Friedensnewsletter Dezember 2013

Liebe Friedensfreundinnen und –freunde,

das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Friedlicher ist die Welt 2012 nicht geworden und auch das nächste Jahr lässt wenig Hoffnung. Trotzdem – oder gerade deshalb – gibt es einiges zu berichten und auf Veranstaltungen hinzuweisen. Florence Hervé wird im Rahmen der Ausstellung von Krieg zu Krieg zu einer Veranstaltung nach Hannover kommen, das Friedenbüro und DFG-VK wollen auf einer Jahresendfeier mit euch ins Gespräch kommen und Aydın Öztek wird seinen Film zu Homosexualität und Militär vorstellen. Außerdem bieten wir in diesem Newsletter unter anderem Berichte zu Protesten gegen Militärseelsorge und Bundeswehr in Kirchen und beleuchten den Koalitionsvertrag aus antimilitaristischer Perspektive.

Die Themen im Einzelnen:

  • Termine
  • Aydın Öztek: Trilemma: Rotten, Soldier, Objector
  • Jahresendfeier des Friedensbüros 2013 – Ausklang und Vorschau!
  • Deutsche und französische Frauen gegen Militarismus und Kriege im 20. Jahrhundert
  • Protest zum EKD-Treffen
  • Bericht zum Militärkonzert in der Hof- und Stadtkirche am 28. 11. 2013
  • Gedenkfeier ‚Kurt Willkomm‘ zum 80. Todestag am Ehrengrab auf dem Ricklinger Friedhof
  • Kurzanalyse Koalitionsvertrag aus antimilitaristischer Sicht

Hier findet sich eine gelayoutete leser_innenfreundliche Version des Newsletters .

Termine:
3.12. 19:00
Friedenspolitischer Arbeitskreis, Kargah Aydın Öztek Film und Diskussion Trilemma: Rotten, Soldier, Objector
10.12. 19:00 Deutsche und französische Frauen gegen Militarismus und Kriege im 20. Jahrhundert, Ver.di-Höfe
20.12. 18:00 Jahresendfeier des Friedensbüros 2013 , Wohnzimmer
07.01. 19:00 Friedenspolitischer Arbeitskreis – Schwerpunktthema 1. Weltkrieg

 

Aydın Öztek: Trilemma: Rotten, Soldier, Objector

Am 3.12., 19.00 Uhr im Kargah stellt Aydın Öztek seinen Interviewfilm (30min) über Homosexualität und Kriegsdienstverweigerung in der türkischen Armee vor. Anschließend kann mit dem Filmemacher diskutiert werden.

 

Deutsche und französische Frauen gegen Militarismus und Kriege im 20. Jahrhundert

Vortrag von Florence Hervé am Dienstag, 10.12.2013, 19 Uhr, Ver.di-Höfe
Ob im ersten Weltkrieg gegen Nationalismus und Hurrapatriotismus oder im Widerstand gegen Faschismus und Kollaboration, ob in den 1950er Jahren gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands oder Ende der 1980er Jahre gegen die Militärachse Bonn-Paris: Deutsche und französische Frauen demonstrierten zusammen – über die Grenzen hinweg.

Berichtet wird von gemeinsamen Initiativen gegen Militarismus und Krieg sowie vom Engagement einzelner Frauen wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Louise Saumoneau, Dora Schaul und Danielle Casanova, Klara-Marie Faßbinder und Solange Fernex.

Eine Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Von Krieg zu Krieg zu Krieg – Spuren des Militarismus in der Region Hannover vom 19. Jahrhundert bis heute“

 

Jahresendfeier des Friedensbüros 2013 – Ausklang und Vorschau!
Am Freitag, dem 20. Dezember findet ab 18.00 Uhr die Jahresendfeier des Friedensbüro im ‚Wohnzimmer‘ in Linden statt. Das ‚Wohnzimmer‘ ist ein netter Ort, um in Ruhe, ohne Nachfrage, ob nicht vielleicht doch noch etwas zu konsumieren gewünscht werde, zu klönen oder Wichtiges zu besprechen. Genau das wollen wir bei unserem Treffen tun: Zeit für einander haben, Zeit für Interessierte haben – aber auch über und unsere Arbeit nachdenken: Was hat uns in unserer Arbeit gut gefallen, was war vielleicht nicht so gut – was können wir verbessern – aber auch: ‚Was denken eigentlich Andere über uns?!‘

Eine herzliche Einladung also zum Wohnzimmer, Grotestraße 12 in Linden (gegenüber vom ‚Kleinen Museum‘).

