Friedensnewsletter Hannover 12/2015

Ich habe mich oft darüber gewundert, dass Leute, die sich rühmen, die christliche Religion zu bekennen, also Liebe, Freude, Frieden, Mäßigung und Treue gegen jedermann, dennoch in der feindseligsten Weise miteinander streiten und täglich den bittersten Hass gegeneinander auslassen. Baruch de Spinoza (1632-1677)

Liebe Friedensfreundinnen und-freunde,

Wenig Besinnliches gibt es zum Jahresende aus friedenspolitischer Sicht zu vermelden. Nach 5 Jahren Bürgerkrieg in Syrien als Stellvertreter_innenkrieg globalpolitischer Interessen hat sich der Bundestag dazu entschieden, auch in diesen Konflikt als aktive Kriegspartei einzutreten. Die Attentate vorn Paris dienen dazu als Legitimationshintergrund. Klar ist, diese weitere Eskalation wird neue Flüchtlinge produzieren, wird Menschenleben kosten – sie wird jedoch nicht diesen mörderischen Krieg beenden. Dagegen wenden wir uns mit einer Demonstration am 10.Dezember ab 16.30 auf dem Kröpcke. Ursprünglich dazu gedacht, der Militarisierung in Form von Zapfenstreichen einen Gegenpol zu bieten (am Abend wird die erste Panzerdivision mit militärischen „Ehren“ von Hannover nach Oldenburg verabschiedet) macht es die Eskalation der Ereignisse notwendiger denn je, gegen Krieg und seine Ursachen zu demonstrieren. War starts here.
Um Militarisierung des Zivilen geht es auch in der endlosen Fortsetzung der Reihe zu Bundeswehrwerbung in Stadien, insbesondere bei Hannover 96. Wir haben die aktuellen Fakten und Zahlen. Scharfmacherin wenn es gegen Flüchtlinge und Menschlichkeit geht ist die AfD. Sie konnte – von der Stadt geduldet – ihre Hetze auf einem Bundesparteitag in Hannover breitragen. Dagegen gab es Protest. Brunhild Müller-Reiß mit einem Rückblick auf das Bündnis. Das Friedensbüro verabschiedet sich mit der schon traditionellen Jahresendfeier, diesmal im Luci. Wir freuen uns aufs Kommen und spannende Gespräche.
Die Bilder dieser Ausgabe sind etwas Besonderes. Im November fand eine beindruckende Veranstaltung zu Martin Luther King in der Markuskirche statt. Wir zeigen ein paar Bilder der Veranstaltung. Außerdem wurde in Hamburg nach jahrelangen Debatten ein würdiges Denkmal für Deserteure eingeweiht. Es lohnt sich beim nächsten Hamburgbesuch einen Abstecher zum Dammtor zu machen. Von der Einweihung gibt es ein paar Impressionen.
Wir, Friedensbüro und DFG-VK Hannover wünschen – trotz aller kriegerischen Auseinandersetzungen ein paar friedliche Feiertage und ein friedlicheres neues Jahr, als es das Alte gewesen ist. Lasst uns dafür streiten.

Ralf Buchterkirchen
für DFG-VK Hannover und Friedensbüro Hannover

Eine layoutete Version findet sich hier.

Die Themen im Einzelnen

  • Kein Bundeswehreinsatz ins Syrien/kein Zapfenstreich der Bundeswehr
  • Flugblatt zur Mahnwache vom 26.11.2015
  • Kein deutscher Kriegseinsatz in Syrien! PM der DFG-VK
  • Hamburg hat ein Deserteursdenkmal – und was für eines!
  • ‚Bunt statt Braun‘ und die Frage vom Umgang in Bündnissen
  • Bundeswehr und Werbung im Fußball – auch 2014/15 wieder voll dabei

Termine

10.12.2015 16.30 Uhr Kröpcke, Kein Bundeswehreinsatz ins Syrien/kein Zapfenstreich der Bundeswehr

16.12.2015 19.00 Uhr „Luci“ = Luci della Montagna, Dieckbornstr. 44,30449 Hannover, Jahresendfeier des Friedensbüros

‚Zapfenstreich‘ – Die Panzerdivision zieht um – die Kriege weiten sich aus!

