reden zu lassen.
Den Höhepunkt setzte eine Facebookmeldung der CDU vom 26.8. Dort heißt es: „Müsste nicht die DFG-VK als Kriegsversteher am Antikriegstag ausgeladen werden, weil sie völkerrechtswidrige Kriegshandlungen rechtfertigt?“ Als Begründung zieht die CDU-Facebooker_in ein Zitat auf der Homepage der DFG-VK heran, auf der der renommierte Friedens- und Konfliktforsche Andreas Buro in einem Artikel, die Lage in der Ukraine analysiert und den Istzustand beschreibt („Russland versucht mit seiner Annexion der Krim und deren wichtigsten Kriegshafen Sewastopol, sowie mit seiner massiven Unterstützung von separatistischen Enklaven (Anmerkung: in der Ukraine) die Expansionspolitik des Westens offensiv zu beenden.“). Es muss sicher nicht erwähnt werden, dass die Christdemokraten den Rest des Zitats weggelassen haben. Deshalb füge ich es hier an: „Wir sagen, friedliche Zusammenarbeit zwischen West und Ost sind notwendig, möglich und dienen allen. Helfen wir, damit die Ukraine zur Brücke zwischen West und Ost wird. Erst so entsteht für die Ukraine und ihre heterogene Gesellschaft Freiraum für eigenständige demokratische Entwicklung und wirtschaftliche Konsolidierung.“ Mit Verleumdung versucht die CDU vom Thema abzulenken, von der Kritik, dass ein Militär zur Veranstaltung am Weltfriedenstag sprechen soll.
Es ist nach wie vor unsäglich, dass am Tag, der an den Beginn des Zweiten Weltkrieges erinnern soll, am Tag, der weltweit als der zentrale Fixpunkt der Sehnsucht und des politischen Streitens nach Frieden begangen wird, dass an diesem Tag ein ausgewiesener Freund militärischer Lösungen das offizielle Gedenken der Stadt Hannover darstellt. Ich glaube nicht, dass Frieden herbeigebombt werden kann. Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Eine Auseinandersetzung mit der Rolle des Militärischen hätte der Debatte um den 1. überhaupt September gut getan. Die geführte Scheindebatte (die nebenbei keine Debatte ist) um nicht Gesagtes, hilft nicht weiter.

PS: Noch ein Nachtrag zur eben gehaltenen Rede von Lorenz. Es war wenig Inhaltliches war zu hören, vielmehr eine Ansammlung von Allgemeinplätzen. Erst am Ende der Rede, kam Abgeordneter Lorenz – völlig unpassend zum Anlass – auf die Kritik an ihm zu sprechen. Er war für militärische Optionen als Mittel der Politik von Staaten, da nur diese Völkermord verhindern könnten, im Gegensatz zum Handeln von Individuen. Zudem betonte er mehrfach, dass es Soldaten gewesen seien, die die Befreiung vom Nationalsozialismus herbeigeführt haben. Dass es aber auch Soldaten waren, die den Krieg begannen – deutsche Soldaten – verschweigt er.

PS: Und von der HAZ (1.9.) als radikale Pazifisten bezeichnet zu werden… Dankeschön!

 

