Den INF-Vertrag erhalten
Russische Einladung zu Vor-Ort-Inspektionen annehmen!
Veto gegen neue US-Raketen in Europa einlegen!
US-Atomwaffen aus Büchel abziehen!
Bundeswehr abrüsten!
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Berlin, 1. Februar 2019 – Anlässlich des Austritts
der US-Regierung aus dem INF-Vertrag erklärt der Bundesausschuss
Friedensratschlag in einer ersten Stellungnahme:
Wenn es bei der Kündigung des INF-Vertrags durch
die US-Regierung – gegen den ausdrücklichen Willen Russlands – bleibt
und sie nach Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist wirksam wird,
droht eine Eskalation bis zum 3. Weltkrieg.
Als Folge des INF-Vertrages 1987, dem ersten
nuklearen Abrüstungsvertrag überhaupt, vernichteten die USA und die
Sowjetunion eine ganze Waffenkategorie: landgestützte
Mittelstreckenwaffen (Reichweiten von 500 bis 5.500 km). Seitdem ist es
beiden Staaten – USA und Russland als Nachfolgestaat der UdSSR –
verboten, diese Raketen und Marschflugkörper bodengestützt
aufzustellen, ganz gleich, ob sie nuklear oder konventionell bestückt
sind. Flugzeuge und Schiffe als Trägermittel sind dagegen erlaubt. Der
INF-Vertrag hat sich als wesentliche Sicherheitssäule erwiesen. Über
erprobte Verifikationsverfahren war er Vorbild für weitere
Abrüstungsverträge, die das Ende des Kalten Krieges markierten.
Die US-Regierung begründet die Vertragskündigung
mit einer angeblichen dauerhaften Vertragsverletzung Russlands, die
bereits 2008 begonnen habe. Ein Marschflugkörper des Typs SSC-8
(russisch: 9M729) mit einer Reichweite von 2.600 km sei erst getestet,
dann in mehreren Bataillonen mit je 24 Flugkörpern stationiert worden.
Öffentlich zugängliche Belege gibt es dafür nicht. Ein Satellitenfilm
aus US-Geheimdienstkreisen soll einen verbotenen Flug dokumentieren, der
die NATO-Partner überzeugt habe. Die russische Seite bestreitet nicht
die Existenz der 9M729. Sie gibt seine maximale Reichweite jedoch mit
lediglich 480 km an, was vertraglich zulässig ist. Einladungen an die
NATO-Seite, den Flugkörper in Augenschein zu nehmen, wurde nicht
nachgekommen. Stattdessen wird Russland aufgefordert, diese Flugkörper
zu vernichten, obwohl Verifikationsexperten von UNO und Bundeswehr eine
Vor-Ort-Inspektion für ausreichend halten, um die NATO-Vorwürfe zu
klären.
Bisher deutet nichts darauf hin, dass die NATO
bereit ist, auf russische Klärungsversuche einzugehen. Das legt die
Vermutung nahe, dass zumindest die USA den Vertrag zerreißen wollen, um
freie Hand für die Stationierung von neuen Mittelstreckenwaffen zu
haben. Die von ihnen behauptete russische Vertragsverletzung bildet so
nur den Vorwand für neue Aufrüstungsschritte der NATO. Für diesen Fall
hat Russland militärische Gegenmaßnahmen angedroht.
Nach der Kündigung des INF-Vertrages eröffnen sich
für die USA weltweit Möglichkeiten, nukleare und konventionelle
Mittelstreckenwaffen landgestützt aufzustellen. Zu denken ist an die
Nähe zur VR China, den Iran, Venezuela, Kuba, Nord-Korea usw.. Ebenso
steht das NATO-Gebiet in Europa, mit Ausnahme des Gebiets der ehemaligen
DDR (durch Zwei-Plus-Vier-Vertrag ausgeschlossen) dafür offen.