Die Bundeswehr zieht den Stab ihrer 1. Panzerdivision aus Hannover ab. Sie, die ‚Division Eingreifkräfte‘, bisher mit Sitz in Hannover, ist führend bei Planung und Durchführung weltweiter Interventionseinsätze im Rahmen der NATO. Nun geht sie nach Oldenburg.
Haben WIR sie mit unseren jahrelangen Protesten vertrieben? Vielleicht – Antikriegsarbeit lohnt immer! Und zumindest sind damit die Patenschaft mit der Stadt Hannover und das werbeträchtige Sommerbiwak Geschichte. Aber: Weg ist sie nicht! Sie ist jetzt nur an einem anderen Ort! Und Kriege sind nicht weniger geworden. Im Gegenteil!

Die 1. Panzerdivision war als Leitdivision führend im Afghanistankrieg. Dem Krieg, der lange Jahre in Afghanistan wütete und Land und Leute zerstört hat. Der Krieg, der Not und Elend über die Bevölkerung gebracht hat, den Terror eher angeheizt hat und der jetzt viele Menschen zur Flucht u. a. nach Deutschland führt. Der Terror in der Welt hat zugenommen. Er ist nahezu überall gegenwärtig, wie zuletzt in Paris! Was ist die Reaktion? Nach dem von Bush 2001 ausgerufenen ‚War on Terror‘ ist jetzt Frankreichs Präsident Hollande weltweit unterwegs, um eine Kriegsallianz gegen den Terror zu schmieden. Sie wird ihn nicht besiegen, aber noch mehr Gewalt und Elend über die Menschen bringen.
Nach anfänglicher Zurückhaltung will die Bundesregierung nun die Bundeswehr in Syrien einsetzen – mit 1200 Soldaten der größte Einsatz bisher. Dieser Einsatz ist völkerrechtswidrig. Deutschland wird Kriegspartei. Aus Solidarität zu Frankreich, wie immer wieder gesagt wird. Nennen wir Waffen’bruder’schaft jetzt ‚Solidarität‘?

Statt der Ausweitung von Militäreinsätzen fordern wir eine politische Lösung!

  • Stopp aller Waffenlieferungen in die Region.
  • Austrocknung der Finanzierungs- und Einnahmequellen des „Islamischen Staates“ und anderer Terrormilizen.
  • Druck auf Deutschlands Verbündete, besonders die Türkei, Saudi Arabien und Katar, damit diese jegliche Unterstützung der Terrororganisationen einstellen.
  • Für eine politische Lösung des Konflikts im Sinne der Wiener Vereinbarungen, die einen innersyrischen Dialog vorsehen.

Wir wollen keine deutschen Militäreinsätze! Wir wollen keine 1. Panzerdivision – nicht in Hannover, nicht in Oldenburg – nirgendwo!
Kommt zur Verabschiedung der 1. Panzerdivision am 10. Dezember 2015 um 16.30 zum Kröpcke
Anschließend machen wir eine Demonstration durch die Stadt, um den Menschen zu zeigen, was wir von Kriegseinsätzen und der 1. Panzerdivision halten: Nichts!

 

Flugblatt zur Mahnwache vom 26.11.2015

Unter dem Titel ‚ Gegen Terror jeglicher Art – die Antwort ist Frieden, Besonnenheit und Gerechtigkeit‘ führen Friedensbüro, DFG-VK und der ‚Friedensdienst im Haus Kirchlicher Dienste‘ am Donnerstag, dem 26. Nov.um 18.00 am Bahnhof/Kaufhof eine Mahnwache durch.

Die Anschläge von Paris sind perfide und mit nichts zu rechtfertigen. Wir fordern: „Solidarität mit den Opfern von Paris, gegen den Terror des IS!“. Wir fordern aber auch Solidarität mit den Opfern von Ungerechtigkeit, Krieg und Gewalt! Unser Ziel ist es, Kriege abzuschaffen, ebenso und vor allem aber auch die Ursachen von Gewalt und Krieg. Und deshalb wenden wir uns gegen eine Kriegsrhetorik und gegen schnelle Rufe nach ‚Racheaktionen‘ unmittelbar nach den Anschlägen.

