Friedensnewsletter Hannover März 2016
Wir müssen unsere Kinder gegen Militarismus impfen, in dem wir sie im Geiste des Pazifismus erziehen. Albert Einstein (1879-1955)
Liebe Friedensfreundinnen und –freunde,
die Stimmung in der Gesellschaft wird rassistischer. Ungehemmt und von der Polizei gestützt können „besorgte Bürger“ – nennen wir sie ruhig Rechtsradikale einen ankommenden Bus von Flüchtlingen in Clausnitz drangsalieren, brennen Wohnung für Flüchtlinge, wird über Obergrenzen statt über Schicksale gesprochen. Nicht gesprochen wird über Fluchtursachen über Solidarität und über Wege die Konflikte endlich friedlich zu beenden. Stattdessen kommen immer mehr Waffen und Soldaten in eine krisengeschüttelte Region. Wirtschaftsminister Gabriel verkündet neue Rüstungsgüterexportrekorde. Deutsche Waffen, deutsches Geld…
Genau in mit diesen Themen beschäftigen sich viele inhaltliche Veranstaltungen im März.
Am 12.Februar waren wir beim Red hand Day dabei, dem weltweiten Aktionsbündnis gegen Kindersoldaten. Unser Schwerpunkt dabei: Die Bundeswehr. Ungefähr 1500 Minderjährige haben sich dort verpflichtet und stehen unter Waffen.
In diesem Zusammenhang fällt auch die zunehmende Werbung des Militärs auf. Nicht nur in Stadien, auf Großflächenplakaten und in der Sportförderung werben sie offensiv um den Beruf des Tötens. Inzwischen sind sie selbst an Kindertagesstätten(!) präsent, wie eine Kleine Anfrage der LINKEN ergab. Auch dazu gibt es einen Beitrag.
Im Märznewsletter nicht fehlen darf natürlich der 8. März. Zahlreiche Veranstaltungen beschäftigen sich in diesem Zusammenhang mit Flucht und Migration. Die komplette Zeitung zum Frauentag gibt es hier, die Auftaktdemo haben wir für euch herausgesucht.
Last but not least: Das Netzwerk Erinnern und Zukunft e.V. und andere Partner_innen haben einen digitalen Stadtrundgang zu NS-relevanten Orten in Hannover erstellt. Dazu gibt es ebenfalls einen Bericht. Einen Besuch lohnt es allemal.
Die Themen im Einzelnen
- Termine
- Ostermarsch 2016
- Internationaler Frauentag
- Red Hand Day 2016
- Bundeswehr in Kitas
- Zukunft heißt Erinnern
PS: Nicht vergessen: Am 26.03.2016, 11.00 Uhr auf dem Kröpcke ist der Ostermarsch. Mehr Infos folgen. Ich hoffe wir sehen uns.
PPS: eine layoutete Version des Newsletters zum Download als pdf
Termine
Termine des Friedensbüros:
Dienstag, 1.3. 19 Uhr im Pavillon: offenes Treffen zur Vorbereitung der Ostermarsch
Mittwoch, 16.3. 19 Uhr im Haus der Jugend: Aktiventreffen
Weitere friedenspolitische Veranstaltungen
Pavillon, 24.02., 19:00 Uhr; Krieg in Syrien- Hintergründe und Interessen
Vor beinahe 5 Jahren begann der Krieg in Syrien. Wir wollen jenseits tagesaktueller Meldungen zu einem Verständnis der Zusammenhänge gelangen.
Mit dem Referenten Martin Glasenapp von medico international sprechen und diskutieren wir über seine Einschätzung zum Syrienkrieg. Welche Ziele verfolgen das Assad Regime, der Islamische Staat und die verschiedenen oppositionellen Fraktionen in Syrien? Mit welchen Interessen agieren „westliche“, russische oder türkische Akteur_innen bei ihren (militärischen) Interventionen?
