Friedensnewsletter Hannover Juni 2015

Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Krieg getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg.“ Kurt Tucholsky

Liebe Friedensfreund_innen,

die Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung sind vorüber, die Militarisierung der Zivilgesellschaft schreitet weiter voran. In diesem Rahmen bewegt sich auch der diesmalige Newsletter. Wir blicken zurück auf die Aufstellung des Deserteursdenkmals auf dem Stadtteilfriedhof Fössefeld. Die Illustrationen in diesem Newsletter sind zudem diesen Ereignis gewidmet. Am 15.Mai fuhren einige von uns nach Wunstorf um sich vor Ort – dem zentralen Drehkreuz der NATO und einzigen Landeplatz des Pannenfliegers A400M – ein Bild zu machen. Auch davon berichten wir hier. Diese Fahrt soll jedoch nur der Auftakt einer Reihe an Fahrten zu militärisch relevante Orten in der Region Hannover sein. Die zweite Fahrt wird uns am 20.Juni nach Unterlüß führen. Wir freuen uns über jede Teilnahme. Im August wird sich zum 70.mal der Jahrestag des Atombombenabwurfs auf die japanische Städte Hiroshima und Nagasaki jähren. Bereits im Juni startet eine Veranstaltungsreihe im Sprengelkino. Abschließend noch ein kurzfristiger Hinweis für eine eher unerfreuliche Veranstaltung. Am 13.Juni will die Bundeswehr – u.a. auch in Hannover – einen „Tag der Bundeswehr“ feiern und fürs Töten und Sterben werben. Am 5.Juni planen wir deshalb ein Vorbereitungstreffen 19.00 Uhr in der Kornstrasse. Versalzen wir den Militärs die Feier!

Die Themen im Einzelnen:

– Termine

– Einladung Jahreshauptversammlung des Friedensbüros

– 70 Jahre Hiroshima – Gedenken und Verantwortung heute

– Tag der Bundeswehr am 13.Juni

– Fahrt nach Unterlüß

– Einweihung Deserteursdenkmal Hannover

– (nicht) gehaltene Rede zum Deserteursdenkmal

– Fahrt nach Wunstorf

Ralf Buchterkirchen
Im Auftrag von Friedensbüro Hannover und DFG-VK Hannover

PS: Eine layoutete version als pdf findet sich hier.

Termine

  1. Juni 19 Pavillon: Mali – Seyda berichtet über die Situation seines Heimatlandes
    5.Juni 19 Uhr Vorbereitungstreffen Tag der Bundeswehr, UJZ Kornstrasse
    13. Juni: Tag der Bundeswehr in der Feldjägerschule in der Emmich-Cambrai-Kaserne – wir suchen noch Partner zu einer Aktion „Kein Werben fürs Sterben“
    17.Juni 19 Uhr im Haus der Jugend, Maschstr., Galerie, Jahreshauptversammlung des Friedensbüros
    Sa 20. Juni Radtour in die Heide zu Orten des Gedenkens und der Kriegsvorbereitung (Anl.)
    26.Juni 19 Uhr im Café K (Haltestelle Nieschlagstr.) Friedenspolitischer Stammtisch
    7.Juli 19.00 Pavillon: Waffenhandel – Das Geschäft mit dem Tod (eine Veranstaltung von Pavillon und Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Einladung Jahreshauptversammlung Friedensbüro Hannover

Liebe Mitglieder des Friedensbüros Hannover, liebe Friedensfreundinnen und -Freunde,

Hiermit möchten wir Euch zu unserer diesjährigen Jahreshauptversammlung
am Mittwoch, den 17. Juni 2015 um 19.00 im Haus der Jugend, Maschstr. 24, Galerie (Erdgeschoß, neben dem Cafe) herzlich einladen.

Vorgesehene Tagesordnungspunkte:

  • Begrüßung, Wahl der Versammlungsleitung
  • Feststellung der ordnungsgemäßen Einladung und der Beschlussfähigkeit
  • Genehmigung des Protokolls der letzten Mitgliederversammlung
  • Diskussion: Geflüchtete Menschen
    Wir haben dazu eine Vertretung des Niedersächsischen Flüchtlingsrats eingeladen.
  • Tätigkeitsbericht des Friedensbüros: Vorstellung und Ergänzung/ Diskussion
  • Vorstellung und Diskussion geplanter Aktivitäten für 2015/16.
  • Kassenbericht und Entlastung der Kassenverantwortlichen
  • Entlastung des alten Vorstands
  • Wahl / Bestätigung des Vorstands
  • Satzungsbeschlüsse