 

Protest zum EKD-Treffen

Am 20. November 2013, Buß- und Bettag und gleichzeitig letzter Tag der diesjährigen, inzwischen 30. ökumenischen Friedensdekade, hielten Mitglieder des Friedensbüros Hannover vor der Herrenhäuser Kirche und vor dem Sitz der EKD jeweils eine Mahnwache.
Mit Flyern samt der Überschrift „Hallo EKD, unsere Bitte: bitte solidarisch statt soldatisch!!!“ spielten sie auf das diesjährigen Friedensdekaden-Motto „Solidarisch?“ an und wendeten sich gegen die Abkehr der institutionalisierten evangelischen Kirche von urchristlichen Werten.

Im Flugblatt heißt es: „Wir kritisieren:

  • was die Evangelische Kirche Deutschlands daraus gemacht hat, wie sie den radikalen Pazifismus Jesu Christi, wie in der Bergpredigt nachzulesen ist, aus dem Alltag unserer Kirche gelöscht hat,
  • das Fehlen einer klaren und unbedingten Absage an Gewalt,
  • die aktive Unterstützung einer Militärseelsorge, die über die wichtige Seelsorge am Menschen hinaus das System von Gewalt und Gegengewalt stützt und am Leben erhält!

Es ist endlich Zeit, einen Wechsel einzuläuten und die Kirche an ihre Wurzeln zu erinnern. Das bedeutet: aktive Friedensarbeit, Absage an jegliche Form von Gewalt, Wiederherstellung einer echten Unabhängigkeit und keine Unterstützung soldatischen Wesens in irgendeiner Form, Engagement für Gütekraft und soziale Gerechtigkeit. Bitte: Fangen Sie JETZT damit an!“

Vor der Herrenhäuser Kirche empfingen Sie die aus dem Buß- und Bettagsgottesdienst strömenden Kirchgänger, darunter viele Mitarbeiter*innen der EKD und führten das eine oder andere Gespräch mit diesen.
Später wurde dann die Mahnwache vor dem Hauptsitz der EKD forgesetzt, zusammen mit zahlreichen Transparenten und eine Drohne samt Werbebanner „Krieg beginnt hier“ wiesen die Friedensaktivisten auf die zunehmende Verquickung und Verstrickung der EKD mit Krieg und soldatischer Tradition hin, sei es im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um Überwachungs- und Kampfdrohnen, wo die EKD sich auf keine klare Stellung für Gewaltfreiheit einlassen mag. Angesprochen wird mit dem Protest aber auch die nach wie vor unfassbaren Unterstützung des kriegerischen Treibens der Bundeswehr durch das Betreiben der Militärseelsorgedienste im Sinne der Armee und durch die Hergabe kirchlicher Räume z.B. für Militärkonzerte. Für diese Zwecke werden den „Feldjägern“ der deutschen Armee die Hausrechte übertragen – die Militärpolizisten besetzen also quasi die Kirchen und führen dort soldatisch uniformiert die Befehlsgewalt aus.
Nach gut zwei Stunden Protest und 200 verteilten Flyern an Passanten und Interessierte wurde die Mahnwache bei schönstem Wetter und guter Laune wieder beendet.

 

Bericht zum Militärkonzert in der Hof- und Stadtkirche am 28. 11. 2013

Ja, das war ein anstrengender Tag gestern. Und die Vorbereitungszeit hatte es auch in sich. Noch in allerletzter Minute haben wir es durch das Gespräch eines befreundeten Rechtsanwalts mit der Polizeidirektion geschafft, einen Lautsprecherwagen benutzen zu dürfen.
Aber der Reihe nach: Bereits um kurz nach 12 Uhr haben sich Einige von uns vor der Kirche getroffen und von dort aus einen ‚Holy Military Walk‘ gestartet: Als Nonnen mit Knarre und als Soldat mit Kreuz verkleidet (wollten) haben wir die Menschen auf die durch das Konzert (u. a.) offensichtliche Verbindung von Militär und Kirche hingewiesen und sind im Rahmen dieser Aktionskunst mit den Leuten in Interaktion geraten. Diese satirische Verbindung von Nonne und Waffe / Soldat mit Kreuz  war unheimlich wertvoll, auch als Gesprächsaufhänger. Es hatte ja sogar das Militär (die 1. Panzerdivision) für das Konzert eingeladen, d. h. es waren nur Uniformen und deren Vertraute in der Kirche überhaupt zugelassen. Von wegen: ‚Offene Kirche‘ und Hort des Friedens! Bei unserem Gang über den Weihnachtsmarkt und in die Innenstadt stießen wir manchmal auf Unverständnis,– wir konnten aber auch mit vielen Menschen gute Gespräche führen!