Spielt die zivile Bewegung, die den syrischen Frühling auslöste noch eine Rolle? Und welche Perspektiven erscheinen aus den gegenwärtigen Verhältnissen heraus denkbar?
Annabee Buchladen, 03.03., 19:30; Mein Alptraum – Gefängnisgedichte von Farkhonde Taghadossi
Lesung mit Farkhonde Taghadossi (politische Gefangene im Iran von 1983–1990)
Die Gefängnisgedichte von Farkhonde Taghadossi spiegeln insbesondere die Erfahrung von Folter, Misshandlung, Vernichtung der politischen Gegner_innen in iranischen Gefängnissen wider, aber auch den Zusammenhalt der gefangenen Frauen und die liebevolle Unterstützung der im Gefängnis mit ihren Müttern eingesperrten Kinder. Die Gedichte drücken sowohl ungebrochenen Widerstandsgeist als auch Lebensfreude aus.
Veranstalter_innen: Dritte Welt Forum in Hannover e.V., Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen und Buchladen Annabee, gefördert vom Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover
Pavillon, 05.03., 17:00 Uhr; Der NSU Komplex – Podiumsdiskussion
*Yavuz Narin, Nebenklagevertreter der Familie von Theodoros Boulgarides im NSU-Prozess
*Katharina König, für die Partei DIE LINKE in den Thüringer NSU-Untersuchungsausschüssen
*Daniel Poštrak, aktiv in der Initiative „Keupstraße ist überall“ und dem bundesweiten Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“.
Die Initiative „Keupstraße ist überall“ hat sich nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße (Köln) gebildet. Sie fokussiert auf die Rolle des gesellschaftlichen Rassismus im Zusammenhang mit den NSU-Verbrechen. Es gibt deutsch-türkische Simultanübersetzung.
Veranst.: RLS Niedersachsen, Kulturzentrum Pavillon, AStA der Uni Hannover, Praxisstelle antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit ju:an, Can Arkadaş e.V. und Amadeu-Antonio-Stiftung.
Pavillon 07.03., 18:00 Uhr; Rassismus nach Köln – Die mediale und politische Debatte und ihre (möglichen) Folgen
Der rechte Diskurs nach Köln tobt, bürgerliche Medien schließen sich dem Boulevard an, die Große Koalition ist sich einig wie selten: Es soll abgeschoben und aufgerüstet werden. Klar scheint auch: Vergewaltiger sind immer die anderen. Rechtsextreme haben den größten Auftrieb seit 2,5 Jahrzehnten und legen weiter Feuer. Mit der Referentin Prof. Dr. Sabine Hess diskutieren wir folgende Fragen: Wie lässt sich die Normalisierung rechtsextremer Kultur in Politik, Medien und auf der Straße erklären? Wohin führt sie? Und wie lässt sie sich aufhalten bzw. wieder zurückdrehen?
Sabine Hess ist Professorin an der Uni Göttingen und hat u. a. die Arbeitsschwerpunkte Migrations- und Grenzregimeforschung sowie Genderstudien
Pavillon, 15.03. 19:00 Uhr, Pavillon; Indigene Völker im Visier des Rohstoffabbaus
Die Frage der Ausbeutung von Rohstoffen in Ländern der Dritten Welt muss als eine der Ursachen von Kriegen und Flucht in den Focus geraten. Theodor Rathgeber schildert das Problem, die rechtliche Situation und Handlungsmöglichkeiten hier am Beispiel von indigenen Völkern Lateinamerikas. Auch beleuchtet sein Vortrag, welche Rolle die jüngsten Vereinbarungen zu Klimaabkommen und nachhaltigen Entwicklungszielen der UN aus der Perspektive indigener Völker spielen. Weitere Infos unter: www.VEN-NDS.de
- März – Internationaler Frauentag 2016 ‚Zusammen wachsen – Zusammenwachsen‘
Bereits im letzten Jahr stellte das Frauenbündnis die Situation von Flucht, Fluchtursachen und dem Leben geflüchteter Frauen, Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in den Mittelpunkt von Aktionen und Artikeln in der Bündniszeitung.
