Friedensnewsletter Hannover September 2017

Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, unter keinen Umständen jemals Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper zu entwickeln, zu erproben, zu erzeugen, herzustellen, auf andere Weise zu erwerben, zu besitzen oder zu lagern.
Verpflichtungserklärung aus dem Abschlussdokument der Konferenz der Vereinten Nationen zur Aushandlung einer rechtsverbindlichen Übereinkunft zum Verbot von Kernwaffen mit dem Ziel ihrer vollständigen Beseitigung, 7.Juli 2017

Liebe Friedensfreundinnen und-freunde,

das Sommerloch ist vorbei, der September wird wieder ein spannender Monat. Gleich morgen, am Antikriegstag werden wir mit eigenen Aktionen diesen wichtigen Tag thematisieren, am 14. 9. werden wir mit Bundestagsabgeordneten, bzw. denen, die es werden wollen, öffentlich über Frieden, Welthandel und Flucht diskutieren. Aber auch ein anderes Thema beschäftigt uns. 30 km von Hannover entfernt steht das zentrale Luftdrehkreuz der NATO. Von Wunstorf aus werden weltweit Soldaten und Waffen verschickt. Wir wollen die Schließung dieses Standortes. Dazu hat die DFG-VK eine Kampagne gestartet. Eine Strategie der Militärs ist es, Geschichte für sich zu vereinnahmen und damit auch ein öffentliches Gedenken zu verhindern. Am 8.9. will die Bundeswehr auf dem nicht der Öffentlichkeit zugänglichen Gelände des Fliegerhorstes einen Gedenkstein, der an die Bombardierung Gernikas erinnert aufstellen. Dagegen wenden wir uns mit eigenen kreativen Gegenaktionen. Am 8.9. werden wir die Oswald-Boelcke-Straße umbenennen und in Gernikastraße umbenennen. Unterstützt werden wir dabei u.a. vom DGB Chor Hannover. Auch der in Bilbao ansässige baskisch-deutsche Kulturverein BASKALE unterstützt die Aktion. Aktuelle Infos und Hintergründe gibt es beim AK Regionalgeschichte (https://ak-regionalgeschichte.de/mehr/). Aber nicht nur Termine sollen im Fokus dieses Newsletters stehen. Die Waffenfirma Heckler & Koch hat aufgrund des Druckes der Friedensbewegung ihre Exportstrategie geändert und ihren Geschäftsführer abberufen. Über einen Opferfonds wird diskutiert. Darüber und mehr berichtet Jürgen Grässlin von der DFG-VK und dem Rüstungsinformationsbüro.

Das war es erst einmal für heute, wir wünschen spannende Lektüre und sehen uns hoffentlich bei den Veranstaltungen

Die Themen in Einzelnen:

 

Protest gegen die Vereinnahmung der Opfer der Bombardierung Gernikas durch die Bundeswehr, Straßenumbennung angekündigt.

8.9.2017, 12 Uhr, Wunstorf

Zur geplanten Gedenksteinlegung für die Opfer der Bombardierung Gernikas durch deutsche Bomber, ausgebildet und stationiert in Wunstorf, die am 8.9.2017 stattfinden soll, erklären die Sprecher_innen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Hannover:

Am 8. September 2017 will die Bundeswehr, unterstützt von der Stadt Wunstorf, auf geschlossenem Gelände und unter kirchlichem Segen einen Gedenkstein aufstellen, der an die Bombardierung Gernikas erinnern soll. Damit scheint erstmals auch das Militär die historische Rolle anzuerkennen, die der Fliegerhorst Wunstorf bei der Zerstörung Gernikas und der Testung großflächiger Stadtzerstörung für ähnliche Angriffe im Zweiten Weltkrieg gespielt hat. Seit Jahren verhindern Stadt Wunstorf und Militärführung die Aufarbeitung der Rolle des Fliegerhorstes Wunstorf bei der Zerstörung Gernikas und ein angemessenes Gedenken und Mahnen der Opfer. Stattdessen erinnert weiterhin die Oswald-Boelcke-Straße an die Fliegereinheit, die mitverantwortlich für Kriegsverbrechen wie die Bombardierung Gernikas, aber auch von Łomża, Warschau und Coventry ist und bagatellisiert eine JU52-Ausstellung die Rolle dieses Flugzeuges als tausendfachen Todbringer.