Zur Stadtkirche zurückgekehrt schloss sich dann noch ein weiterer Gang durch die Stadt an: Diesmal mit den Namen und Daten von getöteten Zivilist_innen des Kunduz-Anschlags durch die Bundeswehr. Wir wollten damit anschaulich machen, was Krieg bedeutet. Und Oberst Klein ist ja inzwischen sogar die Karriereleiter hoch gestolpert. Belohnung fürs Töten – war ja schließlich Krieg. Wie Recht sie haben!

Und am Abend dann das Konzert! Abgeriegelt nach allen Regeln der Kunst – aber unser Chor durfte dann doch nahe an den Einlass der Kirche. Gesungen wurden alte und neue Antikriegslieder – die wären in der Kirche ohne Militär gut platziert gewesen! Mit den Schildern von Kunduz, vielen Plakaten mit Friedens- bzw. antimilitaristischen Botschaften, Transparenten und im Dunkeln gut sichtbaren Leuchten waren wir gut sichtbar und mit dem Lautsprecher auch gut hörbar – auch wenn wir mit mehr Unterstützung gerechnet hatten.

 

Gedenkfeier ‚Kurt Willkomm‘ zum 80. Todestag am Ehrengrab auf dem Ricklinger Friedhof

Am 16. November 1933 – also in diesem Jahr vor 80 Jahren – wurde Kurt Willkomm von den Nazis brutal ermordet. Wir – verschiedene Gruppen aus dem antifaschistischen/friedenspolitischen Bereich zusammen mit Karljosef Kreter vom ‚Projekt Erinnerungskultur‘ der Stadt Hannover –  haben aus diesem Anlass eine Gedenkveranstaltung am Ehrengrab auf dem Ricklinger Friedhof, wo Kurt Willkomm damals von den Nazis verscharrt wurde, veranstaltet. Die beiden Enkeltöchter von Kurt Willkomm und Grete Hoell waren mit weiteren Angehörigen gekommen und insgesamt waren wir etwa 40 Menschen. Ein kleiner Chor und verschiedene Ansprachen, die uns Kurt Willkomms Leben und Tod aus verschiedenen Sichtweisen nahe brachten, standen im Zentrum der Gedenkfeier. Das Grab war vor der Gedenkfeier freundlicherweise von der Stadt gereinigt worden, sodass es mit den niedergelegten und eingepflanzten Blumen jetzt wirklich wie ein Ehrengrab aussieht.

Die Enkeltöchter zeigten sich vor allem darüber erfreut, dass viele junge Menschen gekommen waren und dass noch versucht werden soll, Schüler_innen aus der IGS Mühlenberg für eine Patenschaft zu gewinnen. Denn das Gedenken an die Ermordung des damaligen 28jährigen Kurt Willkomm soll dazu beitragen, dass Verfolgung, Folter, Mord und Krieg nie wieder im Namen Deutschlands geschehen!“

 

Kurzanalyse Koalitionsvertrag aus antimilitaristischer Sicht

(erschienen zuerst auf www.verqueert.de)
Der Koalitionsvertrag wird – so er von der SPD akzeptiert wird – die Militarisierung von Gesellschaft und Politik vorantreiben. Einige Schwerpunkte habe ich herausgesucht:

So soll der Bundesfreiwilligendienst nicht mehr nur zivil wahrgenommen werden können (man erinnere sich, er war als Auffangbecken für den wegfallenden Zivildienst mit Außerkraftsetzung der Wehrpflicht gedacht) sondern es soll nun ein weiterentwickelter Freiwilligendienst bei der Bundes­wehr ergänzend hinzukommen.