Teile der deutschen Presse titelten „Terror- Krieg“ – „III. Weltkrieg“ usw. Frankreichs Präsident Hollande will „gnadenlos“ gegen die Terrormiliz IS vorgehen. Zusammen mit den USA sollen die Luftschläge gegen den „Islamischen Staat“ verstärkt werden. Und im Innern wird in Frankreich bereits die Überwachung massiv verstärkt – im Namen der Freiheit. Demonstrationen werden abgesagt, z. B. die bereits geplante Großdemonstration zum Klima-Gipfel. Noch mehr Gewalt wird gepredigt, „bis auch der letzte Terrorist eliminiert ist“. Dies führt zu Militarisierung nach innen und außen. Solange Ungerechtigkeit, Demütigung, Existenznot und Gewalt in der Welt vorherrschen, an der auch die ‚westliche Welt‘ beteiligt ist, wird die Welt keinen Frieden finden. Afghanistan ist nur ein Beispiel. Der Terror kann nur mit politischen Mitteln und wirtschaftlichen Veränderungen, nicht mit Militär überwunden werden. Zum Glück gibt es in der deutschen Politik überwiegend besonnene Reaktionen. Noch! Aber Frankreich drängt, weitet militärische Angriffe aus und fordert im Rahmen der EU die militärische Unterstützung.

Wir halten dies für einen falschen Weg. Wenn wir ‚unsere Freiheit‘ verteidigen wollen, dann sollte dies heißen ‚Wir wollen nicht in diktatorischen, patriarchalen Verhältnissen leben. Wir wollen keinen Überwachungsstaat, wir kämpfen für Gerechtigkeit und Frieden in der ganzen Welt. Wenn wir weiterhin ohne Angst vor Terror, auch hier in Hannover, leben wollen, müssen wir eine grundlegende Veränderung, ‚unserer‘ Politik, unserer Wirtschaftsweise und einen Stopp des Rüstungshandels fordern. Wir werden den Menschen, die zu uns kommen, weiterhin ein offenes Herz und eine offene Hand entgegenhalten. Wir brauchen einander alle!

Absolute Sicherheit gibt es nicht – aber eine ‚Andere Welt‘ ist möglich. Imagine!

Gegen den Terror des IS!

Gegen jeden Terror, wo auch immer!

Solidarität mit den Opfern in Paris, Ankara, Beirut und in arabischen und afrikanischen Staaten!

Solidarität mit den Geflüchteten!

Für Gerechtigkeit und Frieden!

Give Peace a Chance!

Kein deutscher Kriegseinsatz in Syrien!
Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) verurteilt den geplanten Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien. „Krieg gegen Terror“ bringt nichts.
Wie der DFG-VK-Bundessprecher Thomas Carl Schwoerer am 28. November sagte, „leistet man keine Solidarität, indem man das Falsche tut. Wer Ziele aufklärt, damit sie bombardiert werden können, ist genauso verantwortlich wie der, der dann die Bomben abwirft.“ Schwoerer sagte weiter: „Dieser Kriegseinsatz ist ein Verbrechen, denn er zerstört beispielsweise Krankenhäuser und Schulen in Rakka, wie bereits geschehen. Wir empfinden tiefes Mitgefühl für die Toten auch von Ankara, Bamako, Beirut, Paris, Suruc und Tunis. Er ist völkerrechtswidrig, denn weder enthält die jüngst verabschiedete Uno-Resolution eine Ermächtigung zum Militäreinsatz nach Kapitel VII der UN-Charta, noch willigt die syrische Regierung darin ein. Und er ist politisch unklug: Es gibt keine militärische Lösung des Terrorismus, wie die vierzehn Jahre Krieg gegen den Terror, die nur zu mehr Krieg und Terror geführt haben, zeigen.  Zudem löst jeder getötete Zivilist – die es zuhauf in jedem Krieg gibt – Rachegefühle bei seinen Angehörigen aus und steigert deren Bereitschaft, sich Terroristen anzuschließen.“ Die DFG-VK fordert außerdem den sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen in den Nahen und Mittleren Osten.
„Die Bundeswehr soll Frankreich in Mali entlasten und mit über 800 Soldaten einspringen. Das entbehrt jeder Logik, denn Frankreich wird nicht Bodentruppen nach Syrien schicken, erst recht nicht von Mali aus“, so Schwoerer. „Die umfangreichen Gold-, Phosphat-, Öl-, Gas- und Uranvorkommen in Mali sollten durch Verständigung und Verhandlungen zum Vorteil aller Akteure statt unter dem Diktat militärischer Mittel abgebaut werden.“

Hamburg hat ein Deserteursdenkmal – und was für eines!