Noch immer existiert im öffentlichen Raum kein Ort des Erinnerns – und ein solcher Ort ist weiterhin nicht vorgesehen!

Die Bundeswehr und die Stadt Wunstorf wollen mit der Gedenksteinlegung einen symbolischen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung setzen. Er dient damit praktisch nur der Selbstrechtfertigung und legitimiert durch seinen Standort indirekt die aktuellen weltweiten Militär- und Kampfeinsätze, die ohne die logistische Unterstützung aus Wunstorf nicht geleistet werden könnte. Mit der Setzung des Steines an diesen Ort, an dem selbst heute noch gezielt Kriegsunterstützung geleistet wird, werden die überwiegend zivilen Opfer der deutschen Bomberpiloten erneut verhöhnt. Das wird auch aus Presseresonanz in Gernika deutlich.

Wir fordern:

  • Einen Gedenkort im öffentlichen Raum, der an die Bombardierung Gernikas und die Rolle des Fliegerhorstes Wunstorf erinnert!
  • Die Umbenennung der Oswald-Boelcke-Straße bzw. Boelckestraße in Wunstorf und Hannover!
  • Schließung des Fliegerhorstes Wunstorf – keine militärischen Einsätze weltweit – Militär schafft keinen Frieden!

Wir als Friedensbewegung wenden uns gegen diesen Akt der Vereinnahmung der Opfer deutscher Bomber zur Legitimierung weltweiter Einsätze. Daher werden wir – gemeinsam mit dem AK Regionalgeschichte – am 8. September 2017 um 12 Uhr symbolisch die Oswald-Boelcke-Straße in Wunstorf in Gernikastraße umbenennen.

Mit einer Kampagne die die Forderung nach einer Schließung des Militärstandortes Wunstorf zum Ziel hat, werden wir uns auch in Zukunft zu Wort melden und für friedliche Konfliktlösungen und gegen die Nutzung einer militärischen Option eintreten.

 

DFG-VK kündigt Kampagne gegen Fliegerhorst Wunstorf an

Auf der routinemäßigen Mitgliederversammlung hat die Ortsgruppe Hannover/Braunschweig der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) ihre Schwerpunkte für die nächsten zwei Jahre festgelegt. Sie zielen zentral auf den Fliegerhorst Wunstorf, in seiner aktuellen und historischen Dimension.

„Der Fliegerhorst Wunstorf ist heute die zentrale Drehscheibe in Mitteleuropa für weltweite Militäreinsätze. Von hier werden militärische Eingriffe in der ganzen Welt durchgeführt“, so Brunhild Müller-Reiß, eine der SprecherInnen der DFG-VK Hannover. „Für den Militärtransporter A400M wurde für fünfzig Millionen Euro die Landebahn erweitert, der gesamte Umbau wird am Ende fast eine halbe Milliarde Euro gekostet haben. In Zukunft wird militärischer Nachschub über das nahe Hannover gelegene Wunstorf gehen“, schließt sie an.

Ralf Buchterkirchen, ebenfalls Sprecher_in, ergänzt: „Krieg beginnt hier. Wir wollen nicht, dass aus der Region heraus die militärische Logik von Macht und Gewalt exportiert wird. Hier sehen wir uns als Friedensbewegung in der Verantwortung“.

Mit öffentlichen Aktionen und Informationsveranstaltungen wollen die Friedensaktivist_innen auf die in der direkten Umgebung gelegene Militärbasis und ihre Risiken für den europäischen und weltweiten Frieden aufmerksam machen und zum Protest anregen.

