Friedensnewsletter 01/2014

Gesucht wird der mutmaßliche Pazifist Jesus von Nazareth. Wegen Friedenshetze, fortgesetzter Kriegsdienstverweigerung und Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Der Gesuchte macht rücksichtslosen Gebrauch von seiner Friedfertigkeit und befindet sich im Besitz staatsgefährdender Materialien wie dem Urtext der Bergpredigt. Er hat an illegalen Besetzungsaktionen von Tempeln, Ställen und anderen der militärischen Sicherheit dienenden Anlagen teilgenommen. Meldungen nimmt jede Polizeidienststelle entgegen, für die Ergreifung des Täters sind dreißig Silberlinge als Judaslohn ausgesetzt.                                                                                  Peter Schütt (*1939), Wanted

Liebe Friedensfreundinnen und –freunde,

noch einmal kurz vor dem Jahreswechsel einen eher kurzen Newsletter. Unsere neue Kriegsministerin wird am 9.1. Januar im Niedersächsischen Landtag – mal wieder – Soldatinnen und Soldaten nach Afghanistan verabschieden – unterstützt vom Ministerpräsiden Weil und Oberbürgermeister Schostok. Dagegen wollen wir mit einer kleinen Kundgebung vor dem Landtag protestieren. Auch wenn die Uhrzeit ungünstig ist – wir haben sie uns nicht ausgesucht – hoffen wir auf zahlreiches Erscheinen. Außerdem hier im Newsletter ein vertiefender Blick auf den Koalitionsvertrag unserer übergroßen neuen Regierungskoalition und .

Die Themen im Einzelnen:

  • Termine
  • Protest gegen Soldatenverabschiedung am 9.1.14
  • außen- und entwicklungspolitische Vorstellungen im Koalitionsvertrag
  • „lebensschonende“ Wirkung von Drohnen

Wir wünschen einen guten Rutsch und ein gesundes und hoffentlich friedfertigeres Neues Jahr.

Kritik, Hinweise und Vorschläge bitte an newsletter@frieden-hannover.de.

PS: Wie immer findet sich eine gelayoutete leser_innenfreundliche Version des Newsletters hier.

Termine:
07.01. 19:00 Kargah,
Friedenspolitischer Arbeitskreis, Vorbereitung Protestaktion am 9.1.

09.01. 9:30 Kreuzung Karmarschstr. / Leinstr., Protesaktion Verabschiedung Soldat_innen nach Afghanistan

15.01. 19:00 Haus der Jugend, Aktiventreffen; Thema: Vorbereitung Aktionen 100 Jahre 1. Weltkrieg
Aufruf: Kein Festakt für die Bundeswehr – nicht in unserem Namen!

Am Donnerstag, dem 9.1.2014 ab 10.30 Uhr findet im niedersächsischen Landtag Hannover ein Festakt zur Verabschiedung von Soldatinnen und Soldaten der 1. Panzerdivision statt, die 2014 in Auslandseinsätze in Afghanistan, auf den Balkan und nach Mali geschickt werden. Als Teilnehmer*innen sind unter anderem Kriegsministerin von der Leyen, Landtagspräsident Busemann, der niedersächsische  Innenminister Pistorius und der Kommandeur der 1. Panzerdivision, Carsten Jacobson angekündigt. Zudem wird es ein Grußwort von Oberbürgermeister Schostok geben.

Die 1. Panzerdivision mit ihrer Stabstelle in Hannover ist Leitdivision der Bundeswehr in Afghanistan, dem Kosovo und Mali und damit unmittelbar an den dortigen Kriegseinsätzen auch gegen die Zivilbevölkerung beteiligt.

In einem Zitat Busemanns auf der Homepage des Landtags ist von einer engen Verbundenheit mit den Soldatinnen und Soldatinnen, hoher Wertschätzung und guten

Wünschen für ihre Aufgaben die Rede. Wir teilen diese Haltung nicht und lehnen es ab, dass gewählte Vertreter*innen in unserem Namen einen Schulterschluss mit dem Militär vollziehen. Hier soll legitimiert werden, dass die Bundeswehr weltweit für wirtschaftliche und machtstrategische Interessen der Bundesrepublik Deutschland, der EU und der NATO über Leichen geht und korrupte und menschenverachtende Regime stützt. Früher redeten sie von „Brunnenbau“, „Mädchenschulen“ und „humanitären Missionen“, heute ist von „Krisenmanagement“, „Demokratie“, und „globaler Verantwortung“ die Rede. Wir glauben diese Lügen nicht!

