Aufruf gegen das Sommerbiwak der Bundeswehr

Keine Feier mit der 1. Pan­zer­di­vi­si­on! Kein Frie­den mit der Bun­des­wehr!

Am 8. Juli 2011 soll das 38. Sommer­bi­wak der 1.Panzerdivision stattfinden, um die Verbundenheit mit der Bundeswehr zu demonstrieren. ‚Orient und Okzident‘ lautet diesmal der Titel dieses Festes – Ein unglaublicher Zynismus angesichts des Kriegseinsatzes in Afghanistan. Das wird den han­no­ver­schen Ober­bür­ger­meis­ter nicht daran hindern, auch in sei­nem dies­jährigen Gruß­wort zum Som­mer­bi­wak zu erklären, dies sei eine aus­ge­zeich­ne­te Mög­lich­keit die Be­zie­hun­gen zwi­schen Wirt­schaft, Mi­li­tär und Po­li­tik zu pfle­gen. Und er hat ja recht: hier kommt zu­sam­men, was zu­sam­men ge­hört. Genau deshalb ge­hört das Sommerbiwak ab­ge­schafft. Seit drei Jah­ren ist die Stadt Hannover Mit­ver­an­stal­te­rin des ‚Som­mer­bi­waks‘. Damit ver­klärt auch sie, was im of­fi­zi­el­len Jar­gon „hochintensive, multina­tio­na­le, ver­netz­te Ope­ra­tio­nen“ ge­nannt wird, im Klar­text je­doch Krieg ist.
Seit 2 Jahrzehnten wird die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee umgebaut.
Für diese Bundeswehr und ihre internationalen Kriegseinsätze hat Hannover eine enorme Bedeutung.

Der Krieg beginnt hier!
Die 1. Panzerdivision Hannover organisiert als Leitdivision die Auslandseinsätze des Heeres und ist mit über 5.000 SoldatInnen an der Besatzung des Kosovo und Afghanistans beteiligt. Und auch, wenn ‚die Erste‘ aus Hannover verschwinden sollte (s. HAZ v. 14. 5. 2011), die Bereitschaft der Stadt für zivil-militärische Kooperation ist nicht gesunken Die seit 2009 in Hannover angesiedelte Feldjägerschule trainiert in- und ausländische Militärs und Polizeikräfte zur Bekämpfung von oppositionellen Bewegungen. Der Fliegerhorst Wunstorf wird gerade zum zentralen Standort des Lufttransportgeschwaders ausgebaut und wird zukünftig der wichtigste Umschlagplatz für Kriegsgerät, Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr sein.

Dieses Jahr gehen sie baden!
Die gesellschaftliche Akzeptanz des Militärs, die durch Events wie dem Sommerbiwak demonstriert werden soll, bekommt nach der Aussetzung der Wehrpflicht zusätzliche Bedeutung. Die Abschaffung der Wehrpflicht dient zwar der Effizienzsteigerung, doch birgt sie für das Militär auch die Gefahr, dass mangelnde Zustimmung zur globalen Kriegsführung in Personalmangel mündet.
Akzeptanzbeschaffung in Fernsehen, Internet und Bild, durch Feiern und Feste, Tage der offenen Türen und Biwaks, Rekrutierung bei Bildungsmessen, im Arbeitsamt und in den Schulen – dies alles benötigt die Bundeswehr um Krieg führen zu können.
Damit dies gründ­lich miss­lingt, wollen wir ihnen die gesellschaftliche Ver­an­ker­ung nehmen, die sich in Pa­ten­schaf­ten, Fes­ten und dem Sommerbiwak ma­ni­fes­tiert.
Damit dies gründlich misslingt, tragen wir Protest auf die Messen, in die Schulen und die Veranstaltungen der Bundeswehr.
Damit dies gründlich misslingt, leisten wir seit 6 Jahren Widerstand gegen das Sommerbiwak der 1. Panzerdivision. In dieser Zeit ist es uns gelungen das Biwak zu einem umstrittenen Thema in der Stadtgesellschaft zu machen, über 1.000 Gäste zu vertreiben und die Panzerfreunde und Freundinnen immer weiter zurück zu drängen.
Das Sommerbiwak am 8. Juli 2011 ist für uns der Anlass, die­je­ni­gen, die von Krieg und Aus­beu­tung pro­fi­tie­ren, mit sicht­ba­rem und hör­ba­rem Pro­test und Wi­der­stand zu kon­fron­tie­ren und ihnen die Akzeptanz zu entziehen. Sagt mit uns als an­ti­mi­li­ta­ris­ti­scher Be­we­gung deut­lich ‚Nein!’ zu öffentlichen Auftritten und Feiern der Bundeswehr. Denn sie fei­ern, damit sie Krieg füh­ren kön­nen!
Schluss mit dem Som­mer­bi­wak und der Pa­ten­schaft Han­no­vers mit der 1. Pan­zer­di­vi­si­on!
Bun­des­wehr abschaffen!