Am 24. November wurde in Hamburgs Innenstadt das Deserteursdenkmal eingeweiht.
Schon im Jahr 2010 wurde bei einer öffentlichen Veranstaltung in Ohlsdorf, wo die Willi-Bredel-Gesellschaft an 68 namentlich bekannte Opfer der NS-Militärjustiz erinnert hatte, die Frage gestellt, wo denn in Hamburg ein Gedenkort für die hingerichteten Deserteure entstehen sollte. Hier kam erstmals der Vorschlag auf, solch einen Gedenkort beim Kriegsklotz am Dammtor zu errichten. Es sollte noch einige Zeit dauern, aber nun ist es endlich so weit.
Hamburg hat einen Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz. Vor dem Kriegsklotz steht nun eine kleine Mauer mit der Aufschrift: „Der zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen“. Dieser Beschluss des Bundestages vom 15.Mai 1997 steht damit sinnbildlich für den neuen Umgang. Seitlich des Kriegsklotzes in direkter Erwiderung des dort angebrachten Spruches „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“ verästeln sich am neuen Deserteursdenkmal die Worte Helmut Heißenbüttels des Textes Deutschland 1944. – eine Installation die zum Blickwinkel verschieben, nachdenken und hinterfragen einlädt. Ergänzt wird das Denkmal durch eine integrierte Hörcollage, die mit Lebensdaten der Hingerichteten aufwartet. Alles in allem eine rundum spannende und moderne Gedenkinstallation. Schade nur das Hannover nicht den Mut hatte einen ähnlichen offenen Weg zu gehen.
Begleitet wurde die Eröffnung – gehalten vom Hamburger Bürgermeister Scholz und dem Deserteur Ludwig Baumann – von der Forderung einiger DFG-VK Aktiver für ein Asylrecht für Deserteure, verbunden mit der Forderung, die Bundeswehr abzuschaffen.

 ‚Bunt statt Braun‘ und die Frage vom Umgang in Bündnissen
Von Brunhild-Müller Reiß

Am Sonnabend (28. Nov. 2015) fanden eine Eröffnungskundgebung, eine Demonstration zum HCC und dort eine Abschlusskundgebung statt. Die ‚Alternative für Deutschland‘, die AfD traf sich im HCC zum Parteitag. Und viele Gruppierungen, Organisationen und Aktive waren sich einig: „Es reicht! Nationalismus ist keine Alternative“! Es waren viele Menschen gekommen – leider nicht so viele, wie erwartet und erhofft.

Der am Morgen noch strömende Regen hatte sich zum frühen Nachmittag verzogen – die Regenhosen konnten wieder im Schrank verschwinden. Vor der Oper füllte sich allmählich der Platz mit Menschen aus unterschiedlichen Spektren und mit unterschiedlichen Sprüchen und politischen Schildern. Alle vereinte aber die Überzeugung, dass die sich im HCC Versammelnden, bürgerlich-Schlips-und-Kostüm-Tragenden, in Wirklichkeit Rassismus und Nationalismus verbreiten. Die AfD stellt hoffentlich bei den nächsten Wahlen für die allermeisten Menschen keine Alternative dar.