Kriegsführung in unserem Namen wird erst dann enden, wenn wir uns der Militarisierung von Alltag, Politik und Medien, den Rekrutierungsveranstaltungen an Schulen, der Miltärforschung  an Universitäten, den Militärkonzerten in Kirchen, der Arbeit in Rüstungskonzernen und dem Dienst in der Bundeswehr verweigern und widersetzen.

Lassen wir sie nicht in Ruhe feiern – nicht in unserem Namen!

Kommt zur Kundgebung!  Beteiligt Euch mit phantasievollen Aktionen !

Donnerstag    9.1.2014    9.30 Uhr  Kreuzung Karmarschstr. / Leinstr.

 

außen- und entwicklungspolitische Vorstellungen im Koalitionsvertrag

(erschienen auf www.verqueert.de)

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist aus friedenspolitischer Perspektive sehr problematisch. Letztlich liefert er die argumentative Basis für kriegerische und rassistische Politiken.

In der Außenpolitik setzt die Koalition weiter auf vorhandene Strategien von schwarz/gelb. Unverhohlen wird das westliche Selbstverständnis von Demokratie und Wirtschaft auf die ganze Welt übertragen – notfalls soll dies mit Gewalt geschehen, zumindest wird auch diese Option deutlich. Einen besonderen Schwerpunkt setzt die neue Bundesregierung dabei auf den Schutz der Religionsfreiheit. Das meint sie natürlich nicht im Inneren – also nicht Religionsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland selbst –, sondern sie will den Schutz christlicher Kirchen in aller Welt. Diese Fokussierung spiegelt sich auch in der Favorisierung außenpolitischer Allianzen. Setzte sich Merkel noch dafür ein, das in der EU-Verfassung deutlich die „christlich-abendländische“ Kultur als normativer Standard gesetzt werden sollte und konnte sie sich dort (zum Glück) nicht durchsetzen, so ist die Bündnispolitik schon länger so gestrickt, ein Christliches gegen ein vermeintlich bedrohliches „Anderes“ zu organisieren. Das wollen CDU/CSU/SPD fortsetzen: Als Partner werden als erste EU und NATO im Sinne einer transatlantischen Achse angeführt, erst nachgeordnet bezieht man sich auf die legitimen völkerrechtlichen Institutionen: die UN. Im Inland zeigt sich die Hintergrundfolie für die außenpolitisch betriebene Gegnerschaft: Für die Innenpolitik werden keine Perspektiven angeboten, wie Religionsfreiheit umgesetzt werden soll, obgleich hier klare Notwendigkeit besteht, denkt man etwa an die massive rassistische Hetze von Mehrheitsdeutschen gegen den Bau von Moscheen. Die „Integrationsforderung“ zeigt sich im Koalitionsvertrag weiter als einseitig an Menschen mit Migrationshintergrund – insbesondere Muslim_innen – gerichtet, anstatt die Basis für ein Umdenken zu legen. „Integration“ muss heißen Kommunikation, Miteinander, gegenseitiges Interesse. Entsprechend sind auch Weiße, Mehrheitsdeutsche gefordert.  Innen wie außen klingt der Koalitionsvertrag fast schon drohend: „Wir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten. Dabei lassen wir uns von den Interessen und Werten unseres Landes leiten […] Wir stehen bereit, wenn von unserem Land Beiträge zur Lösung von Krisen und Konflikten erwartet werden.“

Dieser Satz ist der zentrale Ansatz für die zu erwartende Kriegspolitik der Bundesregierung. Es geht um globale Mitbestimmung und die Sicherstellung der eigenen Interessen. Dies kann – ja muss – im Rahmen einer Strategie verstanden werden, die ökonomische Vormachtstellung des globalen Nordens und seine kulturelle Hegemonie zu sichern.