Die 1. Panzerdivision
Ihren Divisionssitz hat ‚die Erste‘ in der Kurt Schuhmacher Kaserne in Hannover. Als „die“ Eingreifdivision des deutschen Heeres ist sie mit mehr als 19.000 SoldatInnen vor allem in Niedersachsen und Nord-Rhein Westfalen stationiert. Sie war und ist an allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt und in diesem Jahr Leitdivision in Afghanistan. Aber weder diese besondere Rolle der Ersten noch die Unterstützung, die ihr durch die Patenschaft der Stadt Hannover zuwächst können verhindern, dass ihr eventuell das Schicksal der Auflösung blüht.
Eine Option der geplanten „Militärreform“ sieht die komplette Auflösung der „Divisionsebene“ und die direkte Unterstellung der Kampfbrigaden unter das Heeresführungszentrum in Potsdam vor. Nicht, dass diese Verschlankung der Hierarchien irgendetwas besser machen würde, zeigt sie uns dennoch konkret, warum das Militär den sog. „Rückzug aus der Fläche“ fürchtet. In Hannover wäre die über Jahrzehnte gewachsene Verankerung des Militärs in der Gesellschaft perdu: Keine Empfänge mehr mit der Patenstadt. Kein Militärkonzert mehr mit der Kirche und auch kein Sommerbiwak mehr in Hannovers Stadtpark.

Die Feldjägerschule
Als im Jahr 2009 die Feldjägerschule der Bundeswehr in die ehemalige Heeresoffiziersschule, die Emmich-Cambrai-Kaserne einzog, rief ihr der Oberbürgermeister Hannovers Stefan Weil zu: „Machen sie sich breit in dieser Stadt.“
Doch was soll sich da in Hannover breit machen? Bislang kennt man sie so: Feldjäger bringen die eigenen SoldatInnen zur Raison und fangen DeserteurInnen ein. Doch längst geht es um mehr. Im Ausbildungsplan geht es um die Niederschlagung von Demonstrationen. Dass in Deutschland bislang aus historischer Erfahrung der Einsatz des Militärs im Innern grundgesetzlich untersagt ist, wird durch die Feldjäger aus verschiedenen Richtungen untergraben. Auf lokaler Ebene sind die Feldjäger längst in „Sicherheitspartnerschaften“ eingebunden. Auf europäischer Ebene vertreten die Feldjäger die BRD, wenn sich die militärischen Aufstandsbekämpfungstruppen, wie Carabinieri und Guardia Civil treffen.