Dies schien uns in diesem Jahr noch dringlicher als im letzten Jahr. Um uns nicht spalten zu lassen und unsere Gemeinsamkeit zu betonen, weisen wir auf das ‚Wir‘ anstelle des ‚die Andere‘ hin und betonen, dass Integration keine ‚Bringschuld‘ ist, keine Einbahnstraße, sondern unser gemeinsames Anliegen.
In diesem Sinne ist unsere Zeitung mit Artikeln und Veranstaltungshinweisen gestaltet, unter diesem Motto steht unsere Auftaktveranstaltung.
Auftaktveranstaltung:
Fr., 04.03.2016, 17:00 Uhr
Treffpunkt: Weiße-Kreuz-Platz, Gorlebenstein
„Zusammen wachsen – zusammenwachsen“
Für die Solidarität von Frauen* in Hannover und überall!
Demonstrationszug mit unseren ‚Starken Frauen‘ und Trommelbegleitung vom Weiße-Kreuz-Platz zum Lister Platz. Die Demonstration schließt mit einer Kundgebung und einer Aktion mit unserem ‚Zusammenwachs-Baum auf dem Lister Platz. Der Baum wird von uns symbolisch mit ‚Blüten‘ und ‚Blättern‘, Erfahrungen und Wünschen der verschiedenen Frauen beklebt. Das Zusammenwachsen bedarf der Zuwendung und Pflege, dafür steht der Baum.
Wir Frauen – neue und alte, hier bereits verwurzelte und neu hinzukommende geflüchtete Frauen oder solche mit Migrationshintergrund, wollen zeigen, wie wir uns Integration vorstellen: Kennenlernen, austauschen, gemeinsam wachsen, zusammenwachsen!
Mit Musik, Gedichten und Gedanken zur Frauensolidarität rund um den ‚Internationalen Frauentag‘ werden wir unsere Demonstration beenden.
Fühlt Euch alle eingeladen, mit uns zu gehen, mit uns zu lachen, mit uns zu feiern und mit uns für ein gemeinsames und vielfältiges Leben einzustehen.
Ende der Aktion gegen 18:30 Uhr.
Veranstalterinnen: Hannoversches Frauenbündnis zum Internationalen Frauentag
Ostermarsch 2016 – Kundgebung auf dem Kröpcke am Ostersamstag 26.3.2016:
Entwurf für einen Aufruf: Gerechtigkeit und Frieden – gegen deutsches Vormachtstreben
Hauptthema der Politik des letzten halben Jahres waren die Flüchtlinge.
Allen ist klar, dass die Haupt-Fluchtursache in den kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit liegt. Unmittelbar einleuchtend bei Syrien, dem Irak, Afghanistan. Aber auch Jemen, Sudan, Somalia.
Deutschland ist nicht unbeteiligt an diesen Kriegen. Unmittelbar durch Einsatz der Bundeswehr, durch Kampfausbildung im Irak und Mali, durch Aufklärungsflüge in Syrien und der Türkei. Einsätze, die immer leichtfertiger von der Bundestagsmehrheit beschlossen werden.
Aber auch mittelbar ist Deutschland beteiligt durch Export von Rüstungsgütern – jetzt auch in kriegführende Länder und brutale Diktaturen wie Saudi Arabien, was nach dem Kriegswaffen-Kontroll-Gesetz ausgeschossen sein sollte.
Vergessen werden darf aber als Fluchtursache nicht die Zerstörung der Umwelt, die Menschen keine Existenzmöglichkeiten mehr gibt, die nicht zuletzt auch vom industriellen Norden verursacht, Menschen im globalen Süden in die Flucht treibt. Und immer wieder berichten Frauen von ihren geschlechtsspezifischen Fluchtursachen, denen sie zu entfliehen suchen, die sie dann aber auch auf der Flucht oft weiter erdulden müssen.
