die kirche und das militaer

(mit feundlicher Genehmigung von Devianzen.de)

in den 1980er jahren waren die kirchen ost- und westdeutschlands häufig knotenpunkte der friedensbewegung. das prinzip der gewaltlosigkeit, des friedlichen widerstands und der nicht-kooperation werden in vielen biblischen texten beschrieben und als grundlage eines lebens im christlichen glauben verstanden.

ein viertel jahrhundert später sieht die welt ganz anders aus. militärpastoren und -pfarrer sind mit deutschen soldaten im krieg unterwegs und es gibt eine starke verquickung zwischen den institutionen der kirche und der “bundeswehr”.

soldaten sind menschen.

doch eine trennlinie zwischen der fürsorge und dem da-sein für menschen und der durch eine zu enge unterstützung der kriegführenden “bundeswehr” faktisch gewordenen förderung des systems von krieg und terror scheinen die funktionäre der kirche nicht wahrzunehmen.

an vier zusammenhängen beleuchtet:

1.) die ökumenische initiative “militärseelsorge abschaffen”

am 22. september 2012 hat sich in jena die “ökumenische initiative zur abschaffung der militärseelsorge” gegründet. von einem verstörend wirkendem ausschnitt eines gottesdienstes auf dem militärflughafen köln-bonn an- bzw. aufgeregt haben sich ein paar wenige geistliche zusammengetan, um die zweifelhafte zusammenarbeit von kirchen und militärsystem öffentlich infrage zu stellen.

spricht man kirchenvertreter darauf an wird man immer wieder mit den vorwürfen konfrontiert, dass doch genau das der “auftrag christi” sei: für belastete und in not geratene menschen da zu sein, unabhängig von ansehen und stand. ohne jede frage sind viele soldaten im krieg genau solche menschen. gerne oder aus unwissenheit wird dabei übersehen, dass die initiative zur abschaffung der militärseelsorge dieses überhaupt nicht in abrede stellt. sie plädiert vielmehr für eine strikte trennung von geistlicher seelsorge und dem deutschen militärsystem um die kirche nicht weiter als eingegliedertes rädchen im getriebe der kriegssystematik fungieren zu lassen. sehr ausführlich und fundiert haben das die initiativengründer auf ihren seiten mit den “folgerungen und forderungen” dargestellt.

2.) evangelische presse und ihr bild vom militär

die für niedersachsen herausgegebene “evangelische zeitung” hat einen üblichen umfang von 24 seiten, von denen seit längerer zeit eine ganze seite unter der rubrik “aus der militärseelsorge” geführt wird. am aktuellen beispiel der ausgabe vom 18. november 2012 (abbildung rechts nebenan aus urheberrechtsgründen jedoch unleserlich gestaltet) wird deutlich, wie sich die zeitung als vertreter einiger kirchen positioniert:

in den insgesamt sechs beiträgen auf dieser seite findet sich kein einziges kritisches wort, geschweige denn ein verweis auf die kritische ökumenische initiative zur abschaffung der militärseelsorge.

in zwei der sechs beiträge darf der wehrbeauftragte des bundestags herr königshaus seine meinungen unreflektiert zum besten geben. mal fordert er mehr “familienfreundlichkeit” für die angehörigen der bundeswehr (angesichts des mitgetragenen familienterrors in afghanistan reichlich schräg), mal verlangt er mehr “wertschätzung von soldaten im auslandseinsatz” und manifestiert unhinterfragt den “veteranen”-begriff.

ein weiterer beitrag berichtet von der “verabschiedung” oldenburgischer soldaten, die in den afghanistan-einsatz ziehen und erinnert damit auf fatale weise an die einsegnung deutscher soldaten im ersten und zweiten weltkrieg.

der bebilderte hauptartikel schildert dann, wie soldaten des großen panzerstandorts in munster in die dortige kirchengemeinde einziehen, der kantor auf dem “feldharmonium, dem klassischen instrument der militärseelsorge” luthers choral “ein feste burg ist unser gott” darbietet (“ein kleiner höhepunkt”) und die gemeinde sich nach dem gottesdienst gemeinsam mit uniformierten soldaten zu einer “deftigen erbsensuppe” zusammenfand – ausgeschenkt selbstverständlich von der im gemeindegarten geparkten “bundeswehr”-feldküche.