Aus dem Friedensnobelpreis für die EU leiten CDU/CSU/SPD deren besondere Rolle für die Gestaltung der internationalen Politik ab. Das dies auch militärisch erfolgen soll, lassen sie außer Zweifel:  „Die Europäische Union braucht mehr denn je eine strategische Diskussion, was sie mit vorrangig zivilen Mitteln oder gegebenenfalls auch militärischen Einsätzen erreichen kann und will. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten können wertvolle Hilfe beim Aufbau von Demokratie, rechtsstaatlichen Systemen und einer leistungsfähigen Verwaltung in Drittländern leisten. Das gilt insbesondere für die Bereiche der Polizei und Justiz. Wir setzen uns dafür ein, die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen und Europas zivile sowie militärische Fähigkeiten zur Krisenprävention und Konfliktbeilegung zu verbessern.“ Darum geht es also. Aufbau von Polizei und Justiz, bei Sicherstellung westlicher Normvorstellungen von Gesellschaft. Paternalistisch wird die Welt befriedet. Das Demokratie nur aus einer Gesellschaft entstehen kann und die eigenen Moralvorstellungen ad absurdum gesetzt werden, werden sie mit Bomben durchgesetzt, ist nicht im Blick. Ziele einer solchen Ordnung, so das Papier: seien eine „gerechte Weltordnung, die Durchsetzung der Menschenrechte und die Geltung des Völkerrechts“. Außerdem wolle man sich „für nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung […]“ einsetzen. Für den Nahen Osten wird das auch gleich durchexerziert: „Wir unterstützen die Transformationsprozesse derjenigen arabischen Staaten, in denen sich eine positive Entwicklung zur Demokratie und zum gesellschaftlichen Pluralismus abzeichnet. […] Der Umgang mit der jeweiligen Opposition, die Gewährung elementarer Grund- und Freiheitsrechte einschließlich des Rechts auf Religionsfreiheit sowie die Existenz einer freien Presse- und Medienlandschaft sind für uns ausschlaggebende Kriterien für die Unterstützung dieser Staaten. […] Das Urteil gegen Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung […darf] keinen Bestand haben. Wir beobachten mit großer Sorge, dass die Lage der Christen und anderer religiöser und ethnischer Minderheiten in Nordafrika, dem Nahen oder Mittleren Osten nach dem Sturz der autoritären Regime sich zum Schlechteren entwickelt.“  Lässt man die Floskeln weg, wird deutlich: Es geht um die Sicherstellung deutscher Hegemonie.

Entsprechend der vorgebrachten Prämissen wird auch die Entwicklungshilfe ausgerichtet: „Wir fördern den Aufbau einer sozial und ökologisch ausgerichteten Marktwirtschaft, gute Regierungsführung und die Mitwirkung der Zivilgesellschaft.“  Schwerpunkte sollen Bildung, die Gleichstellung der Geschlechter und Gesundheit sein. ‚Gute Regierungsführung‘ kann wiederum nur als paternalistische Übernahme westlicher Normen und Werte verstanden werden, die Forderung nach eigenentwickelten Strukturen und selbstentwickelnder Formen des Zusammenlebens – der eigenständigen (Weiter-)entwicklung von Gesellschaften sucht man vergebens. Unter der Prämisse wird klar, woran dann Hilfe geknüpft wird: „Zwischenstaatliche Zusammenarbeit mit Ländern, in denen das Regierungshandeln systematisch im Widerspruch zu unseren [!] Werten steht, soll nur erfolgen, wenn unsere Unterstützungsmaßnahmen zu Veränderung beitragen können, wenn dies aus humanitären Gründen geboten ist oder wenn es Frieden und Sicherheit dient.“  Im Zusammenhang mit der vorher erläuterten neuen Rolle von EU und NATO, lässt sich daraus problemlos auch der Vorwand für militärisches Eingreifen konstruieren.

Die Außenpolitik wird sich also auch weiter darauf stützen, mit Hilfe von Entwicklungshilfe und der Drohung militärischer Interventionen Politik zu machen. Bundeswehreinsätze werden im Vertrag zum Normalzustand erklärt. Krieg ist Mittel der Politik.

 

Drohnendebatte

Die Diskussion um die Verwendung von (Kampf)Drohnen – vor allem als europäisches Projekt gedacht – geht weiter. Die ‚Drohnen-Kampagne dagegen auch: Heute fand sich im Drohnen-Verteiler ein Hinweis auf einen Artikel im Guardian v. 29. Dez. 2013 von einer Frau, die im Drohnen-Programm gearbeitet hat. Der Artikel ist in englischer Sprache; ein ganz kleiner Ausschnitt findet sich unten übersetzt.

Heather Linebaugh | The Guardian

http://www.theguardian.com/profile/heather-linebaugh

Heather Linebaugh, veröffentlicht im ‘The guardian’.com, Sunday 29 December 2013

“Ich habe in einem US-Drohnen-Programm gearbeitet. Die Öffentlichkeit sollte wissen, was da wirklich vor sich geht. Wenige der Politiker(innen), die so großmäulig die Vorteile von Drohnen verkünden, haben eine Ahnung davon, wie sie wirklich funktionieren (oder auch nicht.) (..) Ich habe diese Bilder wirklich gesehen. Ich kannte die Namen einiger junger Soldaten,  die am Rande des Weges zu Tode bluteten.  (…) Die ‚unbemannten‘ Drohnen werden im Mittleren Osten  als Waffen, nicht zum Schutz benutzt. So lange, wie unsere Öffentlichkeit das ignoriert, wird diese ernsthafte Bedrohung des Wertes von menschlichem Leben – zu Hause und im Ausland –  weitergehen.“