Die Bundesregierung begründet Beteiligung an Kriegen und Waffenexporte ebenso wie Kontakte mit patriarchal-diktatorischen Regimen (z. B. Saudi-Arabien) mit Deutschlands „Verantwortung“ in der Welt. Aber was heißt Verantwortung? Diese könnte ja auch wahrgenommen werden durch Hilfe bei Verhandlungen, durch Vermittlung zwischen Gegnern – also durch Einsatz für friedliche Konfliktlösungen.
Nein, hier geht es um wirtschaftliches und politisches Vormachtstreben Deutschlands. Eigene Wirtschaftsinteressen werden rücksichtslos durchgesetzt – innerhalb Europas durch politischen Druck, weltweit jetzt auch durch Militärmacht. Aber selbst „friedliche“ Wirtschaftsbeziehungen können brutale Machtausübung sein – wenn für Profite unserer Konzerne Menschen in Afrika die Lebensgrundlagen genommen werden – auch so entstehen Flüchtlingsströme. Mittel hierbei sind z. B. sogenannte „Freihandelsabkommen“ (TTIP u. a.), die schwächere Partner Vogelfrei machen.
Nein, das wollen wir nicht!
Wir wollen ein friedliches Zusammenleben der Völker durch Herstellung von Gerechtigkeit
– durch Wirtschaftsbeziehungen ohne Ausplünderung.
Doch es gibt noch ein weiteres lebensgefährliches Feld des Vormachtstrebens Deutschlands: das Festhalten an der nuklearer Teilhabe. Die USA haben angekündigt, ihre immer noch in Büchel lagernden Atombomben zu „modernisieren“ – in Wirklichkeit aber durch neue Systeme zu ersetzen, die einen Atomkrieg „führbar“ machen könnten. Obwohl der Bundestag vor genau 5 Jahren beschlossen hatte, über den Abzug dieser Bomben zu verhandeln, widerspricht die Bundesregierung diesem Vorhaben nicht, sondern stellt 200 – 300 Mio. € für die Umrüstung der beteiligten Bundeswehrverbände zur Verfügung.
Es bleibt dabei:
Wir wollen Deutschland und die Welt atomwaffenfrei!
Mit diesem Entwurf für einen Aufruf zum Ostermarsch hatten wir zu einem ersten Vorbereitungstreffen für den Ostermarsch 2016 zum 17. Februar im Haus der Jugend eingeladen. Neben zahlreichen Aktiven aus dem Friedensbüro (die auch die Verbindung zur Linken, DKP und DFG-VK halten) waren auch Vertreter_innen von attac, Hiroshima-Bündnis, Linksjugend Solid, des Friedenskreises von St. Jakobi und kurdischen Gruppen gekommen. Verdi hatte ihre Unterstützung signalisiert, konnte aber nicht vertreten sein.
An dem vorgelegten Text haben wir diskutiert. Dabei wurde vor allem von den Vertreter_innen der kurdischen Gruppen NavDem und der kurd. Frauenvereinigung darauf verwiesen, wie groß die akute Kriegsgefahr durch die Angriffe der türkischen Regierung auf die Kurden geworden ist, dabei signalisiert die deutsche Regierung der Türkei Rückendeckung wegen der Hoffnung auf Hilfe gegen „Flüchtlingsströme“. Wir wollen deshalb die Textgrundlage umarbeiten und beim nächsten Treffen als neue Basis vorstellen. Das beim Treffen vorgeschlagene Motto: ‚Gerechtigkeit und Frieden – gegen das Vormachtstreben Deutschlands‘ wurde durch die Formulierung ‚Kriege stoppen – Fluchtursachen bekämpfen‘ ersetzt.
Wir haben verabredet, unseren Friedenspolitischen Arbeitskreis am 2. März (19.00 Pavillon) für dieses nächste Treffen zu nutzen.