3.) die ekd, die evangelische landeskirche hannover und das militär

spätestens seit einem vorfall aus 2009 haben friedensbewegte in hannover ein reichlich gespaltenes verhältnis zur evangelischen kirche.

damals fand zum erneuten male ein adventskonzert der “bundeswehr” in einer der hannoverschen kirchen statt. das auftreten uniformierter soldaten im altarbereich einer kirche wollten einige junge antimilitaristische menschen nicht unwidersprochen hinnehmen und daher am ende eines regulären gottesdienstes in dieser kirchengemeinde durch eine ansprache darauf aufmerksam machen. “höflich, ruhig und sachlich”, wie einige neutrale gemeindemitglieder zu berichten wissen.

der dort tätigen pastorin war das nicht recht, die ebenfalls anwesende landesbischöfin hielt sich heraus. letztenendes holte man die polizei, um diese menschen aus der kirche “entfernen zu lassen”. es kam zu festnahmen und identitätsfeststellungen. in einem fall musste sich eine frau auf der polizeiinspektion nackt ausziehen und wurde verbal gedemütigt, obwohl kein grund für diese behandlung vorlag, hatte sie sich doch zuvor sogar mit ihrem personalausweis ausgewiesen …

die allermeisten tageszeitungen berichteten derart, dass man sich des eindrucks einer gewaltbehafteten aktion nicht erwehren konnte, was nach aussagen mehrerer anwesender völlig unzutreffend ist. diese medialisierung gipfelte in der aussage eines kirchenvorstehers dieser gemeinde, wonach es sich um einen gewalttätigen protest gehandelt habe. interessant dabei ist zu wissen: dieser herr war bei dem besagten gottesdienst gar nicht anwesend.

seither hat die kirchengemeinde die maßnahmen gegen unerwünschte kritik an militärkonzerten drastisch verschärft: die kirche wird vor dem konzert von der “bundeswehr” durchsucht, der raum um die kirche viele stunden vor dem konzerttermin von polizei und militär gemeinsam abgeriegelt. der jährliche termin dieser veranstaltung wird sogar vor der eigenen kirchengemeinde geheim gehalten, besuchen dürfen das konzert nur intransparent ausgewählte und vermutlich unkritische gemeindemitglieder. polizisten und verfassungsschützer in zivil begleiten und beobachten die proteste rund um die kirche sehr genau.

übrigens:

am nächsten donnerstag, den 29. november 2012 ist das nächste adventskonzert. für den zeitraum ab 18 uhr hat das hannoversche friedensbüro bereits eine protestkundgebung angekündigt.

einen argumentativ-konstruktiven austausch zwischen kritikern und kirchenvertretern gibt es derzeit so gut wie nicht. versuche, eine gemeinsame diskussionsveranstaltung zu organisieren scheiterten erst an organisatorischen ausflüchten der gemeindepastorin (“es ist gerade adventszeit, da ist zu viel zu tun, danach gerne”) und danach an den seitens der pastorin gestellten bedingungen, wonach der dialog mit höchsten vertretern der “bundeswehr”, nicht aber mit den mitgliedern der kirchengemeinde zu führen sei. weitere sachliche kontaktaufnahmeversuche an die pastorin blieben bis heute unbeantwortet – ein verhalten im widerspruch zu dem, was die betroffene hannoversche “neustädter hof- und stadtkirche” mit ihrem werbebanner “offene kirche” vorgibt.

4.) die jüngsten mahnwachen des friedensbüros hannover

die just beendete woche zur ökumenischen friedensdekade nahm das friedensbüro hannover zum anlass, vor dem landeskirchenamt hannover auf all diese zusammenhänge mit einer mahnwache hinzuweisen. am mittwoch, den 14. november 2012 fanden sich ein knappes dutzend friedensbewegte zusammen, um mit bannern, “denkzetteln” und percussiv unterstützten gesängen auf die aus ihrer sicht bestehenden mißstände hinzuweisen. die mitarbeiter des amts nahe der berüchtigten militärmusik-kirche waren überrascht. der für die landeskirchliche “friedensarbeit” beauftragte herr rainer kiefer hielt eine kurze ansprache an die protestierenden, deren inhaltliches wesen ähnlich wie die erklärungen des ekd-oberkirchenrats herrn roger mielke an der eine woche später (also vorgestern) abgehaltenen mahnwache vor der zentrale der evangelischen kirche deutschlands (ekd) ausfiel: man habe ja nichts dagegen, es sei auch gut, dass es unterschiedliche positionen gäbe, aber man könne sich dieser meinung nicht anschließen. ein land wie deutschland sei ohne militär undenkbar, so eine andere argumentationslinie.

ebenfalls bemerkenswert ist die aussage eines angestellten, der eine der beiden mahnwachen fast die gesamte zeit zu bewachen schien. er selber sei für die öffentlichkeitsarbeit zuständig, aber für diese speziellen fragen habe man seine “experten”.

immerhin:

beide mahnwachen fanden aufgrund des bunten auftritts eine unerwartet große aufmerksamkeit. auch wenn die eingeladene presse keinen journalisten entsendet hat, so war das interesse der vorbeigehenden und -fahrenden menschen groß genug, damit 400 “denkzettel” am ende vollständig an ausschließlich interessierte menschen verteilt werden konnten.

es bleibt die hoffnung auf eine zukünftig offenere diskussion und auf eine deutliche abgrenzung der kircheninstitutionen von kriegsfördernden strukturen.