 

’70 Jahre Hiroshima – Gedenken und Verantwortung heute‘

Das Hiroshimabündnis führt mit verschiedenen Kooperationspartner_innen (u. a. Friedensbüro Hannover und DFG-VK Hannover) eine Veranstaltungsreihe durch

’70 Jahre Hiroshima – Gedenken und Verantwortung heute‘. Im Zentrum steht der 6. August, der 70. Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima. Die Veranstaltungen beginnen mit einer Filmreihe ab Donnerstag (4. Juni) im ‚Kino im Sprengel‘ und enden mit Veranstaltungen im Oktober 2015. Dazu mehr im nächsten Newsletter. Wir laden herzlich ein.

Die Filmreihe im Juni:

Ort: Kino im Sprengel Klaus-Müller-Kilian-Weg 2 (ehem. Schaufelder Straße 30)

  • DO 04.06.2015 20:30 Uhr [Japan im Krieg] Sakura-tai 6. August Kanetu Shindo, Japan 1988, 110 min., Shoji Yoshida, Takako Miki, Yasuko Yagami u.a. Eintritt frei!
  • DO 11.06.2015 – 20:30 Uhr [Japan im Krieg] – Die letzten Glühwürmchen Isao Takahata, Japan 1988, 88 min., OmU Eintritt frei!
  • DO 18.06.2015 – 20:30 Uhr [Japan im Krieg] Meine Reise mit den Überlebenden der Atombombe Takashi Kunimoto, Japan 2008, 64 min., O.m.U. Die verlorene Generation Yuten Tachibana, Japan 1982, 22 min., deutsche Fassung Zu Gast: Takashi Kunimoto
  • FR 26.06.2015 20:30 Uhr [Japan im Krieg] 63 years on – unfinished war Kim Dong-Won, Südkorea 2008, 60 min., O.m.U. Nataly Jung-Hwa Han und Tsukasa Yajima
  • SA 27.06.2015 20:30 Uhr Japan im Krieg] Annyong-Sayonara; Kim Tae-Il und Kato Kumiko, Südkorea 2005, 107 min., engl. OF

 

Heidefahrt- Zwischen Naturschönheit, Militärpräsenz und Erinnerungskultur – Fahrt in die Lüneburger Heide
Samstag 20.6.15

8.51 h Abfahrt: Hbf Hannover mit dem Erixx (Mitnahme von Fahrrädern)
9.45 h Ankunft: Bahnhof Bad Fallingbostel

Die Lüneburger Heide ist eine Landschaft wie geschaffen für eine Fahrradfahrt – voller Schönheit – aber auch voller Erinnerungen an die schreckliche Zeit des Faschismus. Gleichzeitig ist sie ein Ort des Militärs: Der NATO-Truppenübungsplatz ist einer der größten in Europa. Nach dem Abzug der britischen Armee soll er von der Bundeswehr umfassend genutzt werden. Initiativen vor Ort bemühen sich darum, das Gesamtgelände wieder der Natur zurückzugeben. Mit einigen von ihnen wollen wir uns treffen.

Zunächst geht es von Hannover unter Mitnahme von Fahrrädern mit dem Erixx nach Fallingbostel. In Oerbke gedenken wir der sowjetischen Kriegsgefangenen, die hier massenhaft an Hunger und Seuchen starben. Zwischen Ostenholz und Bergen fahren wir zwischen stark gesicherten britischen Kasernen hindurch zur „Platzrandstraße“ oder „Panzerringstraße“ einer ‚Privatstraße des Bundes‘. Auch hier ist die Landschaft gekennzeichnet von wunderschöner Natur – mit deutlichen Spuren militärischer Nutzung.

In Bergen-Belsen steht die Erinnerung an die im KZ inhaftierten Häftlinge im Mittelpunkt des Gedenkens: Hier starben hier mindestens 52.000 Häftlinge auf Grund der Haftbedingungen. Für Tausende war es eine Durchgangsstation in Vernichtungslager. Von der Rampe starteten Wehrmachtssoldaten mit Kriegsgerät zur Eroberung der Sowjetunion und später britisches Militär zu ihren Kriegsschauplätzen in aller Welt.

Die Fahrt endet in Bergen – Rückfahrt mit dem Zug von Bennemühlen.

Bitte ausreichend Essen und Wasser mitbringen. Es wird nur zweimal eine Pause geben und in der Heide befindet sich nicht überall ein Café.