Red-Hand-Day – Weltweiter Aktionstag gegen den Einsatz von Kindersoldat_innen –
Aktion in Hannover am 12. Februar auf dem Kröpcke
Von Brunhild Müller-Reiß
Mit einem kleinen Infostand mit verschiedenen Materialien haben wir in der Innenstadt bei lausig kaltem Wetter versucht, Passant_innen auf das Thema ‚Kindersoldat_innen anzusprechen. Wir waren ungefähr fünf Aktive, konnten aber in den 1 ½ Stunden doch zahlreiche Menschen ansprechen und haben auch viele intensive Gespräche geführt. Da die Kröpcke-Uhr auch Treffpunkt junger Menschen ist, haben wir auf diese unser besonderes Augenmerk gerichtet, da sie bei den Werbeaktionen der Bundeswehr die zentrale Zielgruppe sind. Wir stellten wir fest, dass es durchaus viele interessierte Reaktionen gab, aber dass leider eine große Anzahl auch ihr deutliches Desinteresse zeigte. Insgesamt aber, so denken wir, haben wir mit relativ geringem Aufwand eine gute Wirkung erzielen konnten.
‚Keine Kindersoldat_innen‘ – – das war das Motto unserer Aktion – und dazu haben wir neben verschiedenen Materialien Karten verteilt, die an die Verteidigungsministerin Frau von der Leyen geschickt werden sollen.
Doch halt: Kindersoldat_innen? Das sind doch Kinder, die an einem Krieg teilnehmen! Laut der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 gehören dazu alle Kriegsteilnehmer_innen unter 15 Jahren, die direkt an Feindseligkeiten beteiligt sind. Die gibt es bei uns in der Bundeswehr aber definitiv nicht.
Was also soll die Karte an Frau von der Leyen?
Zunächst einmal: Am 12. Februar 2002 ist das Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention in Bezug Kinder in bewaffneten Konflikten in Kraft getreten. Unsere Aktion war damit Teil eines weltweiten Zusammenschlusses und des ‚Deutschen Bündnisses Kindersoldaten‘. Dieses fordert zum ‚Red Hand Day 2016‘ den besonderen Schutz von Mädchen und Jungen in bewaffneten Konflikten: Kinder dürfen keine Soldaten sein! Mit dem Symbol der roten Hand haben bisher mehr als 400.000 Menschen in über 50 Ländern weltweit gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten_innen protestiert – auch in Deutschland.
Kindersoldat_innen gibt es z. B. Indien, Katar und Saudi-Arabien. Und sie werden nicht zuletzt mit Waffen aus deutscher Produktion ‚versorgt‘ (z. B. Kleinwaffen von Heckler und Koch). Rund 250.000 Kinder und Jugendliche werden weltweit in offiziellen Armeen und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen als Soldaten eingesetzt: Sie kämpfen an der Waffe für staatliche Armeen oder andere bewaffnete Gruppen, werden als Spione, Köche oder Lastenträger eingesetzt. Viele Kindersoldaten kämpfen mit Kleinwaffen aus deutscher Herstellung. Deshalb gilt für uns: „Wir rufen auf zur Teilnahme an der bundesweiten Aufschrei-Unterschriftenaktion ‚Export von Kleinwaffen und Munition stoppen!“
Aber nun kommen wir zu den Postkarten an Frau von der Leyen: Zwar ist das Schicksal von Kindersoldat_innen in Konflikt- und Kriegsregionen überhaupt nicht vergleichbar mit dem Umgang der deutschen Bundeswehr mit Minderjährigen, dennoch finden wir es unverantwortlich, dass die BW in Schulen, auf Ausbildungsmessen etc. junge Menschen unter 18 Jahren zu rekrutieren versucht (beispielsweise mehr als 1.500 im Jahr2015). Das ‚Deutsche Bündnis Kindersoldaten‘ fordert deshalb in der Kampagne ‚unter18nie‘ einen Verzicht der Rekrutierung Minderjähriger, damit Deutschland eine internationale Vorbildrolle zur Reduzierung der Beteiligung von Kindern in militärischen Einheiten weltweit übernehmen kann.