Der Fliegerhorst Wunstorf
Vor den Toren Hannovers liegt der Fliegerhorst Wunstorf, auf dem eines der letzten zwei verbliebenen Lufttransportgeschwader stationiert ist. Für mehr als 300 Millionen Euro wird aktuell der Flughafen ausgebaut, um dann mehr als 30 Flugzeuge des neuen Airbus A400 M zu stationieren.
Weltweite Interventionskriege ohne Lufttransporte sind undenkbar. Deshalb entsteht in Wunstorf ein Drehkreuz für internationale Einsätze, deshalb sorgt u.a. diese Staffel für den Nachschub in Afghanistan und war in der Vergangenheit in Albanien, Usbekistan, Somalia und im Kongo im Einsatz.
Weitgehend unbeachtet blieb bislang, dass das Lufttransportgeschwader auch Aufgaben im Innern übernimmt und damit erneut in Konflikt mit der Verfassung gerät. Bekannt wurde eine so genannte „Sicherheitspartnerschaft“ zwischen der Stadt Wunstorf, der Polizei und der Fliegerhorstkommandantur. Angesichts wachsenden Sozialabbaus und damit einhergehender Armut will man sich, so ist dem Vertrag zu entnehmen, auf zunehmendes „Norm verletzendes Verhalten“ einstellen. Die Fliegerhorstsicherungsstaffel wurde bei Objektschutzübungen zur Verstärkung der Polizei und des Grenzschutzes sowie bei der Überwachung von Castortransporten eingesetzt.

Globales Krisenmanagement und neokoloniale Kriege
Die Folgen der Kolonialisierung begründen bis heute die ungleiche Verteilung von Macht und Reichtum sowie die damit verknüpften Ausbeutungsverhältnisse zwischen globalen Norden und Süden. So versuchen die Staaten des globalen Nordens mit wirtschaftlichen aber auch militärischen Mitteln ihre aus dem Kolonialismus resultierenden Privilegien abzusichern. Für die Funktionsfähigkeit der kapitalistischen Weltwirtschaft ist es nötig, „freie Handelswege“ und „sichere EU-Außengrenzen“ in Staatenbündnissen durchzusetzen. Trotzdem stehen die Staaten auch innerhalb dieser Bündnisse weiterhin in Konkurrenz zueinander und versuchen ihren jeweiligen Einfluss auszubauen. Deshalb werden einmal Staatenbündnisse wie EU und NATO als Wertegemeinschaften beschworen und ein andermal Alleingänge gestartet. Deshalb werden einmal Diktatoren hofiert und mit Waffen beliefert und ein andermal „Demokratie exportiert“.
Deshalb wird einmal gemeinsam in Afghanistan Krieg geführt und sich ein andermal über den Umgang mit den Aufständen in den arabischen Ländern zerstritten.

Der Krieg in Afghanistan
Seit mittlerweile zehn Jahren versucht die NATO die Kontrolle über Afghanistan herzustellen.
Dieser Krieg, der angeblich die Frauen befreien und die Demokratie exportieren sollte, wird zur Nagelprobe für die NATO-Staaten. Es geht um die Frage ob militärische Überlegenheit ausreicht um in einem Land dauerhaft und stabil eine abhängige Regierung zu etablieren und sich so den Zugriff eine geostrategisch wichtige und rohstoffreiche Region zu sichern.
Um das Scheitern dieser imperialen Kriegsstrategie abzuwenden, werden noch mehr SoldatInnen geschickt und immer mehr zivile Opfer in Kauf genommen, wird sich mit Warlords verbündet und die Einbindung von zivilen Hilfs- und Aufbauorganisationen in militärische Strategien erzwungen.
Die 1. Panzerdivision organisiert als Leitdivision der Bundeswehr die Eskalation des Krieges und ist somit verantwortlich für Perspektivlosigkeit, Verstümmelung und Mord.