Unterwegs zum HCC, dem Versammlungsort der AfD wurden Parolen gerufen, eine Trommelgruppe verbreitete Stimmung und verschiedene Reden wurden vorgetragen. Eine gute Lösung, die Reden auf dem Weg zu hören, denn so steht mensch sich nicht die Beine in den Bauch, sondern aktiviert Körper und Geist! Es gab auch Reden und einige davon sorgen nun im Nachhinein für erheblichen Ärger: Die rot/grüne Parteijugend übte scharfe Kritik an ihren eigenen Parteien. Auch andere Wortbeiträge zielten z. T. in dieselbe Richtung. Mitglieder, auch Funktionsträger_innen der genannten Parteien gingen in der Demo mit. Entsprechend deutlich wurde das Missfallen von SPD-Mitgliedern und der Parteileitung nach dem Wochenende in der HAZ v. 30. 11. 2015. Ob der in der Zeitung zitierte Satz, der auf einzeln getragenen Schildern zu lesen war: ‚Deutschland du mieses Stück Scheiße‘ wirklich als gutes Argument gelten kann, mag dahin gestellt bleiben. Und ob es sinnvoll ist, in einer Demo Bündnispartner_innen anzugreifen, ebenso. Aber dass Aktivist_innen im Artikel als ‚selbsternannte Antifaschisten‘ gekennzeichnet werden, ist recht irritierend. Warum sollen sich Menschen, die gegen Rassismus und Faschismus auf die Straße gehen, nicht selbst so bezeichnen. Wessen Erlaubnis müssen sie dafür einholen? Herr Kirci griff – zitiert in der Zeitung – in seinem Ärger heftig unter die Gürtellinie, wenn er von denen sprach, „die noch in die Windeln machen.“ Und wenn er dann behauptet, die SPD habe eine lange Tradition im Kampf gegen den Faschismus, so ist das nur begrenzt richtig. 1931 z. B. traten junge Genoss_innen, die nach Meinung der etablierten Partei ‚politische Naseweise‘ (so Kirci in der HAZ ), „Radikalinskis“ (so damaliger Sprachgebrauch) waren, aus der SPD aus und gründeten die SAP. Die Abgrenzung im Umgang der Partei mit ihren jeweils jungen (und häufig radikaleren) Mitgliedern hat offenbar Tradition. Die damaligen jungen Genossin_en, denen die Partei immer wieder einen Maulkorb überzustülpen versuchte, machten dann in der SAP engagierte antifaschistische Arbeit, weil ihnen die Partei zu wenig gegen den aufkommenden Nationalsozialismus tat. Zu ihnen gehörten u. A. Otto, Kurt und Käte Brenner – heute als aufrechte Kämpfer_innen geehrt. Allerdings muss auch gesagt werden, dass Friedrich Lohmeyer, der Vater von Käte Brenner und damit zu den ‚Alten‘ gehörend, im Kampf gegen den Faschismus ermordet wurde. Machen wir es uns also nicht zu einfach in Abgrenzungen, Ausgrenzungen und Verurteilungen einer doch notwendigen vielfältigen aber gemeinsamen Bewegung.

Zurück zur Aktion ‚Bunt statt Braun‘: Auf dem Platz vor dem HCC hatte der DGB eine Bühne aufgebaut. Die Polizei versuchte zunächst, den Lautsprecherwagen und die Menschen um ihn herum, vom Platz wegzudrängen. Eine Reaktion von der Bühne zum Verhalten der Polizei gab es nicht. Lag es daran, dass dann vor dem HCC kaum noch (junge?) Menschen aus dem linken Spektrum vertreten waren? Es ist jedenfalls bedauerlich, dass eine erfreulich breite Bewegung vom Oberbürgermeister bis zu den ‚Antifas‘ „Risse bekam“ (HAZ, v. 1. 12.). Auch die hier gehaltenen Reden waren wichtig und Solidarität sollte von Allen eingehalten werden. Fazit: Lasst uns aus diesem Streit lernen, im Konsens zu handeln, politische Gegensätze auszuhandeln und auszuhalten, voneinander zu lernen und im Kampf gegen Rassismus und Nationalismus zusammenzuhalten. Wir wissen heute, die Spaltung der antifaschistischen Bewegung vor 1933 war verhängnisvoll – die brauchen wir nicht noch einmal. Eine andere Welt ist möglich – ohne die ‚Alternative für Deutschland‘ – die keine werden darf! Dafür brauchen wir aber auch die Teile der Bevölkerung, die noch abseits stehen!

Bundeswehr und Werbung – auch 2014/15 wieder voll dabei
Von Ralf Buchterkirchen (verqueert.de)              

Bereits in den vergangenen Jahren bewegte sich die Werbung der Bundeswehr im Sport auf hohem Niveau. Das ergaben frühere Anfragen der Linksfraktion. Auf diesem Blog habe ich dazu bereits mehrfach berichtet, insbesondere über die besondere Rolle bei Hannover 96 und dem Rostocker FC. Ziel der Werbung der Bundeswehr sei es, primär 17-35 Jährige sowie sekundär alle bis 65 als Multiplikator_innen anzusprechen, so geht es zumindest aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion vom August 2015 (Bundestags-Drucksache 18/5942) hervor.