Das Anliegen der Unterschriftenaktion ist: ‚Helfen Sie mit, die Rekrutierung und Gefährdung von Minderjährigen zu stoppen und den 18-Jahre-Standard auch in Deutschland zu erreichen. Fordern Sie Verteidigungsministerin von der Leyen auf, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben.‘
Bundeswehr in Kitas! Aber dann, nach dem ‚Red-Hand-Day‘ und unserer entsprechenden Aktion ging eine Meldung durch die Presse, die uns geradezu die Socken ausgezogen, aber auch in unserem Anliegen verstärkt hat: Die taz (17. 2. 2016) meldete: „Soldaten haben in den vergangenen Jahren Tausende Kitakinder besucht oder an ihren Bundeswehrstandorten empfangen. Das geht aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag hervor, die der taz vorliegt. Demnach unterhalten ein Dutzend Bundeswehrstandorte zum Teil sehr enge Kontakte zu örtlichen Kitas. Im Rahmen von Patenschaften besichtigen die Kinder etwa Kasernen, gehen auf Schatzsuche in der Untertageanlage oder fahren Schlauchboot. Soldaten backen in der Kita Waffeln und reparieren Klettergerüste. So besuchten Kinder der kommunalen Kita ‚Rappelkiste‘ im Mai 2014 das flugmedizinische Institut der Bundeswehr in Königsbrück. ‚Dabei durften sich die Kinder das große Kampfflugzeug Tornado anschauen und selbst mal mit Helm und Maske vor der Kamera posieren‘, heißt es in einem auf der Webseite der Stadt veröffentlichten Beitrag. Die Leiterin der Kita wollte auf telefonische Anfrage nur schriftlich antworten.“ Soweit die ‚taz‘.
Wir meinen: Hinter den ‚kinderfreundlichen‘ Aktionen und Geldspenden (seit 2010 im Wert v. 150.000 €) stecken knallharte Eigeninteressen: Das Ansehen der Truppe soll gesteigert, ein lustiges Soldatenleben vorgegaukelt und zukünftige Soldat_innen sollen schon mal auf eine Rekrutierung vorbereitet werden.
Werben fürs Sterben schon im Kindergarten? Wie die Bundeswehr in die frühkindliche Erziehung wirkt
Von Ralf Buchterkirchen, verqueert.de
Es klingt unglaublich. Nicht nur das sich die Bundeswehr an Heranwachsende heranmacht und in Stadien, Schulen auf Messen oder dem Arbeitsamt ungeniert für den Beruf des Tötens wirbt, geht sie jetzt noch einen Schritt weiter. Wie eine Anfrage der Fraktion die Linke (DS 18/7494) ergab, wirbt die Bundeswehr unverhohlen in Kindertagesstätten.
Ein paar Beispiele: In Bad Salzungen, Sanitz, Wittmund, Blankenberg, Blankenburg und Marienberg, wurden im Rahmen einer „Patenschaft“ die Kinder von Soldatinnen und Soldaten besucht. Selbst das SOS Kinderdorf(!) in Dießen am Ammersee erhielt Besuch. In Königsbrück durften die Kinder (Alter 5-6) die örtliche Kaserne besuchen, ebenso in Sanitz, Wilhelmshaven. In Rendsburg wurden drei Kindergärten (insgesamt 54 Kinder) eingeladen eine Transall zu besichtigen, in Rostock war es die Marineeinheit, in Gardelegen gar der Truppenübungsplatz. In Erbeskopf wurden Kindern im Rahmen der vorschulischen Ausbildung gar explizit der Soldatenberuf vorgestellt. Zahlreiche weitere Kindertagesstätten wurden im Rahmen von Besichtigungen und Sommer- und Weihnachtsfesten besucht.