Besonders in Frage kämen dafür jene Regionen, die nahe an der russischen
Grenze liegen (Baltikum, Polen, Bulgarien, Rumänien), aber auch der
Westen Deutschlands sowie andere ehemalige Mitgliedstaaten des
Warschauer Vertrages und NATO-Mitglieder auf dem Balkan. Je näher die
Stationierungsorte an der russischen Grenze liegen, desto kürzer werden
die Vorwarnzeiten und desto höher wird die Atomkriegsgefahr. Die
Friedensgefährdung übersteigt dann jene, die durch die Stationierung von
Pershing II und Cruise Missiles Anfang der 80er Jahre in Westeuropa
virulent war.
Die US-Regierungen lassen ihre Atomwaffen samt
Trägermittel modernisieren, was eine Billion Dollar verschlingen wird.
Dramatisch wird dieses Vorhaben im Kontext der jüngsten
US-amerikanischen Atomwaffenplanung, wie sie in der Nuclear Posture
Review von 2018 festgelegt wurde: Die US-Atomsprengköpfe werden zum Teil
auf „kleine“ Sprengköpfe vom Hiroshima-Format umgerüstet – geradezu
ideal für das Schlachtfeld Europa. Auch die 20 US-Atombomben in Büchel
werden technisch so verändert, dass sie wesentlich präziser treffen und
in ihrer Wirkung dosierbar werden.
USA und NATO bauen Raketenabwehrstellungen in Rumänien und Polen auf, die perspektivisch russische Gegenangriffe unmöglich machen sollen. Die Ankündigung von US-Präsident Trump, eine alle Orte der Erde einschließende Raketenabwehrfähigkeit aufbauen zu wollen, die auch den Weltraum als Operationsgebiet einschließt („Star Wars“), schließt eine Ausweitung dieser Stellungen in Europa ein. Angesichts dieser US-Erpressungspotenziale wachsen Zweifel daran, ob der seit 2011 funktionierende NEW START-Vertrag, der die Einhaltung der Obergrenzen der aufgestellten strategischen Nuklearwaffen von USA und Russland überwacht, Anfang 2021 verlängert wird. In Folge dessen könnte auch der Atomwaffensperrvertrag in Gefahr geraten.
Deutschland und die anderen europäischen
NATO-Staaten haben eine Phase konventioneller Hochrüstung begonnen, die
sich gegen das ohnehin konventionell hoffnungslos unterlegene Russland
richtet. Möglichst zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung sollen ins
Militär fließen. Deutsche Ambitionen drohen den Bundeswehrhaushalt auf
das Doppelte hochzutreiben. In die Defensive gedrückt verstärkt Russland
sein Nuklearpotenzial.
Deutschland und Europa drohen – wie zuletzt in den 80er Jahren – zum atomaren Schlachtfeld zu werden. („Euroshima“)
Ein dringendes Umsteuern ist nötig. Die
Bundesregierung muss den Amtseid der Kanzlerin Ernst nehmen: „Schaden
vom deutschen Volk abzuwenden“.
- Der INF-Vertrag muss erhalten bleiben!
Wir fordern die Bundesregierung auf,
- den Einladungen Russlands zu folgen und Vor-Ort-Inspektionen in Russland vorzunehmen,
- umgehend zu erklären, dass sie eine Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland nicht zulässt
- unverzüglich
ihr Veto innerhalb der NATO gegen eine Stationierung von
US-Mittelstreckenwaffen in NATO-Mitgliedsländern einzulegen,
- Initiativen
für umfassende Abrüstungsverhandlungen zwischen Russland und der NATO
zu ergreifen, die unter anderem die konventionelle Überlegenheit der
NATO, die taktischen und strategischen Atomwaffen, die
Raketenabwehrsysteme und Weltraumwaffen insgesamt einbeziehen. Das
schließt den Verzicht auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO, die
Bereitschaft zur einseitigen Abrüstung der Bundeswehr ebenso ein wie den
Abzug von US-Atomwaffen von deutschem Boden.
Die Stationierung der nuklearen
US-Mittelstreckenwaffen Pershing II und Cruise Missiles Anfang der 80er
Jahre mobilisierte Millionen Menschen. Das drohende Déjà-vu-Erlebnisses
zeigt die Notwendigkeit neuer massenhafter Proteste.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag
Lühr Henken, Berlin
Prof. Dr. Werner Ruf, Edermünde