Scharf greifen die Aktivist_innen zudem die Vergangenheitsbewältigung der Bundeswehr an. Dass gerade von diesem historisch schwer belasteten Militärgelände wieder Krieg ausgehen soll, empört. Hier wurden die Geschwader ausgebildet, die später Gernika (span. Guernica), Coventry und Warschau angegriffen haben. Eine öffentliche Auseinandersetzung dazu erfolgt bis heute nicht, stattdessen hält die Stadt Wunstorf noch immer daran fest, mit einer eigenen Straße die Kriegsverbrecher des Geschwader Boelcke zu ehren. Hier ist Aufarbeitung und Auseinandersetzung dringend nötig – und gilt es, sich endlich von den Kriegsverbrechen der Wehrmacht zu distanzieren. Die DFG-VK Hannover wird immer wieder Proteste unterstützen, die Aufarbeitung einfordern und die Schließung des Fliegerhorstes Wunstorf fordern.

 

Erste Gedanken und Medienauswertung zur 3. Ordentlichen Jahreshauptversammlung der Heckler & Koch AG am 15. August 2017 in Sulz-Glatt

++ Wende bei Heckler & Koch zeichnet sich ab – großer Erfolg der Friedensbewegung! ++ Zukünftig ausschließliche Belieferung „grüner“ Länder nach Demokratie-, Korruptions- und Menschenrechtskriterien zugesagt ++ Kritische Aktionär*innen stellen 100 differenzierte Fragen, die beantwortet werden ++

Liebe Friedensfreund*innen, diesen allerersten Gedanken wird eine umfassende und differenzierte Auswertung folgen – zumal viele von uns bei der Heckler & Koch-Hauptversammlung (H&K HV) protokolliert haben und der H&K-Vorstand sich auf unser Drängen hin verpflichtet hat, die Antworten der Verwaltung auf unsere rund 100 Fragen <!> schriftlich zu protokollieren und uns zuzusenden. Mit dem Erwerb von insgesamt zehn H&K-Aktien (der 5000 auf dem freien Markt theoretisch erwerbbaren – bei einem Gesamtaktienbestand von 21 Millionen H&K-Aktien) wurde sieben kritischen Aktionär*innen – erstmals – ermöglicht, persönlich an der H&K HV teilzunehmen. Zudem regelte unser Büroleiter des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.), Stephan Möhrle, die Medienkontakte vor Ort.

Was wir bei der HV erlebt haben, kann schlichtweg in weiten Teilen als positive Überraschung bezeichnet werden. Denn nach 30 Jahren der harten Konfrontation (mit zahlreichen gewaltfreien Aktionen, mehrfachen juristischen Auseinandersetzungen,  u.v.a.m.) zeichnet sich mit dem neuen Vorstand und Aufsichtsrat von Heckler & Koch die Chance zur kritischen Kommunikation ab – worüber wir nochmals ausführlicher berichten werden.

In aller Kürze sei gesagt: Heckler & Koch wickelt noch Altaufträge ab (z.B. Indonesien, Malaysia, VAE, Türkei) – schlimm genug und folgenschwer. Ab jetzt gilt die neue Strategie, dass ausschließlich „grüne“ Länder der NATO, NATO-assoziiert und EU-Staaten beliefert werden (nach Demokratieindex, Korruptionsindex und unter Beachtung von Menschenrechtsfragen) – ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings erhalten z.B. die USA weiterhin H&K-Kleinwaffen – was angesichts der Lage im Land und der US-Außenpolitik problematisch ist. Wir werden also diese Vorgänge sehr genau beobachten und kritisch begleiten.