Die Europäische Union soll ihre internationale Politik stärker selbstständig gestalten, dazu sollen neben zivilen auch militärische Mittel bereitgestellt und verbessert werden. Sie „braucht mehr denn je eine strategische Diskussion, was sie mit vorrangig zivilen Mitteln oder gegebenenfalls auch militärischen Einsätzen erreichen kann und will. […] Wir setzen uns dafür ein, die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen und Europas zivile sowie militärische Fähigkeiten zur Krisenprävention und Konfliktbeilegung zu verbessern.“ Für nicht geographisch nahe Orte sollen vermehrt regionale Partner und Organisatoren zu Einsatz kommen. Im Klartext: Deutschland will die EU dazu befähigen autonom weltweit Krieg zu führen und schlägt als kostensparende und europäische Soldaten ‚sparende‘ Variante die Ertüchtigung regionaler ‚Partner‘ vor. Waffen- und KnowHow-Lieferungen in Krisengebiete sind in größerem Umfang zu erwarten. Im Rahmen der NATO erfolgt ein Bekenntnis zum aktuellen strategischen Konzept und sie möchte ihren Kriegshaushalt möglichst optimal in das Bündnis einbringen.

Deutschland steht bereit, wenn „Beiträge zur Lösung von Krisen und Konflikten erwartet werden.“ Vorrangig zivil, aber auch die militärische Option wird nicht ausgeschlossen. Ressortübergreifende Zusammenarbeit für eine effektive Außen- und Sicherheitspolitik unter Nutzung ziviler und militärischer Instrumente wird vereinbart. Eine Kommission soll prüfen, inwieweit der Parlamentsvorbehalt für schnellere Einsätze aufgeweicht werden kann.

Die Bundeswehrreform mit ihrem Umbau in eine flexible Interventionsstreitmacht wird wie geplant fortgeführt, allenfalls kosmetische Änderungen zur Beruhigung einiger Wahlkreise sind zu erwarten.

Sorgen machen sich die Koalitionäre um das Ansehen der Militärs. Eine Attraktivitätsoffensive ist geplant, öffentliche Gelöbnisse und explizit der Einsatz der Jugendoffiziere als Werber in Schulen werden festgeschrieben.

Kein Problem hingegen hat die Bundesregierung in spe mit Drohnen. Allerdings hätte man schon gern eine eigene europäische. Den letal wirkenden Drohnen wird vorerst eine Absage erteilt. Eine Hintertür aber offen gehalten : „Vor einer Entscheidung über die Beschaffung qualitativ neuer Waffensysteme werden wir alle damit im Zusammenhang stehenden völker- und verfassungsrechtlichen, sicherheitspolitischen und ethischen Fragen sorg­fältig prüfen. Dies gilt insbesondere für neue Generationen von unbemannten Luftfahrzeugen, die über Aufklärung hinaus auch weitergehende Kampffähigkeiten haben“

Ein Kapitel zu Rüstungsexporten findet sich passenderweise im Kapitel zur Außenwirtschaft. So wird gleich deutlich, unter welchem Gesichtspunkt der Export von Mordwaffen in alle Welt gesehen wird. Die bisherigen Richtlinien aus dem Jahre 2000 sollen verbindlich sein, allerding soll über Exportgenehmigungen der Bundestag schneller informiert werden, allerdings – soll explizit der Bundestag darüber entscheiden in welcher Form das passieren soll. Daher ist nicht mit einer Information der Öffentlichkeit sondern nur der Inbezugnahme eines geheim tagenden Gremiums zu rechnen. Hier sind definitiv keine Verbesserungen zu erwarten.

Es zeigt sich unverhohlen. Mit diesem Koalitionsvertrag wird Krieg als Mittel der Politik weiter festgeschrieben. Insbesondere die zivil-militärische Zusammenarbeit, die Militarisierung der zivilen Gesellschaft und die Verlagerung der Kriegsrisiken auf ‚Partner‘ und Technik wird vorangetrieben. Waffenexporte sind dazu ein Mittel. Nichtmilitärische Lösungsansätze werden nicht gestärkt. Zur Sicherstellung der Heimatfront ist mit massiven Werbekampagnen zu rechnen.

Regelmäßige Termine des Friedensbüros Hannover

Friedenspolitischer Arbeitskreis an jedem 1. Dienstag im Monat um 19 Uhr im Kargah, Zur Bettfedernfabrik 1 (Hannover, FAUST-Gelände)

Aktiventreffen an jedem 3. Mittwoch im Monat um 19 Uhr in Hannover im Haus der Jugend, Maschstr.

Friedenspolitischer Stammtisch an jedem 4. Freitag im Monat um 19 Uhr im Café K, Hannover Linden; Pariser Platz (falls geschlossen im Exil gegenüber) – Achtung fällt im Dezember aus!