An Minderjährige würde sich die Werbung nicht gezielt richten. Dazu gleich mehr. Inhaltlich wird aus der Drucksache deutlich, worum es ihm geht, nämlich darum, die Schnittmengen zwischen Sport und Kriegshandwerk für die eigenen Zwecke zu nutzen. So heißt es: „Kommunikationsinhalte bei Maßnahmen im sportlichen Umfeld sind Fähigkeiten und Eigenschaften, die sowohl im Sport als auch bei einer Tätigkeit in der Bundeswehr als Voraussetzung gelten: Teamgeist, Kameradschaft, Leistungsbereitschaft, körperliche Fitness, hohe Motivation und Flexibilität“. Selbstredend sind andere Tugenden des Sports, wie Fairplay und die Friedlichkeit des Wettstreits und gegenseitige Achtung nicht Bestandteil der Aufzählung. Offen wird die Vereinnahmung der Begeisterung insbesondere junger, aber auch älterer Menschen für Mannschaftssport (insbesondere Fußball, aber auch Handball, Basketball und Volleyball) als wichtiger Ankerpunkt benannt, an dem das Militär ansetzen will. Die Bundeswehr schätzt den Erfolg ihrer Maßnahmen als hoch ein, spricht insbesondere von einer hohen positiven Resonanz, kündigt jedoch gleichzeitig eine Neukonzeption der Sportkooperation an, sicher auch um der in den letzten Jahren vermehrt vorgetragenen Kritik der lokalen Günstlingswirtschaft entgegenzutreten (so beim Rostocker FC).

Der eigentlich spannende Teil der jährlichen Analyse der Werbung der Bundeswehr im Sport muss leider weitgehend ausfallen – und das ist ein politischer Skandal. Das Bundesministerium für Verteidigung sieht es inzwischen als gefährlich an, wenn Informationen über die Höhe der verwendeten Mittel ruchbar würden. Im Gegensatz zu den letzten Jahren hat sie die Informationen über ihre Sportförderung als „Vertraulich – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft, um so Transparenz über ihre Werbeaktivitäten zu verhindern.

Einige wenige Zahlen gibt es dann doch: Für das bundeswehreigene Jugendsportevent „BW-Olympix“ im Jahr 2014 wurden 490.000 EUR ausgegeben. Daran teilgenommen haben ca. 800 Personen zwischen 16 und 17 Jahren. 2015 fand „Bw-Beachen“ in Ingolstadt und Warendorf statt. Kosten 545.000 EUR, erreichte Zielgruppe: 1.000 Jugendliche von 16-17 Jahren. Da kommen wir wieder zurück auf die eingangs gemachte Aussage zur Zielgruppe der Bundeswehrwerbung: Sie scheint sich entgegen der in der Drucksache dargestellten Sicht sehr deutlich im Bereich der Heranwachsenden zu bewegen. Um nicht die völkerrechtlichen Normen bzw. Empfehlungen zur Rekrutierung Minderjähriger zu verletzen, bezeichnet die Bundeswehr diese Veranstaltungen nicht als Rekrutierungsmaßnahme, sondern als „authentische persönliche Dialogplattform im Rahmenprogramm mit Soldatinnen und Soldaten“, mit dem Ziel allgemeines Interesse zu wecken.

Doch zurück zu den originären Werbemaßnahmen, also solchen unabhängig von eigenen Veranstaltungen. Sie dürfte sich mindestens auf dem Niveau des Vorjahres bewegen. Im Jahr 2014 betrug der Etat der Bundeswehr für Sportsponsoring im Fußball 349.000 Euro (TAZ v. 28.9.2014). Hinzu kommt noch die Förderung anderer Veranstaltungen und von Vereinen außerhalb des Fußballs sowie die Durchführung von bundeswehreigenen Veranstaltungen. Ebenso hinzuzurechnen sind die so genannten „Sportsoldaten“, Frauen und Männer, deren Einsatz von Seiten der Bundeswehr gerade mit Blick auf Werbewirkung und Prestige erfolgt. (Der Etat für den letzteren Bereich müsste sonst nicht über die Bundeswehr laufen, sondern es könnten die Mittel aus dem Staatshaushalt direkt in die Sportförderung gehen, ohne Umweg über das Militär.)

 

Die Ergebnisse dieser hohen Investition (und damit verdeckter staatlicher Förderung einzelner Vereine) sind überschaubar. Die Interessent_innen-Datenbank – darin werden Jugendliche aufgenommen, die der Nutzung ihrer Daten zugestimmt haben, – umfasse, laut Angaben der Bundeswehr, im Zeitraum von 2010 und 2014 zwischen 620 (2014) und 1.080 (2011) Interessent_innen jährlich. An diese Interessent_innen werden (obwohl nur einmal jährlich) insgesamt 10.000 Anschreiben erstellt.