Aber auch in der Jugendhilfe ist die Bundeswehr ähnlich präsent: Patenschaften mit Berlin, Dresden, Karlsruhe, Augsburg, Braunschweig, Trebbin und Waldeck wurden in der Antwort der Bundesregierung benannt. Es erfolgten entsprechende Besuche der Minderjährigen auf Bundeswehrstandorten. So wurde in Trebbin mehrfach die Fregatte BRANDENBURG aufgesucht, in Karlsruhe die Fregatte KARLSRUHE, in Neuburg das örtliche Geschwader oder in Cochem-Büchel der Fliegerhorsts Büchel. Büchel ist Atomwaffenstandort.
Es geht aber noch weiter. Die Ferienspaßaktion(!) „Ein Tag bei der Bundeswehr“ in Mechernich wird seit 2010 mit knapp 3000,- EUR jährlich finanziert und durchgeführt. Kriegshandwerk als Ferienspaßaktion. Geht’s noch zynischer? Die Zusammenarbeit mit Mechernich geht noch weiter. Fußballcamps werden mit rund 2000 EUR jährlich unterstützt.
Das Ziel ist klar. Die Bundeswehr wird als normale Arbeitgeberin präsentiert. Schon Kleinkinder sollen sich daran gewöhnen und Begeisterung fürs Militärische entwickeln. Kindliche Begeisterung wird hier schamlos ausgenutzt um langfristig neue Rekrut_innen fürs Feld zu gewinnen und das eigene miserable Image zu polieren. Das widerspricht erheblich der UN-Kinderrechtskonvention, die Werbung für das Militär bei Minderjährigen untersagt. Gezielt wird die Grauzone zwischen offener Werbung und Information ausgenutzt. Aber selbst, wenn man sich auf den Standpunkt der Bundeswehr stellt und die Vorstellung des Soldat_innenberufes als Information deklariert, hat dies nichts in der frühkindlichen Erziehung zu suchen. Wenn Kinder Flugzeuge ansehen und an technische Berufe herangeführt werden sollen, (sofern das im Kindergarten überhaupt eine Relevanz hat) gibt es ausreichend zivile Möglichkeiten dies zu realisieren.
Aber der Wahnsinn geht weiter. Ganz im Stile klassischen Fundraisings wirbt das Militär für sich selber, in dem es Spendensammlungen an Kitas und Organisationen der Jugendhilfe übergibt. Die stolze Summe von 150.000 EUR ist dabei zusammengekommen. Schlimm genug, das wir in einer Gesellschaft leben, in der Kindergärten und Einrichtungen der Jugendhilfe auf Spendenfinanzierung angewiesen sind, so hat die Arbeitgeberin Bundeswehr aber überhaupt nichts in diesem Zusammenhang zu suchen. Wenn Angehörige der bewaffneten Streitkräfte dies privat tun wollen, können Sie das gerne tun, als Form der militärischen Eigenwerbung, organisiert durch die Bundeswehr ist es einfach nur widerlich.
Die Bundeswehr breitet sich auf allen Feldern der Zivilgesellschaft aus. Waren es in den letzten Jahren neben massiven Werbekampagnen in Zivilgesellschaft und Sport vor allem die Sportförderung, die dem Militär Zuspruch versprach, dringt sie zunehmend in weitere, scheinbar harmlose Bereiche ein, die sich nicht laut und entschlossen dagegen wehren können. Kindergärten, die auf fremde Unterstützung angewiesen sind, weil es eine Gesellschaft nicht schafft, diese unabhängig auszustatten sind dabei offensichtlich besonders gefährdet.
Diese Politik wird nicht generalstabsmäßig (man verzeihe mir die militaristische Vokabel) organisiert, vielmehr wird auf unterster Ebene über persönlichen Bekanntschaften über städtische Patenschaften ein schleichendes Selbstverständnis von Militär erzeugt, dem nur schwer gezielt etwas entgegengesetzt werden kann.