Das aber bedeutet zugleich: Alle Staaten des Nahen und Mittleren Ostens (auch der NATO-Partner Türkei und auch Saudi-Arabien) und auch beispielsweise alle Staaten Afrikas werden nicht mehr mit Kriegswaffen von H&K beliefert. Die bislang sehr profitable H&K-Dependance in Saudi-Arabien wurde bereits aufgelöst. Damit setzt sich Heckler & Koch – Deutschlands tödlichstes Unternehmen gemessen an den Opferzahlen – an die Spitze der deutschen Waffenschmieden, die die Rüstungsexportkontrolle von sich aus verschärfen. Diese Linie ist härter und konsequenter als die freizügige Rüstungsexport-Genehmigungspolitik der Bundesregierung. Heckler & Koch reagiert damit auf den Jahrzehnte währenden Druck der Friedensbewegung – was für ein Zwischenerfolg, wir kommen voran!!!

Und Laut Vorstand und Aufsichtsrat werden sich H&K-Gremien mit unserer Forderung nach einem H&K-Opferfonds beschäftigen…

Herzlichst; Jürgen Grässlin, DFG-VK, RIB, Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!, Kritische Aktionär*innen

Update: 30.08.2017

IMMENSER ERFOLG DER FRIEDENSBEWEGUNG

++ AR-Vorsitzender John sichert Rüstungskritikern Fortführung der Grüne-Länder-Strategie zu – keinerlei neue Waffenlieferungen außerhalb NATO/EU ++ Deutlich restriktivere Rüstungsexportpraxis als die der Bundesregierung ++ Bestätigung aller auf H&K-Hauptversammlung getroffener Zusagen ++ Alle Antworten der 110 Fragen kritischer Aktionär*innen der Hautversammlung werden schriftlich zugesandt ++ Der H&K-Aufsichtsrat wird den Antrag auf Gründung eines Opferfonds ernsthaft diskutieren ++

„Die Personalveränderung mit der Abberufung des H&K-Vorsitzenden Norbert Scheuch habe keinerlei negative Auswirkungen auf die strategische Neuausrichtung von Heckler & Koch. Die rein personenbezogene Entscheidung bewirke nicht, dass die neue Strategie der ausschließlich ‚grünen‘ – mit Kriegswaffen belieferbaren – Länder seitens H&K zurückgedreht werde. Diese Aussagen traf der H&K-Aufsichtsratsvorsitzende Dieter John gegenüber Jürgen Grässlin, Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros e.V. und Bundessprecher der Kampagne ‚Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!‘ in einem Telefonat. John betonte, dass die von ihm getroffenen Aussagen „natürlich vom Aufsichtsrat und Vorstand voll mitgetragen“ würden.

Demnach werden – abgesehen von sehr bedenklichen Altaufträgen in gelbe bzw. rote Länder wie Malaysia, Indonesien, Südkorea, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und den Oman! – keinerlei neuen Waffengeschäfte mit Staaten außerhalb der NATO und EU getätigt. Laut H&K-Führung erhalten bisherige Empfängerländer in Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten (Ägypten, Saudi-Arabien u.v.a.m.) und der NATO-Mitgliedsstaat Türkei zukünftig keine weiteren Kleinwaffen (wie Pistolen, Maschinenpistolen, Sturmgewehre bzw. Waffenbestandteile etc.) von H&K.

Auch die schnellstmögliche Zusendung der Antworten von Vorstand und Aufsichtsrat zu den 110 Fragen kritischer Aktionäre auf der H&K-Hauptversammlung am 15. August sicherte Dieter John zu. Wie versprochen werde auch der Heckler & Koch-Aufsichtsrat den Antrag Grässlins auf Gründung eines Opferfonds ernsthaft diskutieren.

„Diese restriktivere Rüstungsexportpraxis – deutlich restriktiver als die der Bundesregierung – ist ein immenser Erfolg der Friedensbewegung. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten auf der Ebene gewaltfreier Aktionen, Publikationen in Büchern und Filmbeiträgen sowie juristischer Schritte bis hin zu Strafanzeigen einen immensen Druck auf Heckler & Koch ausgeübt. Dieser zeigt jetzt Wirkung“, erklärte Jürgen Grässlin.“