Anmeldung: mueller-reiss@frieden.de oder stadt@adfc-hannover.de

Tel. Brunhild Müller-Reiß (0511-446482 oder ADFC Hannover (   ).
Anmeldung für Planung sehr wichtig – Ort für spontan Mitfahrende – Hbh Hannover – 8.30 ‚unterm Schwanz‘

 

Denkmal für Deserteure in Hannover eingeweiht

 

Heute wurde auf dem Stadtteilfriedhof Fössefeld das vom Ehepaar Breuste geschaffene Denkmal “Ungehorsam 1933-1945″ eingeweiht, sowie eine Informationstafel aufgestellt. Damit wird der Ort auch nach außen sichtbar eine Ort des Gedenkens und Mahnens an Deserteure. Offen ist jedoch weiterhin das Schicksal des alten Deserteursenkmals auf dem Trammplatz, welches im Sommer 2014 entfernt wurde. Hier muss dringend die Auseinandersetzung erfolgen. Erfreulicherweise machte Hansjoachim Kreter von der städtischen Erinnerungskultur zwei weitere Punkte deutlich. Dringend müssen, so Kreter auch am Waterlooplatz – dem Ort an dem das Wehrmachtuntersuchungsgefängnis stand – und an der Emmich-Cambrai-Kaserne – dem Ort der Erschiessung – Hinweistafeln oder andere Formen des Erinnerns angebracht werden.

Besonders bewegend an der Veranstaltung war die Anwesenheit der Tochter des wegen Wehrkraftzersetzung in Hannover hingerichteten Soldaten und Lehrers Hubert Breitschaft, Elizabeth Wiehr.

 

(nicht gehaltene) Rede zur Einweihung des Denkmals auf dem Fössefeldfriedhof Hannover

Leider konnte die DFG-VK, obwohl jahrelang maßgeblich an der Forschung und Problematisierung des Gedenkens an von der NS-Militärjustiz verurteilte “ungehorsame” Soldaten beteiligt, keinen Redebeitrag bei der Einweihung eines Denkmals für Deserteure halten. Deshalb hier dokumentiert – die nicht gehaltene Rede:

Heute gedenken wir hier der Menschen, die sich aus ganz individuellen Gründen der Kriegslogik entzogen: Sei es aus die Erkenntnis, dass militärische Mittel keine Lösung sind, sei es erlittene Schikane, sei es Kriegsmüdigkeit oder um es mit Alfred Andersch zu sagen: Der Wille zum Leben. Wir gedenken hier und heute der Menschen, die wegen Desertion, wegen sogenannter Wehrkraftzersetzung oder Kriegsverrat verurteilt und hingerichtet wurden. Hubert Breitschaft, dem Lehrer aus Cham wurde zum Verhängnis, als Reaktion auf die Information zum gescheiterten Hitlerattentat gesagt zu haben: „Schade, dass es ihn nicht erwischt hat! Der Kerl hat schon zu Viele ins Unglück gestürzt.“ Auf dem Waterlooplatz im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis erlebte er seine letzten Tage, bevor er ‚An der Kugelfangtrift‘ – auf dem Gelände der heutigen Emmich-Cambrai-Kaserne – am 12.Dezember 1944 erschossen wurde Er liegt hier auf dem Fössefeldfriedhof begraben.

Anton Biesterfeld aus dem holländischen Breda ertrug die Schikanen seiner Kameraden nicht und versuchte zu fliehen. Auch er wurde in Hannover hingerichtet und liegt hier begraben. Zwei Beispiele von Vielen.

Die Täter – die Richter, die Gerichtsherrn, die NS-Militärjustiz – gingen komplett straffrei aus. Die vollständige Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz dauerte hingegen noch bis 2009. Erlebt hat das von den Opfern, die damals überlebten, fast niemand mehr.