Daher kann die Forderung nur lauten: Bundeswehr raus aus den Kitas und den Jugendhilfeeinrichtungen! Keine städtischen Patenschaften mit der Bundeswehr!
Zukunft heißt Erinnerung – Stadtgeschichte digital und hautnah
Von Ralf Buchterkirchen, verqueert.de
Die Randbebauung des mittelalterlich anmutenden Ballhofplatzes in Hannover scheint einen Rest des historischen Hannovers zu zeigen. Fachwerkhäuser säumen den Straßenrand. Nur das Theater wirkt wie aus den 60ern. Historisch ist der Platz, aber nicht, wie es scheint. Der Ballhofplatz und seine Randbebauung sind ein vom NS neu hergestellter Platz zur „Gesundung“ der Altstadt. In den Augen der Nationalsozialisten war die Altstadt ein Hort von Alkoholismus, Kriminalität und Prostitution sowie Brutstätte des Kommunismus: ein „Sumpf“, den es auszutrocknen galt. In engen Gassen und unter schlechten hygienischen Bedingungen war die Altstadt mehr ein Ort für Arme, denn für das Bürgertum, welches sich lieber in List oder Südstadt tummelte. Bereits nach Ende des ersten Weltkrieges gab es Ansätze das Gelände umzugestalten und für die „bessere Gesellschaft“ attraktiver zu gestalten. Unter den Nazis entstanden nun in kurzer Zeit ein Heim der Hitler-Jugend HJ, ein BDM-Gebäude, ein Polizeirevier und eine SA-Kneipe. Der Ballhofplatz selber wurde zum Platz für Aufmärsche. Innerhalb weniger Jahre wurde das Gebiet komplett umgekrempelt und ihre ursprünglichen Bewohner vertrieben.
Der Ballhofplatz nur ein Beispiel welches das ambitionierte Projekt „Zukunft heißt Erinnerung“ präsentiert. In einem digitalen Stadtrundgang werden Orte des Erinnerns, aber auch der Umgestaltung gezeigt und in ihren Kontext gesetzt. Nicht nur die bekannten Orte der NS-Zeit wie der Maschsee, der Ehrenfriedhof am Maschsee-Nordufer oder das ehemalige Gerichtsgefängnis Hannover sondern auch weniger bekannte Orte, denen die Nazis ihren Stempel aufdrückten, werden ausführlich gezeigt und beschrieben.
„Eine weltoffene und demokratische Stadtgesellschaft braucht Erinnerung“ beschreiben die Initiator_innen Stadtjugendring und Netzwerk Erinnerung und Zukunft in der Region Hannover e.V. ihre Motivation. Via Smartphone oder Tablet, oder daheim am heimischen Rechner lässt sich hervorragend aufbereitet Geschichte plastisch erleben und verschwindet so vom Abstrakten Vergangenen zum Konkreten. Derzeit auf die Innenstadt beschränkt soll es nach und nach zu einem Kompendium des Erinnerns für die gesamte Region Hannover werden. Mitstreiter_innen sind jederzeit willkommen.
Der digitale Stadtrundgang ist unter www.zukunft-heisst-erinnern.de zu finden. Es ist mehr als einen Besuch wert.
Regelmäßige Termine des Friedensbüros Hannover
Friedenspolitischer Arbeitskreis an jedem 1. Dienstag im Monat um 19 Uhr im Pavillon Lister Meile 1.
Aktiventreffen an jedem 3. Mittwoch im Monat um 19 Uhr in Hannover im Haus der Jugend, Maschstr.
Friedenspolitischer Stammtisch an jedem letzten Freitag im Monat um 19 Uhr im Café K, Hannover Linden; Pariser Platz (falls geschlossen im Exil gegenüber)
Regelmäßige Termine der DFG-VK
Mitgliedertreffen, jeden 2.Dienstag im Monat, 19.00 Uhr im Kargah (Zur Bettfedernfabrik 1)