Wer den Wind sät – Was westliche Politik im Orient anrichtet

Im ‚Friedenspolitischen Arbeitskreis‘ für den Monat September haben wir uns mit einer Veröffentlichung v. Michael Lüders auseinander gesetzt: ‚Wer den Wind sät – Was westliche Politik im Orient anrichtet‘.
Der Autor konstatiert in seiner Veröffentlichung einen Krisenbogen mit Krieg, Staatszerfall, Stagnation und Gewalt von Afghanistan, über Syrien bis Tunesien. Ein gewagtes Unternehmen, in einem Taschenbuch von 174 S. zu fundierten Aussagen zu kommen. Aber es gelingt. Und gerade in der gegenwärtigen Situation, in der Tausende von Menschen, vor allem aus Syrien, zu uns kommen, zeigt der Autor auf, dass es nicht ausreicht, IS und Assad immer wieder anzuklagen, sondern ‚unsere‘ Rolle, die Rolle des Westens näher zu beleuchten. Wir wollen und müssen geflüchteten Menschen bei uns helfen, aber wir müssen uns auch mit den Fluchtursachen beschäftigen!
Lüders‘ Hauptthesen lauten: Der ‘Westen‘ (USA, EU-Staaten, nicht zuletzt Deutschland) hat an Krieg und Krisen im arabischen Raum kräftig mitgewirkt. Das vorrangige westliche Interesse kennzeichnet Lüders so: Ausschaltung, Schwächung und Kleinhalten geopolitischer Widersacher, Zusammenarbeit mit Staaten, die westliche Interessen berücksichtigen oder sich als nützlich für deren Interessen darstellen: ‚The West Is Best‘.
Das wird gleich zu Beginn des Buches in Bezug auf den Putsch in Teheran verdeutlicht: Als 1953 die demokratisch gewählte Regierung gestützt und durch die Schahherrschaft ersetzt wurde, ging es vor allem um Öl (BP; Royal Dutch) und die Angst vor der Verstaatlichung der Erdölindustrie (ca. 90 % europäischen Erdöls kamen aus den Iran). Bereits hier das immer wiederkehrende Grundmuster: Dämonisierung des Gegners, Errichtung von US-Militärstützpunkten, die Religion wird Sammelbecken der Unzufriedenen.
Inzwischen ist die Situation in der gesamten arabischen Welt dramatisch. Staaten zerfallen, leiden unter mörderischen islamistischen Milizen (Libyen, Syrien, Jemen, Libanon, Sudan) oder erstarren in Autokratie (Ägypten, Golfstaaten). ‚Arabischer Frühling‘ als Versuch, politische Veränderungen gegen Machtdynastien zu erzwingen, scheint vorläufig gescheitert, der IS ist überall. Das Ziel des Westens bei missliebigen Regierungen ist ein Regimechange, sonst drohen direkte oder indirekte Militärinterventionen. Kriege werden vorwiegend mit Söldnern und Drohnen geführt, und Deutschland spielt mit: „Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen.“, so formuliert es Gauck.
In Syrien haben wir gegenwärtig die Grundsituation von Krieg und Zerstörung: eine konfessionelle Diktatur ersetzt andere > erneute Massaker, erneute Gräuel. Kaum vorhandene Zivilgesellschaft, tragfähiges Bürgertum noch weiter zerstört. Dabei hat der westliche Versuch Assad zu stürzen, den IS stark gemacht. Flüchtlinge, Zerstörung und Tote sind nicht allein Assad zuzuschreiben. Ein Sturz Assads würde vermutlich den IS an die Macht bringen. Der Bürgerkrieg in Syrien ist auch ein globaler Stellvertreterkrieg. Den Preis zahlen die Zivilist_innen.
Die Hälfte der Bevölkerung ist auf der Flucht – die meisten sind Binnenflüchtlinge, andere leben in benachbarten Staaten, Wenige kommen zu uns – auch wenn das aus ‚unserer‘ Perspektive anders erscheint. Helfen wir ihnen anzukommen – aber setzen wir uns gleichzeitig für Ursachenbekämpfung ein – es ist dringend notwendig.

 

Büchel 65 – Was ist das und wenn ja, warum?

Am 16. Juli hatten wir Ernst-Ludwig Iskerius vom IPPNW eingeladen zu einem Vortrag zu der Aktion „Büchel65“, die in diesem Jahr 65 Tage lang dort vor Ort durchgeführt wurde.

In Büchel sind immer noch 20 Atombomben der USA gelagert (in ganz Europa gibt es noch 160). Diese gefährlichen Überreste des Kalten Krieges sind weitgehend aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit verschwunden. Vor kurzem hieß es in der Presse: „Rußland droht mit Modernisierung seiner Atomwaffen“. Dabei wurde meist nicht erwähnt, dass dem voranging, dass die USA mitteilten, dass sie ihre Atomwaffen in Europa „modernisieren“ wollen.

Was heißt hier Modernisierung? Statt einfacher Bomben, die von Flugzeugen (mit deutscher Besatzung! – dafür üben die dort stationierten Bundeswehreinheiten) abgeworfen werden, sollen dann lenkbare Raketen zur Verfügung stehen, die mit unterschiedlicher Stärke ausgestattet sind. Das ist jedoch keine einfache Modernisierung, sondern eine grundsätzliche Veränderung: In früheren Jahren dienten Atomwaffen der Abschreckung: Wir haben so schreckliche Waffen – also greift uns nicht an. Diese Waffen wirkten also ohne eingesetzt zu werden. Unsere Proteste gegen die angebliche Nachrüstung Anfang der 80ger richteten sich schon gegen die Veränderung, dass man durch „Enthauptungsschläge“ den Krieg wieder führbar machen wollte.