Wer sind aber nun die Begünstigten des finanziellen Engagements der Bundeswehr? Insgesamt wurden 2014 56 Vereine durch die Bundeswehr gefördert, im ersten Halbjahr 2015 waren es 47.

Konkret für den Fußball sagen die Zahlen folgendes (wenn nicht anders angegeben bezieht sich die Förderung der Bundeswehr auf die beiden Jahre 2014 und 2015): Als Erstligist ist zum langjährigen Partner und dessen militärfreundlichen Präsidenten Martin Kind Hannover 96 ein zweiter Bundesligist gestoßen – und zwar Bremen. Seit 2014 wirbt Werder Bremen nicht nur mit unappetitlichen Hühnern aus Massentierhaltung, sondern auch mit dem deutschen Militär.

Der VfR Aalen(2014), KSC Karlsruhe(2014), Holstein Kiel, Union Berlin, der 1.FC Nürnberg(2014), Carl Zeiss Jena(2014) und der Chemnitzer FC (2014) zeigten sich ebenfalls militärfreundlich. Unterstützt wird weiterhin der gesamte Berliner Fußballverband. Aus den unterklassigen Ligen werden einige finanziell gefördert (Liste unter https://verqueert.de/bundeswehr-und-werbung-auch-201415-wieder-voll-dabei/)

Kaum beachtet wurde bisher der Handball. In der angeblich stärksten Liga der Welt ist die Bundeswehr Hausherrin in der halben Liga! Vielleicht sollte angesichts der Zahlen eine Umbenennung in Bundeswehr-Liga vorgenommen werden (dieser kleine Sarkasmus sei hier gestattet). Den DKB Handball Supercup unterstützt das Militär bereits:

SG Flensburg-Handewitt

VFL Schwartau

HSG Varel-Friesland

FrischAuf! Göppingen

Füchse Berlin GmbH

SC Magdeburg (2014)

Wilhelmshavener HV (2014)

SG Suhrheide/Schiffdorferdamm (2014)

HSG Wilhelmshaven (2014)

TSV 1846 Isny e.V. (2014)

EHV Aue (2015)

Weitere Kooperationspartnerschaften finden sich im Volleyball, im Basketball, dem Ringen, dem Boxen und dem Motorsport

Um den Rahmen nicht zu sprengen wird an dieser Stelle auf eine Analyse der unterstützen Sportevents verzichtet. Diese sollen in einem gesonderten Artikel beleuchtet werden.

Zusammenfassend ist festzustellen: Die Auswahl der Vereine lässt auch in diesem Jahr keine klare Struktur erkennen. Ein Großteil der Zweitligisten hat – auch durch zunehmende öffentliche Problematisierung – mittlerweile keine Verträge mehr. Dazu gekommen sind hingegen verschiedenste unterklassige Vereine, andere steigen aber auch hier aus der Militärwerbung aus. Insgesamt lässt sich eine hohe Fluktuation erkennen, mit nur einigen wenigen Konstanten, die sich durch die konkrete Unterstützung vor Ort erklären lassen. Hannover 96, Union Berlin, der Rostocker FC, Holstein Kiel und FV Lörrach-Brombach sind solche Vereine. Hier lässt sich die Bundeswehr die Unterstützung der Militärfreundlichkeit einiges kosten. Das heißt im Umkehrschluss auch – Widerstand gegen die Militärwerbung muss gerade auch direkt lokal, vor Ort geschehen. In Rostock und Hannover gibt es schon entsprechenden Widerstand, der bei den Vereinschefs aber noch nicht fruchtet.

Die Bundeswehr hat ein politisches Interesse, im öffentlichen Raum als „normale Arbeitgeberin“ wahrgenommen zu werden. Die geringen Zahlen an Interessierten zeigen aber, dass ihr Konzept über Sportförderung Interessent_innen zu werben, nicht aufgeht. Der Erfolg ist überschaubar, bei hohem finanziellem Aufwand. Dennoch: Die Sportförderung durch das Militär führt dazu, dass es zunehmend das Zivile prägt und der Militarisierung der Gesellschaft Vorschub leistet. Gerade auch deshalb ist weiter die tägliche Auseinandersetzung notwendig, um der zunehmenden Militarisierung des Zivilen etwas entgegen zu setzen.