…und was der Krieg mit Geschlechterrollen zu tun hat.
Die westlichen Staaten – nicht zuletzt die Bundesregierung – , versuchen den Kriegseinsatz in Afghanistan immer wieder mit der ‚Hilfe für entrechtete Frauen‘ dort zu legitimieren. Auch wenn die Lage von Frauen in Afghanistan abhängig beispielsweise von Familienstand, Alter und Zugang zu Ressourcen individuell sehr unterschiedlich sein kann:
Die Situation der Frauen in Afghanistan hat sich im Laufe des Krieges verschlechtert!
> Afghanistan hat eine der höchsten Müttersterblichkeitsraten der Welt.
> Es werden mehr Mädchenschulen zerstört als neu errichtet.
> Die Vernichtung der Existenzgrundlagen von Frauen und der Verlust familiärer Zusammenhänge beispielsweise durch Verwitwung führt häufig zu Betteln und Prostitution als einziger Überlebensmöglichkeit.
> Zu den Freiern gehören vor allem Männer aller Armeen, privater Sicherheitsdienste, der neuen afghanischen Polizei und internationaler Hilfsorganisationen .
> Der Übergang zu sexueller Gewalt ist fließend.
> Frauen, die sich politisch und sozial engagieren, leben unter ständigen Drohungen und Gewaltangriffen.
> Entlarvend ist, dass sich der Westen auf ein Regime stützt, das im April 2009 ein extrem frauenfeindliches Familiengesetz erlassen hat. Darin wird die Abhängigkeit der Frauen in rechtlichen, beruflichen, schulischen und nicht zuletzt sexuellen Belangen ihres Lebens von Entscheidungen ihrer männlichen Familienangehörigen juristisch festgeschrieben.
In allen Armeen der Welt herrscht ein rigides Männlichkeitsbild vor, basierend auf Brutalität und Dominanz. Daran ändert auch der steigende Soldatinnenanteil nichts. Einheiten wie das US-militärische „Female Engagement Team“ mit 50 Soldatinnen werden gezielt eingesetzt, um Akzeptanz für den Kriegseinsatz zu schaffen. Die ‚sozialen Tugenden‘ von Frauen werden für dieses Kalkül genutzt.
Krieg hat noch nie der Frauenbefreiung gedient.
Für die Stärkung von lokalen Frauenstrukturen und von eigenständigen ökonomischen Grundlagen für Frauen!
Gegen den ‚Opferstatus‘ von Frauen als Objekt von ‚Hilfe‘ oder ‚Befreiung‘ mit militärischer Gewalt!
Sofortiger Abzug aller Truppen aus Afghanistan!

Arabische Aufstände
Die Aufstände in den arabischen Staaten haben die Regierungen der EU- und NATO-Staaten auf dem falschen Fuß erwischt. Denn die politische und praktische Initiative lag bei den Menschen, die sich auf den Plätzen und Straßen versammelten.
Die Despoten, die die regionale Bevölkerung unterdrückten, das Grenzregime der EU durchsetzten und Flüchtlinge in die Wüste schickten, die den Zugriff auf Rohstoffe und freie Handelswege garantierten, sie wurden hinweggefegt oder wackeln zumindest.
Kämpfe um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, begannen nicht nur ohne die Militärs des „freien Westens“, sondern entfaltete sich sogar trotz deren Unterstützung für die Diktaturen. Waffenlieferungen und Milliarden von Euros von EU und NATO für die arabischen Diktaturen und nun die angebliche Unterstützung für die Revolten, sind zwei Seiten derselben Medaille. In dem Moment in dem Gaddafi keine Stabilität mehr garantieren konnte, setzten EU und NATO auf neue Partner, die Flüchtlingsabwehr, sowie Zugang zu Rohstoffen und Märkten garantieren sollen. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist wie in jedem Krieg nicht mehr als medial inszenierte Heuchelei. Mit dem Angriff in Libyen versuchen NATO und EU Verhältnisse herzustellen in denen die Zukunft nicht mehr auf den Straßen und Plätzen, sondern in Konferenzsälen entschieden wird.
Gegen Waffenexporte, Diktatur und jeden Krieg!
Bundeswehr und NATO abschaffen!

An­ti­mi­li­ta­ris­ti­scher Ak­ti­ons­kreis Re­gi­on Han­no­ver (AMAK)

8. Juli 2011 ab 17 Uhr HCC / Theodor-Heuss-Platz

Zu den Protesten gegen das Sommerbiwak der Bundeswehr rufen auf:

AK Antimilitarismus, AK Regionalgeschichte, Antifaschistische Aktion Hannover [AAH], AStA der Uni Hannover, attac Hannover, Autonome Antifa Rheine, FAU/IAA-Hannover, Friedensbüro e.V., DFG-VK Hannover, DIE LINKE Linden Limmer, DKP-Hannover, Heidrun Dittrich MdB für DIE LINKE, Kreisverband DIE LINKE Region Hannover, linksjugend [’solid] Hannover, Rote Aktion Kornstraße [rak], SDAJ Hannover