Jeder, der sich der Wehrmacht entzog, wusste was er tat. Die NS-Militärjustiz war allgegenwärtig, in kurzen Zeitabständen erfolgten Belehrungen für jeden Soldaten. Es war immer die einzelne individuelle Entscheidung „NEIN“ zu sagen. Humanität beispielsweise gegenüber Häftlingen zu zeigen galt bereits als Kriegsverrat. Bedroht waren auch die, die desertierten. Dass Zehntausende es dennoch taten, sich dafür entschieden ihr Leben zu riskieren – jeder für sich -, zeigt, dass die persönliche Entscheidung zum Leben über der Willkür des Militärs stehen kann. Jede dieser Taten war ein wenig Sand im Getriebe, war – aus was für Gründen auch immer – eine Tat gegen die militärische Logik und damit gegen Krieg als Mittel der Politik. Das Gedenken, das Nachdenken über diese mutigen Menschen und ihre Entscheidungen wirft auch für die heutige Zeit und für heutige Entscheidungen Fragen auf: Fragen nach der persönlichen Moral und nach der Sinnhaftigkeit des Krieges. Es stellt sich auch die Frage nach Alternativen. Dazu gehören die aktuellen Entscheidungen von Soldatinnen und Soldaten oder zivilen Beschäftigten, sich der Logik von Befehl und Gehorsam zu entziehen. Dazu gehörte und gehört auch, sich als ungerecht empfundenen Kriegen bzw. Militäroperationen zu entziehen. So haben es beispielsweise amerikanische und deutsche Soldaten im zweiten und dritten Golfkrieg getan, ebenso wie Deserteure im damaligen Jugoslawien und anderswo.

Auch in der heutigen Ukraine verweigern sich Soldat_innen dem Kampf im ‚Geschwisterkrieg‘.

In Hannover hat das Gedenken an Deserteure zumindest etwas Tradition. Bereits 1990 wurde ein Denkmal für den Unbekannten Deserteur aufgestellt. Jetzt liegt es an uns, dieses neue Denkmal zu nutzen, um die Auseinandersetzung um Gewissen, Menschenwürde und Toleranz, zur Frage nach Motiven und Rahmenbedingungen von Kriegen zu führen. Wir wollen dieses Denkmal zum Anecken und Hinterfragen scheinbar nicht hinterfragbarer Kategorien nutzen, ohne das alte Denkmal zu vergessen. Um abschließend noch einmal Alfred Andersch zu zitieren:

„Die meisten Desertionen geschahen […] aus dem Willen, zu leben“.

 

FriedensdemonstrantInnen fordern Umbenennung der Oswald-Boelcke-Straße

und ein Ende der Aufrüstung des Fliegerhorstes Wunstorf

Am Freitag, den 15. Mai 2015 veranstaltete das hannoversche Friedensbüro eine Fahrradtour zum Fliegerhorst Wunstorf. Unterwegs setzte sich die dreizehnköpfige Gruppe an der „Germania“ vor dem Hölty-Gymnasium und am Kriegerdenkmal mit der militärischen Traditionspflege in Wunstorf auseinander. Hubert Brieden vom Arbeitskreis Regionalgeschichte erläuterte Geschichte und Gegenwart der Denkmäler und sprach über die 1933 durch die Nazis veranlasste Umbenennung der Bahnhofstraße in Hindenburgstraße. Auch die Oswald-Boelcke-Straße erhielt diesen Namen 1936 erst durch die Wunstorfer NS-Machthaber, die damit das auf dem neu angelegten Fliegerhorst Wunstorf stationierte Traditionsgeschwader Boelcke ehren wollten. Flieger des Boelcke-Geschwaders waren während des Spanischen (Bürger-)Krieges und im Zweiten Weltkrieg u. a. an den vernichtenden Angriffen auf Gernika / Guernica und auf Coventry beteiligt.

1945 erhielt die Straße zunächst wieder ihren alten Namen: „Bürgermeisterweg“. 1951 beschloss der Wunstorfer Rat sie nach dem deutschnationalen Heimatdichter Gustav Kohne zu benennen, der im Oktober 1933 gemeinsam mit anderen Schriftstellern eine Ergebenheitserklärung an Adolf Hitler veröffentlicht hatte. Nach Aufmärschen von ehemaligen Fliegern des Boelcke-Geschwaders in Wunstorf 1952 und 1953, wurde die Straße erneut umbenannt und erhielt wieder ihren Namen aus der NS-Zeit – Oswald-Boelcke-Straße – den sie bis heute trägt. Seit Mitte der 1980er Jahren wird immer wieder gefordert, sie in Gernikastraße umzubenennen – bislang vergeblich. Am Straßenschild hängten die Teilnehmer der Radtour ein erläuterndes Schild auf.

An der Stadtkirche fand eine Protestkundgebung gegen die aktuelle Aufrüstung des Fliegerhorstes Wunstorf zum Standort des militärischen Großraumtransportflugzeuges A 400 M statt. Danach fuhren die TeilnehmerInnen der Radtour zum Fliegerhorst Wunstorf und zur Ju-52-Halle, um sich mit der spezifischen Traditionspflege der Bundeswehr auseinanderzusetzen und sich die Baumaßnahmen vor Ort anzuschauen.