Mit der neuen Generation von Atomwaffen verändert sich die Lage total: Der Atomkrieg ist wieder eine denkbare Realität. Es werden keine Bomberbesatzungen mehr durch die eigenen Bomben gefährdet, kleine und große Bomben oder vielmehr Raketen werden auf ausgesuchte Ziele gelenkt – eine grausame Vorstellung! Aus politischen Waffen sind so taktische und <strategische Waffen geworden. Das widerspricht jedoch dem INF-Vertrag, der taktische Waffen verbietet. Nach dessen Regelungen kann dieser jetzt gekündigt werden.

Wie stellt sich nun die Bundesregierung zu diesen Plänen? Sie protestiert nicht gegen diese Pläne, Deutschland zum Ausgangspunkt eines Krieges zu machen, sondern 200 – 300 Mio. € für die Umrüstung der beteiligten Bundeswehrverbände zur Verfügung. Damit verstößt sie gegen den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26.3. 2010, der den Abzug aller Atomwaffen von deutschem Boden verlangte.

Diese gesteigerte Kriegsgefahr ins öffentliche Bewußtsein zu rücken, war das Hauptziel der Blockaden in Büchel. Für mehr als 2 Monat hatten sie Initiativen aus dem ganzen Land eingeladen, den Protest vor die Kaserne in Büchel zu tragen. Jeweils kleine Gruppen von 6 – 10 Menschen übernahmen einen Tag, auf sehr unterschiedliche Weise, mal nur mit Plakaten, dann wieder mit Musik oder einem richtigen Straßenfest. Damit wirkten Sie auch in ihre Heimatorte zurück, indem zuerst vor Ort Mitstreiter gesucht wurden, später über örtliche Zeitungen über die Aktion berichtet wurde. Daraus ergab sich eine breite Streuung des Protestes, auch wenn er an einem Ort stattfand. Und es ergaben sich Verbindungen zwischen verschiedenen Gruppen, auch darüber, dass sie sich konkret mit den örtlichen Betreuern abzustimmen hatten.

Nachdem uns so die Notwendigkeit und das Konzept der Protestaktion klar geworden ist, kann ich mir gut vorstellen, dass wir in Zukunft auch einen Beitrag dazu leisten – sehen wir uns nächstes Jahr in Büchel?

Und wir überlegten andere Aktionsmöglichkeiten. Am 30.10. wollen wir uns an der Aktion „Weltspartag – sparen wir uns die Atombomben“ beteiligen – da suchen wir noch „Mitmacher“, außerdem wollen wir hier zuständige Bundestagsabgeordnete einladen zu der Frage, was sie für die Durchsetzung des Beschlusses von 2010 tun.

Meister des Todes

Deutsche Waffen tauchen in vielen Krisengebieten der Welt auf, entgegen den angeblich restriktiven staatlichen Kontrollmechanismen. Im Zentrum der Anschuldigungen stehen die deutschen Waffenfirmen.

Der Thriller „Meister des Todes“ greift diese Thematik auf und erzählt von einer solchen Firma. Die Geschichte des Films ist fiktiv, wenn auch inspiriert von aktuellen Recherchen.

Die Grundlage des Films bilden die umfangreichen Recherchen des Regisseurs Harrich. Jürgen Grässlin von der DFG-VK und einer der Sprecher der Aktion Aufschrei trug als Fachberater zum Gelingen des Filmes bei.

Das Erste zeigt „Meister des Todes“ im Rahmen des Themenabends Deutsche Waffenexporte am 23.09.2015 um 20:15 Uhr

Netzwerk des Todes

Das Enthüllungsbuch zum TV-Ereignis „Tödliche Exporte“

Die Skandale zum deutschen Handel mit der tödlichsten Waffengattung unserer Zeit, den Kleinwaffen, finden kein Ende. Wie kommen deutsche Waffen in so großem Umfang immer wieder in die Hände verbrecherischer Regime, brutaler Paramilitärs und rivalisierender Bürgerkriegsparteien? Auf der Spur dunkler Geschäfte folgen Daniel Harrich, Jürgen Grässlin und die Journalistin Danuta Harrich-Zandberg dem Weg der Waffen in die Krisenregionen dieser Welt. Anhand umfassender Recherchen belegen sie, wie diese fragwürdigen Waffenlieferungen zustande kommen, und entlarven die Hintermänner.

Ein Politthriller, wie ihn nur die Wirklichkeit hervorbringt. Die Hintergründe des schmutzigen Geschäfts mit deutschen Waffen – mit sensationellen neuen Erkenntnissen und bisher unveröffentlichten Beweisen.

Weitere Angaben
Paperback, Klappenbroschur, ca. 272 Seiten, 13,5 x 20,6 cm
ISBN: 978-3-453-20109-5; Heyne Verlag, München 2015